Übersetzerin Bérengère Viennot veröffentlicht Buch über „Die Sprache des Donald Trump“

Die Sprache des Donald Trump
Die Sprachkritik der Übersetzerin Bérengère Viennot ist im Aufbau Verlag erschienen (154 Seiten, 18 Euro). - Bild: Shealah Craighead / White House (gemeinfrei) und Aufbau

Die französische Übersetzerin Bérengère Viennot hat sich ihren Frust von der Seele geschrieben und mit Die Sprache des Donald Trump (La langue de Donald Trump) das jüngste Anti-Trump-Buch veröffentlicht.

Viennot lebt in Paris und ist seit zwei Jahrzehnten als Übersetzerin tätig. Im Lauf der Zeit hat sie sich auf die Arbeit für die Medienbrache spezialisiert und übersetzt vor allem tagespolitische Artikel ins Französische, unter anderem für den Courrier international.

Bereits kurz nach der Amtseinführung von Donald Trump hatte sie in einem Zeitungsartikel und über die Sozialen Medien ihr Unbehagen über dessen Sprachgebrauch geäußert. Trumps Reden und Schreiben (auf Twitter) unterscheidet sich drastisch von der gewählten Ausdrucksweise seines Amtsvorgängers Barack Obama, einem der größten rhetorischen Talente der letzten zehn Jahre.

Reduziertes Vokabular, einfache Syntax, redundanter Sprachgebrauch

Drei Jahre nach der Amtseinführung ist allgemein bekannt, dass das Vokabular von Donald Trump reduziert, die Syntax simpel und der Gebrauch redundant ist.

Man könnte meinen, dass dies das Verständnis und damit die Arbeit von Übersetzern und Dolmetschern vereinfacht, aber oft ist das Gegenteil ist der Fall. Gerade durch unpräzise Formulierungen ergibt sich eine Unschärfe in der Aussage, die für Übersetzer schwierig zu interpretieren ist.

Als Übersetzerin ist Viennot gezwungen zu verstehen, was gemeint sein mag, um es adäquat übersetzen zu können. Bleibt sie nah am Original, klingen Trumps Aussagen in anderen Sprachen oft wie schlechte Übersetzungen.

Mit ihrer Sprachkritik aus politisch linker Perspektive steht sie nicht alleine da. Auch einflussreiche konservative Kommentatoren wie Ben Shapiro, der Trump nicht gewählt hat, weisen seit Jahren darauf hin, dass dieser „on a regular basis“ dummes Zeug rede und in der Regel maßlos übertreibe. Auch die republikanischen Parteifreunde des Präsidenten sind sich sicher, dass er in den Umfragen besser dastünde, wenn er häufiger einfach mal die Klappe halten würde.

Strategie „Let Trump be Trump“ war bislang erfolgreich

Aber andererseits war die Strategie „Let Trump be Trump“ bei der letzten Wahl erfolgreich. Und auch Bérengère Viennot lobt den amerikanischen Präsidenten für dessen Talent zur kurzen, prägnanten Form des Ausdrucks. Im Gespräch mit dem österreichischen Kurier (03.11.2019) sagt sie:

Trump ist ein sehr guter Kommunikator. Er weiß, wie man zu Leuten spricht und sie für sich gewinnt. Wie gesagt sind seine Sätze kurz, das hat wohl etwas mit seiner Denkweise zu tun. Es ist zugleich wirkungsvoll, weil wir in unserer Gesellschaft keine langen Sätze hören wollen. Wir wollen Werbung und Pointen.

Treffend und erfolgreich seien auch dessen Kurzcharakterisierungen anderer Akteure in der Politik: Crooked Hillary, Sleepy Joe (Biden), Pocahontas (Elizabeth Warren), Low Energy Jeb (Bush), Nervous Nancy (Pelosi), Sloppy Steve (Bannon), Fredo (Chris Cuomo) oder Little Rocket Man (Kim Jong-un).

Überbewertung der Sprache eine déformation professionnelle der Intellektuellen?

Übersetzer und andere Intellektuelle legen einen gesteigerten Wert auf die Sprache, schätzen geschliffene Wendungen, glauben, dass Sprache verräterisch sei, dass man gar durch Sprache die Wirklichkeit verändern könne. Eine Überbewertung?

So zutreffend die Analysen zur Sprache Trumps auch sein mögen – für die politische Auseinandersetzung ist diese Art der Sprachkritik müßig. Denn für mindestens die Hälfte der Wähler – und damit auch für eine mögliche Wiederwahl – ist dies ohne Belang. Viele haben Trump gerade deshalb gewählt, weil er auf political correctness pfeift.

Brad Todd: „For the first time, words don’t matter“

Mit der Erkenntnis „for the first time, words don’t matter“ hatte Brad Todd schon 2016 vor der Wahl das Sprachgebaren von Donald Trump gut beschrieben. Er wies darauf hin, dass die Wähler Trump durchaus ernst nehmen, aber nicht beim Wort. Bei den Medien hingegen sei es fatalerweise genau umgekehrt: sie nähmen ihn beim Wort, aber nicht ernst.

It’s a familiar split. When he makes claims like this, the press takes him literally, but not seriously; his supporters take him seriously, but not literally.
(In: The Atlantic, 23.09.2016)

Etwas später führte er diesen Gedanken auch auf CNN noch etwas prägnanter aus und titelte: Dear journalists: Stop taking Trump literally (28.11.2016).

Tatsächlich scheint ein nicht unerheblicher Teil der Wähler dem, was Politiker sagen und wie sie es sagen, aus Erfahrung grundsätzlich keine große Bedeutung beizumessen. Sie beurteilen diese lieber nach dem, was sie tun, danach, wie viel sie von ihren Wahlversprechen umsetzen. Und in dieser Hinsicht hat Trump durchaus einiges vorzuweisen:

Eine boomende Wirtschaft mit der geringsten Arbeitslosenquote (3,5 Prozent) seit 50 Jahren (1969), einhergehend mit der geringsten jemals registrierten Arbeitslosigkeit unter Schwarzen und Latinos. Seit Amtsantritt sind 6,4 Mio. Jobs neu entstanden. Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem. Abbau von (aus seiner Sicht) wirtschaftsfeindlichen Umweltschutzbestimmungen und Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen. Deeskalation der Spannungen mit Nordkorea. Abzug der amerikanischen Truppen aus Syrien.

Vieles davon mag man politisch falsch finden, aber es sind Dinge, die im Wahlkampf versprochen und im Amt umgesetzt wurden. Das dürfte denjenigen imponieren, die Trump 2016 gewählt haben. Es ist damit zu rechnen, dass diese 2020 erneut ihre Stimme für Donald Trump abgeben.

So gesehen echauffiert sich Bérengère Viennot in ihrem bissigen Essay über etwas, was für die Beurteilung von Trump zwar interessant, aber im Hinblick auf dessen mögliche Wiederwahl nicht sonderlich relevant ist.

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[Text: Richard Schneider.]