Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt in Kraft: Mehr Arbeit für vereidigte Übersetzer?

Europakarte
Anträge nach Ausbildungsstaaten 2012 bis 2018. Angeworben wird aber auch außerhalb Europas von Brasilien über Kasachstan bis nach Indien.

Am 1. März 2020 trat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft. Das Gesetz ist Teil eines umfassenden Gesetzespakets zur Migration, das im Juni 2019 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Es richtet sich an Zuwanderer, die von außerhalb der Europäischen Union kommen.

Damit im Ausland erworbenen Qualifikationsnachweise anerkannt werden können, müssen diese von gerichtlich vereidigten bzw. ermächtigten Übersetzern ins Deutsche übertragen werden – unabhängig davon, ob diese innerhalb oder außerhalb der EU erworben wurden. Die für die Anerkennung zuständigen Stellen entscheiden dann darüber, ob sie inländischen Abschlüssen gleichgestellt werden können.

Das Gesetz, mit dem die bislang vergleichsweise geringe Zahl von 30.000 zuwandernden Fachkräften pro Jahr gesteigert werden soll, könnte also auch mehr Arbeit für gerichtlich vereidigte Übersetzer schaffen.

Bundesberufe

„Keine Einwanderung in die Sozialsysteme, sondern in den Arbeitsplatz“

Horst Seehofer, Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, erläutert: „Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wollen wir qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen, die unsere Wirtschaft dringend braucht. Das Gesetz ist ein Meilenstein in der deutschen Migrationspolitik. Die Ordnung, Steuerung und Begrenzung von Migration erfordert auch die Schaffung legaler Zuwanderungsmöglichkeiten, die wir mit diesem Gesetz schaffen.“

„Wir wollen keine Einwanderung in die Sozialsysteme, sondern in den Arbeitsplatz. Das ist unser Ziel. Zudem können wir über diesen Weg die illegale Migration etwas zurückdrängen“, so Seehofer auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in Berlin. Deshalb werde der Grundsatz der Trennung von Asyl- und Erwerbsmigration beibehalten.

Antragsstärkste Berufe 2018
Die antragsstärksten Berufe im Jahr 2018.

Regelungen für Hochschulabsolventen werden auf Nicht-Akademiker erweitert

Im Mittelpunkt des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes stehen Fachkräfte mit einer qualifizierten Berufsausbildung. Regelungen, die für Hochschulabsolventen bereits seit Jahren erprobt und bewährt sind, werden auf nicht-akademische Ausbildungs- und Bildungsgänge ausgedehnt.

Neu ermöglicht werden die Einreise zur Ausbildungsplatzsuche und zur Arbeitsplatzsuche. Liegen eine anerkannte Qualifikation und ein Arbeitsvertrag vor, wird auf die Vorrangprüfung – also die Prüfung, ob ein anderer Arbeitnehmer aus Deutschland oder einem anderen EU-Land zur Verfügung steht – verzichtet. Bei Änderung der wirtschaftlichen Lage kann die Vorrangprüfung aber auch wieder eingeführt werden.

Zu den wesentlichen Neuerungen des Gesetzes gehören:

  • Einheitlicher Fachkräftebegriff, der Hochschulabsolventen und Beschäftigte mit qualifizierter Berufsausbildung umfasst.
  • Verzicht auf Vorrangprüfung bei anerkannter Qualifikation und Arbeitsvertrag.
  • Wegfall der Begrenzung auf Mangelberufe bei qualifizierter Berufsausbildung.
  • Möglichkeit für Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung, entsprechend der bestehenden Regelung für Hochschulabsolventen, für eine befristete Zeit zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland zu kommen (Voraussetzung sind notwendige deutsche Sprachkenntnisse und die Sicherung des Lebensunterhalts).
  • Verbesserte Möglichkeiten zum Aufenthalt für Qualifizierungsmaßnahmen im Inland mit dem Ziel der Anerkennung von beruflichen Qualifikationen.
  • Verfahrensvereinfachungen, eine Bündelung der Zuständigkeiten bei zentralen Ausländerbehörden und beschleunigte Verfahren für Fachkräfte.

Prüfung der Gleichwertigkeit der Qualifikation

Grundlegend für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bleiben die Prüfung der Gleichwertigkeit der Qualifikation und die Prüfung der Arbeitsbedingungen. Die Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen werden aber attraktiver und praxistauglicher gestaltet.

