PONS übernimmt Langenscheidt – Bundeskartellamt genehmigt Mega-Fusion

PONS schluckt Langenscheidt
PONS schluckt Langenscheidt: Hastig auf dem Redaktionsschreibtisch arrangiertes Symbolbild. - Bild: UEPO.de

Das Bundeskartellamt hat am 26.04.2019 grünes Licht für die Übernahme von Langenscheidt durch PONS gegeben. Damit verbunden ist der Erwerb sämtlicher Geschäftsbereiche der Langenscheidt GmbH & Co. KG (München) sowie der Langenscheidt Digital GmbH & Co. KG (München) durch die zur Klett-Gruppe gehörende PONS GmbH (Stuttgart).

Philipp Haußmann
Philipp Haußmann, Vorstandssprecher der Ernst Klett AG

Die Ernst Klett AG wird von Philipp Haußmann geleitet, einem Urenkel des Firmengründers Ernst Klett. Sie hatte Anfang März 2019 dem Bundeskartellamt gemeldet, „wesentliche Vermögensteile“ von Langenscheidt kaufen zu wollen, und bat um Prüfung der Genehmigungsfähigkeit.

Für die Evaluierung nahm sich das Bundeskartellamt sieben Wochen Zeit und führte eine umfassende Marktbefragung bei den Wettbewerbern im Printbereich durch. Darüber hinaus wurde auch bei den bedeutendsten Online-Anbietern von fremdsprachigen Wörterbüchern und Sprachkursen recherchiert.

PONS ist kleiner als Langenscheidt

Kletts Wörterbuchsparte PONS ist hinsichtlich Mitarbeiterzahl (50) und Marktanteil (30-35 Prozent) kleiner als Langenscheidt (heute noch ca. 60 Mitarbeiter, Marktanteil 50-55 Prozent). Aber hinter PONS steht die florierende und finanzstarke Klett-Gruppe, während der 163 Jahre alte Langenscheidt-Verlag schon länger als finanziell angeschlagen gilt.

Sowohl PONS als auch Langenscheidt verlegen neben Wörterbüchern auch Sprachlehrwerke. Das Angebot umfasst neben Printmedien auch digitale Angebote wie Online-Wörterbücher, E-Books und Apps.

Trotz marktbeherrschender Stellung nur „Bagatellmärkte mit geringen Umsätzen“

Warum wurde die Fusion genehmigt, obwohl PONS und Langenscheidt jeder für sich schon Riesen und gemeinsam ein marktbeherrschender Gigant auf dem Markt für gedruckte und digitale Wörterbücher und Sprachkurse sind? Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, erläutert die Beweggründe:

Andreas Mundt
Andreas Mundt – Bild: Bundeskartellamt

Infolge des Zusammenschlusses kommen die Unternehmen zusammen auf hohe Marktanteile sowohl bei gedruckten Wörterbücher als auch bei den gedruckten Sprachkurs-Produkten.

Trotzdem war der Zusammenschluss letztlich freizugeben, da es sich bei den kritischen Märkten um sogenannte Bagatellmärkte mit nur geringen Umsätzen handelt.

Darüber hinaus ist ein hoher Wettbewerbsdruck durch digitale Angebote feststellbar. Viele Verbraucher nutzen inzwischen vorrangig das Internet, um Wörter zu suchen oder Sprachen zu lernen.

Nach der sogenannten Bagatellmarktklausel des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen darf ein Zusammenschluss nicht untersagt werden, wenn in dem betroffenen Markt im Inland im letzten Kalenderjahr weniger als 15 Millionen Euro umgesetzt wurden.

Digitalisierung hat Wörterbuchverlage in Bedrängnis gebracht

Offenbar hat die Digitalisierung in den vergangenen Jahrzehnten vor allem Langenscheidt stärker zugesetzt als es nach außen den Anschein hatte. Klett hatte die Zeichen der Zeit eher erkannt und sein Wörterbuchangebot (PONS) schon 2008 und damit deutlich früher als Langenscheidt ins Internet gebracht. Außerdem investierte man in Stuttgart stark in Lern-Apps.

