Japantag in Düsseldorf: Reines Cosplay-Spektakel oder auch für Übersetzer interessant?

Auffälligstes Merkmal des Japantags sind die Cosplayer, für die dieses Festival ein Höhepunkt des Jahres zu sein scheint. Auf den großen Buchmessen in Frankfurt und Leipzig sind sie nur eine bizarre Randerscheinung, in Düsseldorf dominieren sie das Geschehen. - Bild: UEPO.de

„Was soll ich denn da? Ich bin doch keine 16 mehr.“ – Angesichts der Cosplayer, die das Bild in den Medien dominieren, mag so mancher Sprachen- und Ostasien-Freund darauf verzichtet haben, zum Japantag nach Düsseldorf zu fahren.

Eine Fehleinschätzung – denn das 2019 bereits zum 18. Mal zu Ehren der größten japanischen Kolonie in Deutschland veranstaltete Festival mit 90 Demonstrations- und Verkaufsständen sowie drei Bühnen ist weit mehr als ein buntes Kostümspektakel. 2019 kamen rund 600.000 Besucher an den Rhein, um die bunte Vielfalt der japanischen Kultur zu feiern.

Auch für Übersetzer interessant?

Lohnt sich eine Anreise auch für Erwachsene, die ernsthaft und beruflich an Sprachen und Kulturen interessiert sind, wie zum Beispiel Übersetzer? Kurze Antwort: Ja – und zwar selbst dann, wenn Japanisch nicht zu den eigenen Arbeitssprachen gehört.

  • Wo sonst kann man sich kostenlos mehrere halbstündige Schnupperkurse für die japanische Sprache angedeihen lassen? Es gab mindestens zwei Stände, an denen über den Tag verteilt Einführungen für interessierte Laien angeboten wurden.
  • Wo sonst wird man geduldig in die Grundzüge des komplexen japanischen Schriftsystems eingeweiht (Hiragana und Katakana)?
  • Wo sonst pinseln einem Schriftgelehrte den eigenen Namen in Katakana auf ein Blatt Papier – als dekorativen Wandschmuck für das übersetzerische Arbeitszimmer?

Kurzum: Wer will, kann an diesem Nachmittag seinen sprachlichen und kulturellen Horizont erheblich erweitern. Denn in all dem Trubel lassen sich auch reichlich ernsthafte Informationsangebote finden.

Uni Bochum und Sprachschulen lehren Japanisch

LSI Bochum
Das Landesspracheninstitut der Ruhr-Universität Bochum bot Schnupperkurse zur Einführung in die japanische Sprache an.
Trotz der erheblichen intellektuellen Herausforderung waren diese Kurse sehr gut besucht.
Das Publikum war ernsthaft interessiert und hatte trotzdem Spaß.
Erfahrene Dozenten gestalteten die Einführung kurzweilig und mit Humor.

Das komplexe Schriftsystem des Japanischen: Hiragana und Katakana

Mit sicherem Pinselstrich fertigten Schriftgelehrte persönliche Glück- und Segenswünsche als dekorativen Wandschmuck an.
Auf einem Schild im Hintergrund steht allerdings ausdrücklich: „Wir übernehmen keine Haftung!“ Wahrscheinlich als Hinweis für diejenigen, die sich die Schriftgebilde auf die Haut tätowieren lassen möchten.
Die Japanische Internationale Schule weihte Interessierte geduldig in die Katakana-Schrift ein.
So bekam man aus erster Hand einen tieferen Einblick in ein grundsätzlich anderes Schriftsystem. Darüber hinaus konnte man den eigenen Namen auf Japanisch schreiben lassen.

Manga-Verlage haben einen enormen Übersetzungsbedarf

Alle bedeutenden Verlage der Szene sind vor Ort. Dabei handelt es sich aber um reine Verkaufsstände, bei denen ein persönliches Vorsprechen als Japanisch-Übersetzer nicht sonderlich Erfolg versprechend sein dürfte.

Nach den Statistiken des Börsenvereins des deutschen Buchhandels sind Comics das Literaturgenre mit dem höchsten Übersetzungsanteil. Während in der Belletristik insgesamt nur 26,5 Prozent der Titel Übersetzungen sind, liegt ihr Anteil bei Comics doppelt so hoch, nämlich bei 52,4 Prozent (Zahlen von 2015).

Im Bereich Manga ist logischerweise Japanisch die wichtigste Ausgangssprache. Aber auch der Anteil des Japanischen an der Gesamtheit aller Literaturübersetzungen (nicht nur Comics) ist durch die gewaltige Manga-Produktion erstaunlich hoch: 6,3 Prozent aller Literaturübersetzungen stammen aus dem Japanischen. Das fernöstliche Idiom liegt dadurch auf Platz 3 der Fremdsprachen, aus denen Literatur ins Deutsche übersetzt wird. Platz 1 belegt Englisch mit 64,6 Prozent, Platz 2 Französisch mit 10,8 Prozent.

Manga-Zeichenwettbewerbe trafen bei Kindern und Jugendlichen auf großen Zuspruch.

