Klaus Jöken: Der Übersetzer des Asterix über „Die Tochter des Vercingetorix“

Klaus Jöken
Comic-Übersetzer Klaus Jöken hat mehr als 400 Alben ins Deutsche übertragen, vor allem Lucky Luke. Für ihn ist "Die Tochter des Vercingetorix" der fünfte Asterix-Band. - Bild: Egmont

Titelseite "Die Tochter des Vercingetorix"Mit Die Tochter des Vercingetorix ist am 24. Oktober 2019 zum vierten Mal ein Asterix-Band aus der Feder der neuen Autoren Jean-Yves Ferri (Szenarist) und Didier Conrad (Zeichner) erschienen. Das Autorenduo setzt das Werk der Asterix-Väter René Goscinny und Albert Uderzo fort.

Im neuen Abenteuer kommt ein geheimnisvolles Mädchen ins Dorf, begleitet von zwei Arverner-Häuptlingen. Die Drei sind auf der Flucht vor Julius Cäsar und seinen Legionären, und das aus gutem Grund: Im Dorf munkelt man, dass der Vater des jungen Mädchens kein Geringerer sei als Vercingetorix, der große Arverner-Häuptling, der einst bei Alesia von Julius Cäsar geschlagen wurde.

Übersetzer Klaus Jöken: „Manchmal fummelt man drei Tage an einem Gag herum“

Übersetzt wurde Band 38 der Asterix-Reihe erneut von Comic-Routinier Klaus Jöken, der schon mehr als 400 Alben der franko-belgischen Schule ins Deutsche übertragen hat, vor allem Lucky Luke. Für ihn war es der fünfte Asterix-Band.

Der Egmont Verlag hat mit ihm ein Gespräch über seine Übersetzungstätigkeit geführt:

Beim neuen Band spielt zum ersten Mal eine weibliche Figur die Hauptrolle?

Weibliche Charaktere kamen bisher tatsächlich selten vor. Es ist jetzt das erste Mal, dass eine Frauenfigur die Handlung bestimmt. Früher wurde Uderzo gelegentlich vorgeworfen, dass Asterix frauenfeindlich sei. Das haben Uderzo und Goscinny damit erklärt, dass vor 60 Jahren, als sie mit Asterix anfingen, nicht gewollt war, dass Frauen anders gezeigt werden als als biedere Hausfrauen.

Erst in den 1970er Jahren wurden nach und nach Frauenfiguren eingeführt. Es gibt aber immer noch ein Defizit an weiblichen Charakteren. Deswegen ist es ganz gut und liegt in der Zeit, dass nun die Tochter des Vercingetorix die Hauptrolle spielt.

Wie bekommen Sie die Übertragung der Wortspiele ins Deutsche hin?

Da, wo Gags übernommen werden können, behalte ich diese bei. Gerade bei Gags und Wortspielen sind eigentlich drei Viertel nicht direkt übersetzbar, da muss man Entsprechungen finden. Aber auch dann muss man möglichst nah am Original bleiben. Leider habe ich dafür bis jetzt keinen „Zaubertrank“ gefunden. Jeder Gag ist anders, man muss immer wieder neue Möglichkeiten finden.

Wie dicht bleiben Sie am Originaltext?

Der Autor ist natürlich derjenige, der die Geschichte geschrieben hat – und an diese muss ich mich halten. Man darf nicht frei etwas erfinden. Wenn jemand Asterix auf Französisch liest wird er ganz andere Gags darin finden als in der deutschen Version. Aber letztendlich soll der Leser der deutschen Fassung dasselbe Gefühl haben wie der Leser des französischen Originals.

Wie lange arbeiten Sie an einem Gag?

Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Dinge, die fallen einem sofort ein. Manchmal fummelt man aber auch drei Tage an einem Gag herum, an einem kurzen Satz. Oft findet man eine geeignete Lösung, indem man recherchiert.

Wenn zum Beispiel ein Gag über Wildschweine kommt, kann man Wortlisten anlegen und alle Synonyme für Schwein heraussuchen: die Sau, das Ferkel, der Eber usw. Oder alle Redewendungen, die mit Schweinen zu tun haben: „Das glaubt einem ja kein Schwein!“ oder „die Sau rauslassen“ usw. Dann schaut man, ob davon etwas verwendbar ist, probiert herum, variiert … Das ist echte Handwerksarbeit.

Welchen Unterschied erkennen Sie bei den beiden Autoren in der Handschrift zu Albert Uderzo?