Kontinuierliche Aufwärtsentwicklung bei Klett-Gruppe

Laut Handelsblatt konnte die Klett-Gruppe insgesamt (PONS ist nur ein sehr kleiner Teil davon) seit 2013 ihre Umsätze stetig steigern, die sich im Geschäftsjahr 2017 auf 612 Millionen Euro beliefen – bei einem Gewinn vor Steuern von 25,5 Mio. Euro. Auch die Zahl der Mitarbeiter stieg in diesem Zeitraum von 3.200 auf mehr als 5.000.

Langenscheidt hat in 13 Jahren offenbar 86 % des Umsatzes verloren

Langenscheidt befand sich mehr als 150 Jahre lang in Familienhand.

2013 verkauften die Langenscheidts ihre Anteile an das Firmen-Sammelsurium des Multiunternehmers Oliver Jaster, der ein branchenfremdes Geschäftsführertrio installierte. 2015 entließ Jaster, dem auch Lotto24 und ein Maschinenbauer gehören, wegen der „seit Jahren anhaltenden unerfreulichen Umsatz- und Ergebnisentwicklung“ 29 der damals 90 Langenscheidt-Mitarbeiter.

Die Holding von Oliver Jaster (Günther SE), hat 2017 insgesamt 157 Millionen Euro umgesetzt. Für das Segment Sprachen – also Langenscheidt – wird dabei lediglich ein Umsatz von 12 Millionen Euro ausgewiesen.

Umsatzsäulen Langenscheidt
Die drei Umsatzsäulen von Langenscheidt im Jahr 2004. Später, als es finanziell eng wurde, mussten zwei wieder abgestoßen werden. – Quelle: Jubiläumsband

Wie groß der Absturz ist, mag man daran ermessen, dass Langenscheidts Gesamtumsatz für das Jahr 2004 im 2006 erschienenen Festband 150 Jahre Langenscheidt noch mit „weltweit 255 Mio. Euro“ angegeben wurde.

Das hohe Umsatzvolumen der Firmengruppe ist aber auch darauf zurückzuführen, dass Andreas Langenscheidt, der 1990 persönlich haftender Gesellschafter wurde, eine internationale Expansionspolitik betrieb und mehr als ein Dutzend Unternehmen dazukaufte, die oft nur am Rande etwas mit Langenscheidts Kerngeschäft zu tun hatten (Verlage für Reiseliteratur, Kartografie, Bibliographisches Institut/Brockhaus, Berlitz).

In seinem Kerngeschäft Fremdsprachen erzielte Langenscheidt 2004 einen Umsatz von 89 Mio. Euro, 2017 waren es nur noch 12 Millionen. Innerhalb von 13 Jahren gingen damit 86 Prozent des Umsatzes verloren. Eine Katastrophe, von der die Öffentlichkeit kaum etwas mitbekam.

Rückblickend kann auch der schon 2009 erfolgte Verkauf des Duden-Verlags von Langenscheidt an Cornelsen als erstes Anzeichen für die schwindende wirtschaftliche Kraft von Langenscheidt gewertet werden. Für den Duden kam der Verkauf einer Katastrophe gleich, denn de facto wurde der seit sechs Jahrzehnten in Mannheim beheimatete Verlag abgewickelt und in Berlin neu aufgebaut (siehe Links weiter unten).

Umsatzentwicklung Langenscheidt
Im Jubiläumsjahr 2006 sah alles auf den ersten Blick noch bestens aus. Auffällig sind jedoch die nach 1990 durch zahlreiche Firmenübernahmen aufgeblähten Umsatzzahlen (Expansion und Diversifikation). – Quelle: Jubiläumsband

PONS und Langenscheidt schweigen bisher

PONS und Langenscheidt haben sich weder vor noch nach der Entscheidung des Bundeskartellamtes offiziell zu Wort gemeldet. Der Spiegel will erfahren haben, dass beide Unternehmen nun „einen baldigen Vollzug des Vorhabens“ anstreben.

Dass die Marke Langenscheidt eingestampft wird, ist nicht zu erwarten. Das blaue L auf gelbem Grund gehört zu den ältesten, bekanntesten und wertvollsten deutschen Marken überhaupt. Unklar ist aber, wie die Aufgaben in dem künftigen gemeinsamen Unternehmen verteilt werden und wie es mit den Mitarbeitern weitergeht.

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[Text: Richard Schneider.]