Die private Initiative Anglizismus des Jahres hat heute bekannt gegeben, welche Ausdrücke sie zu den Anglizismen des Jahres 2019 gekürt hat.
Platz 1: … for future
Bei dem Ausdruck … for future handelt es sich um eine Phraseoschablone – eine Redewendung mit einer Leerstelle, in die verschiedene Wörter eingesetzt werden können. Der Ausdruck geht zurück auf das Ende 2018 von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg geprägte Schlagwort Fridays for Future, das schnell zu einem Namen für von Jugendlichen getragene Klimaschutzbewegungen in vielen Ländern wurde.
Zunächst benannten sich andere Bewegungen in Analogie zu diesem Namen – etwa Scientists for Future und Students for Future. Danach bildete sich eine produktive Schablone, die allgemein die Klimafreundlichkeit bestimmter Verhaltensweisen nahelegen soll – etwa, wenn Umweltschutzorganisationen ein böllerfreies Silvester for future anmahnen oder unter Feiern for future Tipps für ein nachhaltiges Weihnachten geben, über eine klimaneutrale Wohngemeinschaft mit dem Begriff WG for future berichtet oder unter dem Begriff Grundgesetz for future ein Verfassungsstatus für Nachhaltigkeit gefordert wird.
Überzeugt hat die Jury am Ausdruck … for future neben der Verbreitung kreativer Verwendungen im öffentlichen Sprachgebrauch zum Einen die zentrale Bedeutung, die er in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um einen angemessenen Umgang mit der Erderwärmung und ihren Konsequenzen einnimmt.
Zum Anderen zeigt die Geschichte des Ausdrucks, dass Anglizismen ein globales, nicht auf das Deutsche begrenztes Phänomen sind und ihre Entstehung und Entwicklung ein aktiver Prozess ist, in dem verschiedene Sprachgemeinschaften englisches Lehngut zur Bildung neuer Ausdrücke nutzen.
Dass eine schwedische Muttersprachlerin einen englischen Slogan prägt, der dann weltweit aufgegriffen und als Muster zur Namensbildung von Klimaschutzbewegungen verwendet wird, bis er schließlich im Deutschen zu einem allgemeinen Ausdruck für klimabewusstes Handeln wird, zeigt, dass die englische Sprache längst nicht mehr den traditionell englischsprachigen Ländern gehört, sondern uns allen.
Platz 2: OK Boomer
Der Ausdruck OK Boomer wird hauptsächlich von den als Millenials und Gen Z bezeichneten Generationen verwendet, um Aussagen und Ansichten der Baby-Boomer-Generation auf sarkastische Weise abzutun, die sie als besserwisserisch, selbstgerecht und herablassend und damit als nicht relevant für ihre eigene Lebenswelt empfinden.
Der Ausdruck wurde erstmals 2009 im Internetforum reddit verwendet, führte aber bis 2019 ein randständiges Dasein. Ab Mitte 2019 verbreite er sich sprunghaft zunächst in den Sozialen Medien, und dann in der gesprochenen Sprache junger Menschen auch in den deutschsprachigen Ländern.
Platz 3: Deepfake
Das Wort Deepfake – ein Kofferwort aus Deep Learning und fake – bezeichnet eine auf neuronalen Netzwerken beruhende, oft manipulativ eingesetzte Technik zur Erzeugung oder Verfälschung statischer oder bewegter Bilder, die wie echte Fotos oder Videos wirken.
In der Fachsprache schon seit 2017 nachweisbar, gelangte der Begriff 2019 durch Diskussionen über die potenzielle Gefahr dieser Technik in einen allgemeineren Sprachgebrauch. In diesen Diskussionen kommt die Sorge über eine zunehmende Realitätsverzerrung in medialen Repräsentationen zum Ausdruck, die sich auch im Anglizismus des Jahres 2016, Fake News, zeigte.
Über den Wettbewerb
Sprachgemeinschaften haben überall und zu jeder Zeit Wörter aus anderen Sprachen entlehnt. Als globale Verkehrssprache spielt dabei derzeit das Englische für alle großen Sprachen eine wichtige Rolle als Gebersprache.
Die unabhängige Initiative „Anglizismus des Jahres“ würdigt seit 2010 jährlich den positiven Beitrag des Englischen zur Entwicklung des deutschen Wortschatzes. Bisherige Anglizismen des Jahres waren leaken (2010), Shitstorm (2011), Crowdfunding (2012), die Nachsilbe -gate (2013), Blackfacing (2014), Refugees Welcome (2015), Fake News (2016), Influencer (2017) und Gendersternchen (2018).
Über die Jury
Gründer der Initiative „Anglizismus des Jahres“ und Vorsitzender der Jury ist Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch. Der nicht unumstrittene Sprachwissenschaftler an der Freien Universität Berlin hat sich in der Öffentlichkeit vor allem als Gender-Aktivist einen Namen gemacht.
Lexikografisch wird die Wörterwahl durch PD Dr. Alexander Geyken und Dr. Lothar Lemnitzer vom Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Beide gehören seit Januar 2019 dem neu gegründeten Zentrum für digitale Lexikografie der deutschen Sprache (ZDL) an, dessen Ziel der Aufbau eines frei zugänglichen digitalen Informationssystems zum deutschen Wortschatz in Geschichte und Gegenwart ist.
Dr. Marc Kupietz, Leiter des Bereichs Korpuslinguistik am Leibnitz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS), ermittelt auf der Grundlage des Deutschen Referenzkorpus zuverlässige Häufigkeiten zu den Wortkandidaten.
Vervollständigt wird die Jury durch die Gründungsmitglieder Dr. Susanne Flach von der Université de Neuchâtel und Dr. Kristin Kopf (Universität Münster und IDS Mannheim).
[Quelle: Initiative „Anglizismus des Jahres“.]