Der Autor Jean-Yves Ferri und der Zeichner Didier Conrad haben sich erstaunlich gut in Asterix eingearbeitet. Sie setzen die Geschichte so fort, dass die Asterix-Welt kohärent bleibt. Das ist ganz wichtig. Natürlich bringt jeder Autor seine eigenen Feinheiten herein und das ist ja auch beabsichtigt.

Beim Zeichner hätte ich eigentlich nicht gedacht, dass jemand dieses ganze Universum von Uderzo so gut rüberbringen kann. Aber Didier Conrad hat sich da genial eingearbeitet. Vielleicht ist sein Stil ein bisschen barocker als der von Uderzo, also ein bisschen verspielter, aber wenn man die Alben mit den früheren vergleicht, ist das alles aus einem Guss.

Skizze
Von der ersten Skizze …

Wie schaffen es die beiden Künstler, dieses extrem hohe Niveau zu halten?

Sie feilen sehr akribisch an den Texten und Bildern. Jean-Yves Ferri bringt bei den Texten auch kurz vor Schluss noch kleine Änderungen an. Das bekomme ich als Übersetzer natürlich mit, wenn die Nachricht kommt, dass hier und da noch ein Wort geändert wurde. Der Autor feilt wirklich zwei Jahre lang an der Geschichte herum.

Das gilt genauso für den Zeichner Didier Conrad. Er zeichnet die Bilder, die Ferri skizziert hat, zunächst mit Bleistift ins Reine. Und dann zeichnet er sie oft nochmal spiegelverkehrt, um einen anderen Blick darauf zu bekommen. Zum Schluss hat er bestimmt jedes einzelne Bild mindestens fünf oder sechs Mal gezeichnet, bevor er sich an die eigentliche Reinzeichnung setzt.

Endergebnis
… bis zur druckreifen Reinzeichnung fertigt Didier Conrad stets mehrere Zwischenstufen und Varianten an.

Wie funktioniert das Übersetzungsprozedere?

Ich lese mir den ganzen Band erst einmal durch und fertige dann innerhalb einer Woche eine Rohübersetzung an. Dann gehe ich noch einmal alles Bild für Bild durch, um die Gags und die Feinheiten anzupassen.

Dabei fange ich meist mit den Namen an. Es kommen immer wieder neue Figuren vor, die in der Übersetzung andere Namen erhalten. Oft benötige ich eine ganze Woche schon allein für die neuen Namen. Anschließend spreche ich das mit dem Redakteur durch.

Adrenaline
Adrenaline, die erste weibliche Hauptfigur.

Dann geht es an das Ausfeilen der Gags. Nach zwei weiteren Wochen habe ich dann eine schon vorzeigbare Version. Anschließend gehe ich den Band immer wieder durch, sehe, an welchen Stellen es noch hakt und wo der Text überarbeitet werden muss.

Sich die Seiten immer wieder vorzunehmen, ist kreative Arbeit. Das geht so lange, bis man sagen kann: Jetzt fällt mir eigentlich nichts mehr ein, das liest sich ziemlich rund, das kann man so abgeben.

Danach schicke ich die Übersetzung nach Berlin zum Egmont Verlag. Dort liest sich mein Redakteur alles noch einmal durch. Manchmal spreche ich auch schon im Vorfeld einiges mit den Redakteuren ab, um zu sehen, was möglich ist.

Und dann setzen wir uns nochmal drei Tage an einem geheimen Ort zusammen und gehen die ganze Übersetzung Wort für Wort durch. Um an den Formulierungen herumzufeilen und abzuklopfen, ob die Gags funktionieren. Manchmal habe ich auch zwei oder drei Vorschläge für einen Gag formuliert und frage die Redakteure, was am besten funktioniert.

Wenn dieser Durchgang abgeschlossen ist, schicken wir das Endergebnis zurück nach Paris an den Verlag Albert René. Dort wird alles wieder ins Französische zurückübersetzt, noch einmal beurteilt und den Autoren vorgelegt.

Die fragen durchaus einmal nach, warum ich das jetzt so oder so übersetzt habe. Manchmal haben sie noch irgendwelche Wünsche oder sagen: Das ist aber nicht gut gelungen. Dann muss man sich noch etwas Neues einfallen lassen.

Alles in allem bin ich zwei Monate mit der Übersetzung beschäftigt. Daran schließt sich ein weiterer Monat mit Korrekturen, Anpassungen und Diskussionen an.

