Internationaler Literaturpreis 2019 für Fernanda Melchor und Übersetzerin Angelica Ammar

Fernanda Melchor, Angelica Ammar
Die mexikanische Autorin Fernanda Melchor (links) und ihre Übersetzerin Angelica Ammar freuen sich über die hoch dotierte Auszeichnung. - Bild: privat, Ann-Christine Woehrl

Die mexikanische Schriftstellerin Fernanda Melchor und die Übersetzerin Angelica Ammar werden für den Roman Saison der Wirbelstürme (Temporada de huracanes) und dessen Übersetzung aus dem mexikanischen Spanisch mit dem Internationalen Literaturpreis 2019 ausgezeichnet.

Dotiert mit insgesamt 35.000 Euro (20.000 Euro gehen an die Autorin, 15.000 Euro an die Übersetzerin) zeichnet der Preis jährlich einen herausragenden Titel internationaler Gegenwartsliteraturen in deutscher Erstübersetzung aus. Der zum elften Mal vergebene Preis würdigt sowohl das Originalwerk als auch seine Übersetzung und ist damit einzigartig in der deutschen und internationalen Preislandschaft.

Fernanda Melchor schreibt Romane und Reportagen

Fernanda Melchor, 1982 im mexikanischen Bundesstaat Veracruz geboren, schreibt Romane und Reportagen (crónicas), für die sie bereits mehrere Preise gewonnen hat. Sie lebt in Puebla und gilt als eine der talentiertesten Autorinnen ihrer Generation.

2013 veröffentlichte sie ihren ersten Roman Falsa liebre sowie eine Sammlung von crónicas unter dem Titel Aquí no es Miami. Ihr zweiter Roman Saison der Wirbelstürme erschien gleichzeitig in mehreren Ländern, unter anderem in den USA, Italien, Frankreich und Großbritannien.

Übersetzerin Angelica Ammar hat Romanistik studiert

Angelica Ammar ist in München geboren und aufgewachsen. Nach einem längeren Aufenthalt in Ghana studierte sie Romanistik und Ethnologie in München, Madrid und Paris, wo sie zehn Jahre lebte. 2007 zog sie nach Barcelona.

Sie übersetzte unter anderem Sergio Pitol, Mario Vargas Llosa, Rita Indiana, Gioconda Belli, Eduardo Galeano und Horacio Quiroga aus dem Spanischen.

Darüber hinaus trat sie auch als Autorin in Erscheinung. Für ihren Debütroman Tolmedo erhielt sie 2006 den Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung, 2010 erschien ihr zweiter Roman Die Zeit der grünen Mandeln.

Ein politischer Roman?

Titelseite "Saison der Wirbelstürme"
„Saison der Wirbelstürme“ ist im März 2019 bei Wagenbach erschienen.

Die Jury hat ihre Entscheidung wie folgt begründet:

Fernanda Melchor hat den Roman der Armut im Globalkapitalismus des 21. Jahrhunderts geschrieben, den Roman aus Armut geborener Gewalt gegen Frauen, gegen Homosexuelle, gegen Schwächere. Den Roman des gnadenlosen Kampfes der Schwächsten gegen noch Schwächere und gegen sich selbst. Den Roman einer Zerstörung, der es egal ist, ob sie zur Selbstzerstörung wird. Weil der Unterschied nicht mehr wichtig ist.

Saison der Wirbelstürme ist kein Roman, der sich Kapitalismuskritik auf die Fahnen geschrieben hat. Aber er verdient diesen Preis trotzdem als politischer Roman.

Übersetzerin hat „Herausforderungen des Originals mit großer Eleganz bewältigt“

Zur Übersetzung schreibt die Jury:

Angelica Ammar hat in ihrer Übersetzung einen Wort- und Bedeutungsteppich ausgebreitet, dem wir lesend vertrauen können und dessen Festigkeit nie nachlässt. Die vielen Herausforderungen des Originals hat sie mit großer Eleganz bewältigt, immer in vollem Verständnis des Textes. Ihre Übersetzung ist eine ungeheure Leistung.“

Eröffnungsansprache von Teju Cole, Laudatio von Robin Detje

Die Bekanntgabe der Gewinnerinnen und die Preisverleihung erfolgte am 18. Juni 2019 in Berlin. Die Eröffnungsansprache hielt Teju Cole, der 2013 mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Anschließend wurden die diesjährigen Preisträgerinnen von der Jury bekannt gegeben und mit einer Laudatio von Robin Detje gewürdigt, der selbst Übersetzer und Autor ist.

Im Gespräch mit Daniel Medin stellten die Autorin und die Übersetzerin ihr Werk vor und beleuchteten dabei auch die realen Ereignisse, die dem Roman zugrunde liegen.

Nach der Preisverleihung waren alle Zuschauer eingeladen, bei Getränken und Musik auf der Dachterrasse mit den Akteuren ins Gespräch zu kommen.

Die Jury des Internationalen Literaturpreises

Der unabhängigen Jury, die aus den Einreichungen der Verlage zunächst die Auswahlliste und dann das Preisträger-Duo ermittelt hat, gehörten 2019 an: Der Übersetzer und Autor Robin Detje, der Dramaturg, Autor und Kurator Jens Hillje, der Literaturkritiker und Autor Tobias Lehmkuhl, die Kritikerin und Autorin Verena Lueken, der Literaturwissenschaftler und Herausgeber Daniel Medin, die Literaturagentin und Verlegerin Elisabeth Ruge sowie die Lyrikerin und Verlegerin Daniela Seel.

Über den Internationalen Literaturpreis

Der Internationale Literaturpreis wird verliehen vom Haus der Kulturen der Welt mit der Stiftung Elementarteilchen. In Kooperation mit dem Literarischen Colloquium Berlin (LCB), TOLEDO, dem Verband deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke (VdÜ), der Kurt-Wolff-Stiftung, dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Landesverband Berlin-Brandenburg), der Buchhandlung ocelot, dem Literaturfestival Leukerbad, der Amerika-Gedenkbibliothek, Shared Reading und dem Sonntagsbureau.

Das Haus der Kulturen der Welt wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie durch das Auswärtige Amt.

Weiterführender Link

[Text: Richard Schneider mit Material des HKW.]