Das Amtsgericht Springe (bei Hannover) hat einen beeidigten Gerichtsdolmetscher wegen Befangenheit entlassen, nachdem er das Gericht während der Verhandlung darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die beiden 26- und 20-jährigen Angeklagten seinem Eindruck nach einen 31-jährigen Zeugen in ihrer Muttersprache unter Druck setzten.
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung schreibt:
Dass der vereidigte Dolmetscher während der Verhandlung die Aussagen des Zeugen nicht korrekt übersetzt habe, monierten die beiden Angeklagten, die die gleiche Sprache beherrschen, mehrfach. Als der Dolmetscher daraufhin erklärte, der Zeuge werde von den Angeklagten in seiner Muttersprache unter Druck gesetzt, stellte der Verteidiger des 20-Jährigen einen Befangenheitsantrag. Als Dolmetscher dürfe der Mann lediglich übersetzen und keine persönlichen Wertungen abgeben. Dem stimmte die Jugendrichterin nach einer Sitzungsunterbrechung zu. […]
Weil aber eine Fortsetzung der Verhandlung ohne Dolmetscher nicht möglich war und seine gesamte Zeugenaussage durch die vorgeworfene Befangenheit ohnehin nicht verwertbar sei, setzte die Jugendrichterin die Verhandlung aus.
Bereits zuvor hatte der nach Ansicht des Dolmetschers eingeschüchterte Zeuge seine frühere Aussage bei der Polizei, er sei mit einem Messer am Hals verletzt worden, revidiert. Das sei, so der Zeuge, damals falsch übersetzt worden. Er habe lediglich „gedacht“, es sei ein Messer gewesen. Tatsächlich sei es aber wohl doch nur ein Schlag gewesen. Deshalb ziehe er seine Anzeige zurück.
[Text: Richard Schneider. Quelle: HAZ, 2019-05-19.]