Standpunkt der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) zur „geschlechtergerechten Sprache“

Kampf der Geschlechter
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GfdS-LogoÜber das Thema der sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter wird seit einigen Jahren so viel diskutiert wie selten zuvor. Dabei ist es durchaus nicht neu: Schon in den 1970er Jahren formierte sich eine Bewegung, die die männerzentrierte Sprachverwendung kritisierte und verlangte, dass auch Frauen sprachlich sichtbar gemacht werden.

Bereits 1980 wurden erste Richtlinien erlassen, die sicherstellen sollten, dass Frauen und Männer auch in der Sprache eine Gleichberechtigung erfahren. Möglichkeiten, die bereits damals genannt wurden, waren einerseits das Sichtbarmachen von Frauen in der Sprache durch explizite Nennung, das Neutralisieren von Geschlecht durch entsprechende geschlechtsneutrale Ausdrücke oder verschiedene kreative Lösungen, um das Ziel der sprachlichen Gleichbehandlung zu erreichen.

Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes verankert. Ein wichtiger Aspekt, um die Gleichbehandlung sicherzustellen, ist eine geschlechtergerechte Sprache. War man bisher in weiten Teilen der Gesellschaft von einem zweigeschlechtlichen Modell ausgegangen, so befindet sich diese Sichtweise derzeit im Umbruch und im Personenstandsgesetz wurde im Dezember 2018 eine dritte Geschlechtsoption (»divers«) eingeführt.

Gute Sprachempfehlungen für ein zweigeschlechtliches System

Für das sogenannte binäre System gibt es bereits zahlreiche gute Empfehlungen, beide Geschlechter (m und w) sprachlich zu berücksichtigen, die von der GfdS in ihrem Variantenreichtum unterstützt werden, darunter Partizipialbildung, Paarformel, Schrägstrichlösung etc.

Das Problem des dritten Geschlechts in der Sprache

Die Sichtbarmachung des dritten Geschlechts in der Sprache ist mit großen Problemen verbunden. So sind nicht nur neue, künstliche Formen bei Personenbezeichnungen zu schaffen (z. B. Arzt, Ärztin, 3. Form), auch sind viele grammatische Ergänzungen und Veränderungen vonnöten, wie etwa die Etablierung eines vierten Genus und entsprechend neue Flexionsformen, Artikel und Pronomen.

Doch eine institutionell verordnete Umstrukturierung und Ergänzung großer Teile der deutschen Sprache steht einer natürlichen Sprachentwicklung mit ihren natürlichen Ökonomisierungsbestrebungen konträr entgegen.

Insofern sind realistische und orthografisch wie grammatisch korrekt umsetzbare Möglichkeiten einer umfassend geschlechtergerechten Sprache weiterhin zu diskutieren – dazu gehören auch Gendergap (_) und Gendersternchen (*). Diese müssen noch einer gründlicheren Sprachanalyse unterzogen werden. Bei beiden handelt es sich um ikonisierte Zeichen, die ausschließlich in der Schriftsprache darstellbar sind und im mündlichen Sprachgebrauch kaum zum Ausdruck gebracht werden können.

Die Meinungen sind sehr kontrovers

Wie bei allen Themen, die die Gesellschaft betreffen, sind auch bei der geschlechtergerechten Sprache die Meinungen kontrovers. Noch immer halten viele am generischen Maskulinum fest und argumentieren damit, dass es sich einerseits auf beide Geschlechter beziehe, andererseits Genus nichts mit Sexus, das grammatische also nichts mit dem natürlichen Geschlecht zu tun habe.

Speziell letzterer Ansicht schließt sich die Gesellschaft für deutsche Sprache nicht an. So gibt es zum Beispiel durchaus Fälle, in denen das natürliche Geschlecht sprachlich ausschließlich durch das Genus festgestellt werden kann (der Berechtigte vs. die Berechtigte). Es gilt als erwiesen, dass Sprache die Wahrnehmung lenkt, so dass es notwendig ist, sprachliche Gleichberechtigung umzusetzen, um die im Grundgesetz verankerte gesellschaftliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu stützen.

Die Möglichkeiten, Sprache geschlechtergerecht zu gestalten, sind vielfältig, doch nicht alle eignen sich im Sinne der gültigen orthografischen Regeln für die geschlechtergerechte Formulierung. Darüber hinaus gibt es weitere Aspekte, an denen die Eignung einer geschlechtergerechten Sprache zu messen ist.

Ein wichtiges Kriterium ist die Frage, an welche Zielgruppe ein Text gerichtet ist und um welche Textsorte es sich handelt: formell vs. informell, behördlich vs. privat, gesprochene vs. geschriebene Sprache etc., denn je nach Kontext erhält die geschlechtergerechte Formulierung eine unterschiedliche Relevanz. Zusätzlich sollte ein geschlechtergerecht formulierter Text (vgl. Rat für deutsche Rechtschreibung 2018)

  1. verständlich sein
  2. lesbar sein
  3. vorlesbar sein
  4. grammatisch korrekt sein
  5. Eindeutigkeit und Rechtssicherheit gewährleisten

Die Gesellschaft für deutsche Sprache unterstützt die Bemühungen um eine sprachliche Gleichbehandlung, gleichwohl empfiehlt sie nicht alle derzeit gängigen Methoden, um Sprache geschlechtergerecht zu gestalten, nämlich dann nicht, wenn sie einerseits den oben genannten Kriterien widersprechen und – nach heute gültigen Regeln – grammatikalisch und orthografisch nicht vertretbar sind.

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[Text: GfdS. Quelle: Pressemitteilung GfdS, 2019-03-15.]