Arabisch ist schon seit 2017 mit großem Abstand die wichtigste Fremdsprache bei theoretischen Führerscheinprüfungen in Deutschland. Im Jahr 2019 wurden mehr Prüfungen auf Arabisch abgelegt als in den nächsten sieben Sprachen der Rangfolge zusammengenommen.
Die aktuellen Zahlen für das Jahr 2019 lauten:
- Arabisch (nur Hocharabisch): 131.809 theoretische Führerscheinprüfungen
- Englisch: 33.754
- Türkisch: 28.629
- Russisch: 27.654
- Rumänisch: 16.897
- Kroatisch: 8.665
- Polnisch: 6.572
- Französisch: 6.276
- Spanisch: 5.323
- Italienisch: 3.139
- Portugiesisch: 2.839
- Griechisch: 1.566
Arabisch vom Start weg auf den vorderen Plätzen
Eine theoretische Führerscheinprüfung auf Arabisch ist erst seit dem 1. Oktober 2016 möglich. Die Zahl der Fremdsprachen, in denen das Wissen der Prüflinge abgefragt werden kann, hat sich damit auf zwölf erhöht.
Für die neue Sprache mussten 2.300 Prüfungsfragen übersetzt werden. Wegen der vielen Dialekte entschied man sich für Hocharabisch als verbindende Standardvariante. Auch die entgegengesetzte Laufrichtung der arabischen Schrift stellte die Techniker der Arbeitsgemeinschaft der technischen Prüfstellen vor neue Herausforderungen. Theoretische Führerscheinprüfungen werden von Organisationen wie dem TÜV und der DEKRA durchgeführt.
Durch die 16.403 Arabisch-Prüfungen, die in den letzten drei Monaten des Jahres 2016 noch möglich waren, rückte die Sprache für das gesamte Jahr gleich von null auf Platz vier vor. Ab 2017 belegte Arabisch dann mit großem Vorsprung den ersten Platz, den es wohl nicht so schnell wieder verlieren wird.
Nicht jeder Araber versteht Hocharabisch
„SPD will Führerschein-Prüfung auf Arabisch“, schrieb am 18.09.2015 die Bild-Zeitung. Verkehrspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion hatten damals ein entsprechendes Schreiben an Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gesandt. „Mit der schnellen Änderung der Fahrerlaubnisverordnung könnten wir ein kleines Signal der Offenheit an die Menschen, die in diesen Tagen unser Land erreichen, aussenden und eine kleine Hürde beim Ankommen in unserem Land abbauen“, heißt es darin.
Die Aufnahme der arabischen Sprache in den Katalog wurde auch vom Bundesverband deutscher Fahrschulunternehmen (BDFU) lange gefordert und von den Fahrschulen ausdrücklich begrüßt.
Zu erheblichen Problemen in der Praxis führt jedoch der Umstand, dass die Prüfungsfragen auf Hocharabisch formuliert sind, das als Schriftsprache der gebildeten Kreise gilt. Hinzu kommen die enormen Dialektunterschiede in der arabischen Welt, die eine Verständigung etwa zwischen Marokkanern und den Bewohnern der Emirate oft nahezu unmöglich machen.
Fremdsprachenanteil an Prüfungen insgesamt 15,21 Prozent
Insgesamt beläuft sich der Anteil der in einer Fremdsprache durchgeführten theoretischen Führerscheinprüfungen für das Jahr 2019 auf etwas mehr als 15 Prozent. Knapp 85 Prozent der 1.813.415 Prüfungen wurden in deutscher Sprache durchgeführt.
Zahlen stammen aus Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage der AfD
Die oben wiedergegebenen Zahlen gehen aus der Stellungnahme des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur hervor, das im Namen der Bundesregierung eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag beantwortet hat.
Das Dokument trägt den Titel „Fahrerlaubnisregister, Fahreignungsregister und Förderung des Führerscheinerwerbs nach dem Sozialgesetzbuch“ (Bundestags-Drucksache 19/16625 vom 20.01.2020).
Prüfungssprache ist grundsätzlich Deutsch
In Anlage 7 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ist unter Punkt 1.3 geregelt: „Die theoretische Prüfung ist in deutscher Sprache abzulegen und erfolgt anhand von Fragen. Die Bewerber können Audio-Unterstützung in deutscher Sprache über Kopfhörer erhalten. Bei Prüfung von Gehörlosen ist ein Gehörlosen-Dolmetscher zuzulassen. Abweichend von Satz 1 kann die Prüfung auch in folgenden Fremdsprachen abgelegt werden: [Es folgen die zwölf bereits genannten Sprachen].“
Wer diese nicht beherrscht, kann eine der zwölf Fremdsprachen wählen, in denen die Prüfungsfragebögen ebenfalls vor Ort in den Prüfungszentren am Computer ausgefüllt werden können. Vor allem Englisch und Französisch dienen dabei oft als Mittlersprache für alle Kandidaten, deren Muttersprache nicht zu den Katalogsprachen gehört.
Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt?
Es gab mehrere Klagen gegen diese Regelung, weil manche den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt sahen: Warum gibt es für einige Sprachen Fragebögen, für andere aber nicht? Betroffene wollten die Prüfung mit einem Dolmetscher in ihrer Muttersprache durchführen. Diese juristischen Bemühungen sind allesamt gescheitert.