Am Japantag noch mehr Japaner als sonst in Düsseldorf

Im Düsseldorfer Stadtbild ist die annähernd 8.000 Köpfe zählende japanische Gemeinde nur subtil präsent. Am Japantag hingegen tritt sie deutlich in Erscheinung und ist womöglich sogar vollzählig auf der Rheinuferpromenade anwesend. Hinzu kommen die aus Köln und anderen Städten Nordrhein-Westfalens angereisten Landsleute.

Der Japantag wird maßgeblich von den Japanern und ihren am Rhein ansässigen Unternehmen mitorganisiert, mitgestaltet und mitfinanziert. Die Moderation auf den Bühnen erfolgt stets zweisprachig auf Deutsch und Japanisch (niemals Englisch), sodass die japanische Sprache an dem Tag tatsächlich überall präsent ist.

Die Japaner selbst sind zahlreich anwesend, wie hier bei einem Origami-Kurs. Wer als Deutscher die Sprache sprechen kann und will, hat am Japantag dazu vielfältige Gelegenheiten.

Zu voll? – Nein, Festivalstimmung

Gelegentlich hört man Kritik, am Japantag sei es so voll, dass einem der Spaß an der Freude vergehe. Das können wir nicht bestätigen.

Zwar strömen 600.000 zusätzliche Besucher in die Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens, um Japan, die Japaner, deren Sprache, Schrift und Kultur zu feiern. Aber diese verteilen sich über die beiden Ebenen der mehr als zwei Kilometer langen Rheinuferpromenade.

Es gibt zwar einige Engstellen an den Verbindungswegen zwischen den Plätzen, aber auf den großen Veranstaltungsflächen ist genügend Freiraum vorhanden. Wir haben uns nirgendwo bedrängt gefühlt. Wer wollte, konnte überall ein ruhiges Plätzchen finden.

Der Weg direkt am Wasser war frei von Ständen und konnte genutzt werden, um schnell von einem zum anderen Veranstaltungsort zu gelangen.
Auch auf der Treppe am Burgplatz, die beide Ebenen miteinander verbindet, ließ sich problemlos ein Sitzplatz finden.
Selbst an der Hauptbühne, auf der Musik, Tanz und Aufführungen der fünf japanischen Kindergärten geboten wurden, konnte sich jeder, der wollte, bis ganz nach vorne vordrängeln.
Das Wetter war heiter bis wolkig und regenfrei bei 20 Grad – ideal für eine Großveranstaltung dieser Art.
Am gegenüberliegenden Rheinufer wurde das japanische Feuerwerk aufgebaut, das um 23:00 Uhr zur Zündung kam.

Cosplayer campieren auf der grünen Wiese

Auf der Cosplayer-Wiese vor der Reuter-Kaserne hatten viele Jugendliche kleine Zelte aufgeschlagen.
Auch hier entstand kein unangenehmes Gedränge.
Düsseldorf scheint so etwas wie die Jahreshauptversammlung der Cosplayer zu sein, von denen sich viele aus Online-Foren und von den Buchmessen kennen.

Motive ohne Ende für Hobby- und Profifotografen

Visuelle Hauptattraktion des Japantags sind die Besucher selbst, von denen viele sich in selbst genähten und gebastelten Kostümen präsentieren. Auf dem offiziellen Cosplay-Wettbewerb wurde die Gewinnerin mit einer Reise nach Japan ausgezeichnet – spendiert von einer japanischen Fluggesellschaft.

Auch abseits der Bühnen posierten kostümierte Gruppen und Einzelpersonen bereitwillig für Presse, Fernsehen und die zahlreichen Hobbyknipser.

Durch die in Selbstdarstellung geübten Cosplayer bot sich Hobbyfotografen eine überaus reichhaltige Motivauswahl.
Die Brüstungen und Podeste auf der Promenade eignen sich ideal zum Posieren.

Einzelne Cosplayer-Gruppen liefen mit Schildern herum, auf denen „Free Hugs“ versprochen werden. Wer mochte, konnte sich dann von verschwitzten Teenies knuddeln lassen.

„Nun stell dich doch mal dazu, Lea! Papa macht auch ein Foto.“
Ist das noch Cosplay oder schon Fetisch?
Und wer genug vom asiatischen Trubel hatte, konnte in die direkt benachbarte Altstadt mit der bekanntlich längsten Theke der Welt wechseln.
Auch die Einkaufstempel an der Königsallee luden zu einem Bummel ein.
Der Kö-Graben ist wie immer im Sommer eine vollständig veralgte grüne Brühe, stinkt aber zumindest nicht.

Reisewarnung: Züge nach Düsseldorf sind voll

Der Japantag hat ein enormes Einzugsgebiet, das nicht nur die 17 Millionen Einwohner von Nordrhein-Westfalen erfasst. Für Cosplayer besitzt er offenbar eine bundesweite Bedeutung.

Für die Anreise empfiehlt sich die Bahn, wobei man aber damit rechnen muss, über weite Strecken im Gang stehen zu müssen. Die direkten Züge nach Düsseldorf sind den ganzen Vormittag über gerammelt voll – und zwar bereits mehr als hundert Kilometer vor Düsseldorf.

Trotz einer vielleicht etwas stressigen Anreise können wir allen Sprach- und Kulturinteressierten einen Ausflug zum Japantag uneingeschränkt empfehlen.

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Richard Schneider (Text und Bilder)