Warum werden alle Asterix-Übersetzungen zur Kontrolle rückübersetzt? – Aus Gründen

Die dem Gespräch mit Klaus Jöken zu entnehmende Information, dass alle Asterix-Übersetzungen zur Kontrolle rückübersetzt werden, mag für viele Leser neu sein. In der Branche ist aber bekannt, dass der französische Verlag seit Jahrzehnten so verfährt. Warum dieses Misstrauen? Aus Gründen, denn die Asterix-Übersetzungen ins Deutsche haben eine unselige Vorgeschichte:

Rolf Kauka, Erfinder von “Fix & Foxi”, hatte sich in den 1960er Jahren als Erster die Lizenz zur Verbreitung der Asterix-Bände im deutschsprachigen Raum gesichert. Er übersetzte die ersten Bände aber nicht werkgetreu, sondern schrieb die Geschichte völlig um und pervertierte sie bis zur Unkenntlichkeit. Bei ihm waren die Gallier Asterix und Obelix die Germanen (Westgoten) „Siggi und Babarras“. Das gallische Dorf nannte er „Bonnhalla“, der Druide hieß zu Ehren von Konrad Adenauer „Konradin“.

In den ab 1965 in der Comic-Zeitschrift Lupo modern als Fortsetzungsgeschichten erschienenen Abenteuern wurde unter anderem die innerdeutsche Spaltung aus nationalkonservativer, antikommunistischer Perspektive thematisiert. So wurden in der Übersetzung des Bandes Asterix und die Goten die Goten zu Ostgoten umdefiniert, die mit sächsischem (Stasi-)Akzent sprachen und sich gegenseitig mit „Genosse“ anredeten. Der Text in ihren Sprechblasen erschien in roter Schrift (rot = Kommunismus). Die Gallier waren die Guten, nämlich Westgoten. Den Römern als Besatzungsmacht wurde ein amerikanischer Akzent in den Mund gelegt und deren Soldaten redeten sich gegenseitig mit „Boys“ an. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Manche Kritiker erkannten in jiddisierten Akzenten und geschichtlichen Anspielungen gar antisemitische Elemente.

Neben all den inhaltlichen Ungeheuerlichkeiten, die sich der Kauka Verlag ohne Absprache mit den französischen Urhebern herausnahm, waren die Bände handwerklich-stilistisch schlecht übersetzt. Das in der späteren Übersetzung von Gudrun Penndorf zum geflügelten Wort gewordene „Die spinnen, die Römer!“ (im Original „Ils sont fous, ces Romains !“) lautete bei Kauka reichlich unbeholfen „Uii, die Römer sind doof!“. Penndorf sprach 2015 in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung von einem „braunen Süppchen“, das Kauka damals angerührt habe.

Der Asterix-Autor René Goscinny berichtet, ihm sei „der Himmel auf den Kopf gefallen“, als er auf Umwegen über das deutsche Satiremagazin Pardon davon erfuhr. Zeichner Albert Uderzo spricht von einer „furchtbaren Geschichte“. Seitdem herrscht in Paris größtes Misstrauen gegenüber allen Übersetzern. Bis zum heutigen Tag werden in Paris alle Asterix-Übersetzungen – nicht nur die deutschen – rückübersetzt und sorgfältig geprüft, bevor die Druckerlaubnis erteilt wird.

Kauka wurde damals umgehend die Lizenz entzogen, was er allerdings nicht akzeptieren wollte. Er warf den Franzosen vor, ihn ruinieren zu wollen und sprach sogar persönlich in Paris vor. Uderzo erinnert sich: „Er hat uns sehr lange verfolgt.“

Aber Ende gut, alles gut: Den Zuschlag für die Übersetzungsrechte im deutschsprachigen Raum erhielt anschließend der 1951 gegründete Ehapa Verlag in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart (heute Egmont Ehapa Media GmbH, seit 2001 in Berlin), der die Asterix-Bände seitdem übersetzt, vertreibt und bewirbt.

 

60 Jahre Asterix

Exportschlager aus Frankreich

2019 feiert Asterix ein großes Jubiläum: Seit nunmehr 60 Jahren sorgen Asterix und Obelix weltweit für Furore. Seit dem 29.10.1959 wurden 380 Millionen Alben und Übersetzungen in 111 Sprachen und Dialekten verkauft – davon 130 Millionen allein in Deutschland.

Infografik: Asterix zählt zu den meistübersetzten Comics | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

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[Text: Richard Schneider. Quelle: Egmont Ehapa Verlag. Bild: Asterix, Obelix, Idefix © 2019 Les Éditions Albert René.]