ÜbeLsetzung des Jahres: „Dolmetscher für Pflegende“ aus dem Springer Verlag

ÜbeLsetzung des Jahres: "Dolmetscher für Pflegende"
Bild: Springer Verlag, Gerd Altmann / Pixabay

Der österreichische Übersetzerverband UNIVERSITAS Austria hat ein Buch mit dem Negativpreis „ÜbeLsetzung des Jahres“ ausgezeichnet. In einer Pressemitteilung heißt es unter der Überschrift „Lebensgefährliche Übersetzungen aus dem Springer Verlag“:

Der renommierte Springer Verlag wollte, wohl mit den besten Intentionen, seinen Beitrag zum schwierigen Alltag in der Pflege leisten und gab eine Sprachfibel unter dem Titel „Dolmetscher für Pflegende“ heraus. Damit soll Pflegenden die Kommunikation mit fremdsprachigen Patienten erleichtert werden.

Das Problem: Die zahlreichen Übersetzungen sind weitestgehend unbrauchbar. „Die Jury hat diesem haarsträubenden Werk den ÜbeLsetzungspreis für die katastrophalste Übersetzung des Jahres 2019 verliehen“, sagt dazu María Palma, Generalsekretärin von UNIVERSITAS Austria. „Es wurde auf eine Mischung aus minimal Sprachkundigen und maschineller Übersetzung gesetzt – mit verheerendem Ergebnis. Und das bei einem Verlag, der sich hohe Qualität auf die Fahnen heftet.“

Der Text strotze vor Grammatik- und Tippfehlern, es fehlten diakritische Zeichen, wiederkehrende Termini würden stets anders übersetzt, es fänden sich derbe Ausdrücke – wie etwa „Arsch“ im Spanischen. Die vorgeschlagenen Formulierungen pendelten zwischen der Du- und Sie-Form, im Russischen werde die „Patientenverfügung“ zum rätselhaften „medizinischen Testament“ und Medikamente würden durch andere als in der deutschen Version ersetzt. Im Spanischen würden aus Inkontinenzvorlagen kurzerhand Schuheinlagen, im Portugiesischen werde der Verbandswechsel bei Wunden zu einem Wechsel des Vereins. In der „serbokroatischen“ Version würden die Antithrombose-Strümpfe schlicht zu „Socken“ und für Laien würden unverständliche Fachbegriffe vorgeschlagen.

Als besonders negatives Highlight hebt der Verband hervor, dass in einigen Sprachen empfohlen wird, vor der Operation lediglich keinen Alkohol zu trinken – eine Falschübersetzung für das im Deutschen mehrdeutige „nüchtern“. Der Hinweis auf das Verbot jeglicher Nahrungsaufnahme fehle, was bei einer Operation gravierende Folgen haben könne.

Eine Hilfestellung zur Erleichterung der mehrsprachigen Kommunikation im medizinischen Alltag, wenn keine Dolmetscher zur Verfügung stehen, sei äußert begrüßenswert. Aber: „Wer sich an dieses Büchlein hält, gefährdet im schlimmsten Fall Leib und Leben und macht sich im allerbesten Fall lächerlich“, unterstreicht Dagmar Jenner, die Präsidentin des Verbandes.

UNIVERSITAS Austria ruft den Springer Verlag dringend auf, das verunglückte Buch vom Markt zu nehmen. „Gerne stehen die professionellen Übersetzer, die im Verband Mitglied sind, für eine überarbeitete Neuauflage des Buches zur Verfügung“, heißt es abschließend.

„Sofortige Hilfe und Unterstützung bei der Kommunikation mit ausländischen Patienten“

Im Klappentext des kritisierten Werkes, das Übersetzungen in den Sprachen Arabisch, Englisch, Französisch, Griechisch, Norwegisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Schwedisch, Serbokroatisch, Sorani-Kurdisch, Spanisch und Türkisch anbietet, heißt es:

Dieses Buch bietet Mitarbeitern aus dem Bereich Pflege sofortige Hilfe und Unterstützung bei der Kommunikation mit ausländischen Patienten und Flüchtlingen. Sprachliche und kulturelle Barrieren behindern oft eine vertrauensvolle Betreuung von Menschen mit Migrationshintergrund. Sie erschweren tägliche Pflegeprozesse wie Patientenanamnesen, Symptombehandlungen oder die Körperpflege. Die enthaltenen Übersetzungstabellen und kulturellen Hintergrundinformationen helfen diese Hindernisse im Praxisalltag zu überwinden. Jedes Kapitel umfasst eine Landessprache und erklärt die Besonderheiten der entsprechenden Lebensweise. So schaffen Sie eine vertrauensvolle Basis für ein respektvollen Umgang mit den Patienten und deren Angehörigen.

Darüber hinaus vermittelt das Buch laut Verlag kulturelle und religiöse Hintergrundinformationen und fördert das Vertrauensverhältnisses zwischen Pflegepersonal und ausländischen Patienten. Es sei speziell auf Situationen im Krankenhaus ausgerichtet (Aufnahme, Anamnese, pflegerische Maßnahmen, Medikamente).

Nur Mediziner, aber keine Übersetzer unter den Autoren

Ein Grund für die zahlreichen Fehlübersetzungen könnte sein, dass lediglich Mediziner, aber keine Übersetzer mitgewirkt haben, wie aus der Danksagung im Vorwort hervorgeht:

Dank an Übersetzer

Über UNIVERSITAS Austria

UNIVERSITAS-Austria-LogoDer Berufsverband UNIVERSITAS Austria mit über 800 Mitgliedern ist die größte Interessensvertretung von Dolmetschern und Übersetzern in Österreich. Seit bald 65 Jahren setzt er sich für bessere Rahmenbedingungen der Berufsausübung, Information der Öffentlichkeit über das Berufsbild, Professionalisierung und ständige Weiterbildung der Mitglieder ein.

[Text: Richard Schneider. Quelle: Pressemitteilung UNIVERSITAS Austria, 2019-06-24.]