Klug, kenntnisreich und voller Witz vermittelt Guy Deutscher in seinem Buch Die Evolution der Sprache – Wie die Menschheit zu ihrer größten Erfindung kam die neuesten Erkenntnisse der Linguistik. Er beschreibt, wie alltägliche Gewohnheiten die eindrucksvollsten Sprachstrukturen hervor- und auch wieder zu Fall bringen.
Und nebenbei beantwortet er in diesem Buch auch noch Fragen wie: Warum haben die meisten Sprachen kein Verb für haben? Warum sagte Luther schlecht, wenn er doch das Gegenteil meinte? Und warum scheinen Türken rückwärts zu sprechen?
Fast so alt wie die Sprache, diese „größte Erfindung der Menschheit – obwohl sie natürlich nie erfunden wurde“, scheint die Rede vom Niedergang der Sprache zu sein. Tatsächlich wandelt sie sich fortwährend.
Doch die gleichen Kräfte, die ihren Verfall und Wandel befeuern, haben die beispiellose Entwicklung der Sprache erst möglich gemacht.
Anhand einer Fülle von Beispielen zeigt Guy Deutscher, wie die ausgeklügelten Grammatiken, enormen Vokabularien und komplexen Bedeutungszusammenhänge unserer heutigen Sprachen entstehen konnten und welche Triebfedern sie permanent in Bewegung halten.
„Zu Menschen gemacht hat uns die Entstehung der Sprache“
Im Vorwort schreibt der Autor:
Unter allen vielfältigen Schöpfungen der Menschheit gebührt der Sprache der Vorrang. Andere Erfindungen – das Rad, die Landwirtschaft, der Reißverschluss – mögen unsere materielle Existenz verwandelt haben, aber zu Menschen gemacht hat uns die Entstehung der Sprache. Im Vergleich zu ihr verblassen sämtliche anderen Erfindungen, denn alles, was wir je erreicht haben, hängt von der Sprache ab und hat seinen Ursprung in ihr.
Ohne die Sprache hätten wir nie unseren Aufstieg antreten können, der uns zu unvergleichlicher Macht über alle anderen Tiere und sogar über die Natur selbst geführt hat.
Vorrangig ist die Sprache aber nicht einfach deshalb, weil sie zuerst da war. Sie ist, für sich betrachtet, ein Werkzeug von außerordentlichem Raffinement, das jedoch auf einer Idee von genialer Einfachheit beruht:
«Diese wunderbare Erfindung, welche darin besteht, aus fünfundzwanzig oder dreißig Lauten jene unendliche Vielfalt von Wörtern zu bilden, die, obgleich sie in sich keinerlei Ähnlichkeit mit dem bergen, was sich in unserem Geist abspielt, nicht versäumen, den anderen sein ganzes Geheimnis zu entdecken und denjenigen, die nicht in ihn eindringen können, alles, was wir uns vorstellen, und die Gesamtheit der verschiedenen Regungen unserer Seele mitzuteilen.» So fassten im Jahre 1660 die renommierten Grammatiker der Abtei Port Royal in der Nähe von Versailles das Wesen der Sprache zusammen, und seither hat niemand die Größe ihrer Leistung eloquenter gepriesen.
Alle diese Lobeshymnen weisen jedoch eine Unstimmigkeit auf, denn der Tribut, den sie der Leistung der Sprache zollen, verdeckt einen einfachen, aber gravierenden Widerspruch: Die Sprache ist die größte Erfindung der Menschheit – obwohl sie natürlich nie erfunden wurde.
Dieses scheinbare Paradox steht im Mittelpunkt der Faszination, welche die Sprache auf uns ausübt. In ihm liegen viele ihrer Geheimnisse verborgen, und davon handelt dieses Buch.
Bibliografische Angaben
- Guy Deutscher (2018): Die Evolution der Sprache – Wie die Menschheit zu ihrer größten Erfindung kam. München: C. H. Beck. Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. 381 Seiten mit Abbildungen, Broschur 18 Euro, E-Buch 13,99 Euro, ISBN 978-3-406-72749-8.
2013-02-26: Harald Haarmann: Weltgeschichte der Sprachen – Von der Frühzeit des Menschen bis zur Gegenwart
Weiterführende Links
[Text: C. H. Beck.]