IT-Fachkräfte können bei ausgeprägter berufspraktischer Erfahrung unabhängig von einem formalen Abschluss einreisen. Für Niedrigqualifizierte sieht das Fachkräfteeinwanderungsgesetz keine Änderungen vor.

Ausgang Verfahren 2018
Ausgang der Anerkennungsverfahren im Jahr 2018.

Gezielte Anwerbung von Fachkräften im Ausland

Die Bundesregierung hat begleitend zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz intensiv an weiteren Maßnahmen zur Verbesserung von Verwaltungs- und Anerkennungsverfahren und zur Ausweitung der Sprachförderung gearbeitet sowie gezielte Werbemaßnahmen im Ausland angestoßen.

Man hofft, durch die Vereinfachungen des neuen Gesetzes im Jahresverlauf deutlich mehr als 30.000 qualifizierte Fachkräfte im Ausland anwerben zu können.

Einige Herkunftsländer sehen Abwerbeversuche kritisch

Über die Abwerbung bereits ausgebildeter Fachkräfte sind einige der Herkunftsländer – vor allem in Ost- und Südosteuropa – gar nicht glücklich. So hat Serbien gerade angekündigt, eine bereits seit Jahren laufende Kooperation mit Deutschland zu beenden. Und Polen bemüht sich inzwischen, abgewanderte Fachkräfte wieder in die Heimat zu locken.

Qualifizierte Zuwanderung viel zu gering, illegale viel zu hoch

Mit dem neuen Gesetz soll offenbar auch die seit Jahrzehnten verfehlte Einwanderungspolitik ein wenig geradegerückt werden. Vor allem von den östlichen Nachbarländern – aber auch von den Briten – wurde diese spätestens seit 2015 mit Unverständnis und zunehmendem Entsetzen verfolgt.

Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz könnte Deutschland den Anteil der qualifizierten, gut integrierbaren und von der Wirtschaft dringend benötigten Migranten erhöhen.

Zahlenmäßig fällt die Gruppe der Fachkräfte mit 30.000 pro Jahr allerdings kaum ins Gewicht. Sie ist klein im Vergleich zu den Hunderttausenden meist illegal ins Land kommenden und in der Mehrzahl weder schulisch ausreichend gebildeten noch beruflich qualifizierten oder gar studierten Flüchtlinge.

Die Politik hat es jahrzehntelang versäumt, eine klare, umfassende Einwanderungsgesetzgebung wie in den USA, Kanada oder Australien zu schaffen. Viele versuchen daher ihr Glück auf dem Umweg über das Asylrecht, das für diesen Zweck nicht gedacht ist.

Einwanderung über das Asylrecht

Die Zahl der Asylbewerber belief sich 2019 laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf 165.938. Drei Jahre vorher waren es sogar 745.545.

Unabhängig davon, welcher Status den Asylbewerbern letztendlich zuerkannt wird: Sie bleiben auch bei Ablehnung und Ausreisepflicht im Land, sodass es sich de facto um Einwanderer handelt. Die Entscheidungsquoten für das Jahr 2019 sahen wie folgt aus:

  • Für 32,4 % ergingen sogenannte formelle Entscheidungen, d. h. für ihren Antrag ist ein anderes Land zuständig, in das sie eigentlich umgehend zurückreisen müssten.
  • 29,4 % der Anträge wurden abgelehnt, weil sie unbegründet waren. Auch diese Gruppe müsste eigentlich das Land verlassen.
  • 24,5 % wurden als Flüchtlinge eingestuft.
  • 10,6 % erhielten subsidiären Schutz.
  • Für 3,2 % gilt ein Abschiebungsverbot.
  • Lediglich 1,2 % wurden als asylberechtigt anerkannt.
Asylantragszahlen 1953-2019
Entwicklung der Asylantragsverfahren seit 1953. Deutlich erkennbar sind die großen Einwanderungswellen Anfang der 1990er Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der noch andauernde Migrationsdruck vorwiegend aus dem arabischen Raum ab 2010. – Bild: BAMF

Weiterführende Links

[Quelle: Pressemitteilungen Bundesregierung und Innenministerium, Handelsblatt. Bild: Bundesministerium für Bildung und Forschung.]