Die Gerichte wiesen in den Urteilsbegründungen auch darauf hin, dass das vorhandene fremdsprachige Angebot lediglich eine freundliche Geste der Behörden ist, zu der diese gesetzlich nicht verpflichtet sind.
So stellte das Verwaltungsgericht Neustadt 2013 klar, dass aus dem im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz kein Anspruch auf Ablegung der Fahrerlaubnis in einer bestimmten Fremdsprache resultiert. Die Festlegung des Deutschen als Schul‑, Amts- und Gerichtssprache bedeute trotz der mittelbaren Nachteilswirkungen für in Deutschland lebende, der deutschen Sprache jedoch nicht oder nicht ausreichend mächtige Personen keine Grundrechtsverletzung und führe nicht zur Pflicht des Staates, Dolmetscher und Übersetzungen zu stellen.
Hinzuziehung von Dolmetschern seit 2005 in Thüringen verboten, seit 2011 bundesweit
Die Hinzuziehung von Dolmetschern bei der Theorieprüfung ist grundsätzlich spätestens seit 2011 nicht mehr möglich, weil es zuvor immer wieder massive Betrugsversuche durch korrupte Dolmetscher gegeben hatte. (Von dem Verbot ausgenommen bleiben lediglich Gebärdensprachdolmetscher für Gehörlose.)
Bekannt ist ein Fall aus dem Jahr 2004, bei dem in Thüringen ein Dolmetscher indischer Herkunft in mehr als 50 Fällen Indern und Pakistanern gegen Zahlung von 250 bis 1.000 Euro während der Prüfung die korrekten Antworten verriet. Im Jahr darauf verbot das thüringische Justizministerium den Einsatz von Dolmetschern. Derartige Betrügereien hatte es auch zuvor in anderen Regionen immer wieder gegeben.
Auch die Bundesregierung kam 2011 in einer Antwort auf eine Parlamentarieranfrage zu dem Schluss, dass die theoretische Führerscheinprüfung einem „erheblich höheren Betrugsrisiko unterliegt und zunehmend Manipulationen auftraten“. In der Praxis sei nur schwer nachzuvollziehen, ob die Lösungsantworten vom Dolmetscher oder vom Prüfling stammten.
Betrugsversuche weiterhin an der Tagesordnung
Betrugsversuche kommen auch nach der Aussperrung der Dolmetscher immer wieder vor. Nach Angaben der Niederlassung Böblingen des TÜV Süd ereignen sich alleine in ihrem Zuständigkeitsbereich „vorsichtig geschätzt mindestens zwei Fälle pro Woche“, heißt es in einem aktuellen Artikel der Badischen Neuesten Nachrichten.
Erst am 27.01.2020 hatte in Mühlacker ein 23-jähriger Syrer versucht, die Prüfung für einen 26-jährigen Pakistaner zu absolvieren, der ihn vermutlich dafür bezahlt hatte. Einem Prüfer fiel dies auf. Als die Polizei eintraf, versuchte der Syrer zu fliehen. Es kam zu einem Gerangel, bei dem ein Polizist eine Prellung an der Stirn erlitt. Der Syrer brach sich bei einem Sturz das Nasenbein.
Der Einsatz eines in Prüfungsfragen versierten Stellvertreters ist offenbar die zurzeit häufigste Betrugsvariante, die aber meist entdeckt wird. In der Fahrerlaubnis-Verordnung heißt es: „Der Sachverständige oder Prüfer hat sich vor der Prüfung durch Einsicht in den Personalausweis oder Reisepass oder in ein sonstiges Ausweisdokument von der Identität des Bewerbers zu überzeugen. Bestehen Zweifel an der Identität, darf die Prüfung nicht durchgeführt werden. Der Fahrerlaubnisbehörde ist davon Mitteilung zu machen.“ Andere Betrugsversuche setzen auf technische Hilfsmittel wie „den Knopf im Ohr und die Kamera“, wie im Zeitungsartikel zu lesen ist.
Den Fremdschreibern bzw. Beihilfe leistenden Komplizen winken Honorare von bis zu zweieinhalbtausend Euro, so die Lokalzeitung. Solche hohen Beträge werden vielleicht von gut verdienenden und auf den Führerschein angewiesenen Außendienstlern gezahlt, die nach einem Führerscheinentzug eine Wiederholungsprüfung ablegen müssen. Für migrantische Prüflinge dürften die im oben genannten thüringischen Gerichtsverfahren 2004 ermittelten Sätze von 250 bis 1.000 Euro typischer sein.
Am Führerschein hängt oft die berufliche Existenz
Warum betreiben Fahrschüler diesen erheblichen betrügerischen – und teuren – Aufwand, der die Gefahr strafrechtlicher Konsequenzen birgt? Weil am Führerschein oft die berufliche Existenz hängt. Karriereperspektiven eröffnen sich zurzeit beispielsweise bei den boomenden Paketdiensten, die auch schlecht Deutsch sprechende Einwanderer als Fahrer einstellen. Aber eben nur, wenn diese einen gültigen Führerschein besitzen.
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[Text: Richard Schneider.]