Coronavirus-Pandemie: BDÜ und VKD fordern, Dolmetscher in Maßnahmenpakete einzubeziehen

Beatriz Quintanero Raposo
Beatriz Quintanero Raposo ist 1. Vorsitzende des Verbandes der Konferenzdometscher (VKD), dessen Mitglieder von der Absage zahlreicher Konferenzen und Kongresse besonders betroffen sind. - Bild: VKD, Montage: UEPO

Die Coronavirus-Pandemie hat in Europa ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. In vielen Sektoren der Wirtschaft hat sie aber bereits jetzt zu enormen Umsatzeinbußen geführt.

Für Selbstständige wie freiberuflich tätige Dolmetscher kann eine solche Krise je nach Dauer existenzgefährdende Ausmaße annehmen. Die meisten internationalen Kongresse und Konferenzen, auf denen Konferenzdolmetscher unabdingbar sind, wurden zumindest für die Monate März und April abgesagt. Ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht absehbar.

Nach den italienischen Branchenverbänden und dem internationalen Dachverband FIT hat nun auch der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) einen Appell an die Politik gerichtet. Darin werden die Regierungsverantwortlichen aufgefordert, auch selbstständige bzw. freiberufliche Dolmetscher und Übersetzer in den konjunktur-, steuer- und sozialpolitischen Förderprogrammen zu berücksichtigen.

Die Bundesregierung hatte sich vor einigen Tagen grundsätzlich darauf verständigt, ein Maßnahmenpaket aufzulegen, das die finanziellen Folgen der Krise für die betroffenen Branchen abfedern soll.

Nachfolgend das BDÜ-Positionspapier im Wortlaut. Es wird von dem besonders betroffenen Verband der Konferenzdolmetscher (VKD) mitgetragen, der zu den zwölf Mitgliedsverbänden des BDÜ gehört. Dem VKD gehört ein Zehntel der mehr als 7.000 BDÜ-Mitglieder an.

*

Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer
Verband der Konferenzdolmetscher im Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer

Positionspapier

Zu den Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft: Einbeziehung selbstständiger Dolmetscher und Übersetzer in konjunktur-, steuer- und sozialpolitische Maßnahmenpakete

Im Zuge der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus zeichnen sich sowohl national als auch international gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaft ab. Die Bundesregierung will mit milliardenschweren Investitionsprogrammen über die nächsten Jahre dagegenhalten und hat sich in Koalitionsgesprächen am 8. März zudem auf ein Maßnahmenpaket zur Abfederung der negativen wirtschaftlichen Folgen verständigt. Dieses beschränkt sich jedoch auf Unternehmen und deren angestellte Mitarbeiter (z. B. erleichterte Auszahlung von Kurzarbeitergeld oder Liquiditätshilfen).

Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ) fordert als Vertretung seiner größtenteils selbstständig bzw. freiberuflich tätigen Mitglieder auch für diese Berufsgruppen entsprechende konjunktur-, steuer- und sozialpolitische Unterstützung.

Hintergrund: Bereits jetzt machen sich die Folgen der „Corona-Krise“ massiv in der Branche bemerkbar. Internationale Konferenzen, Messen, Dienstreisen, Sitzungen Europäischer Betriebsräte etc., bei denen die Verständigung nur mit professionellen Dolmetschern gewährleistet ist, werden von den Organisatoren und Veranstaltern reihenweise – z. T. unter Berufung auf „höhere Gewalt“(1) – abgesagt oder nicht bestätigt. Dies bedeutet für die Dolmetscher hohe Einkommensverluste.

Manche Veranstalter weichen derzeit auf Alternativen wie das sogenannte Remote Interpreting (Ferndolmetschen) aus, was jedoch für viele Settings – insbesondere solche, in denen simultan, d. h. in Echtzeit, gedolmetscht wird – sowohl aus technischen wie auch aus rechtlichen Gründen oft nicht geeignet ist.(2)

Übersetzungsaufträge sind ebenfalls betroffen, wobei sich die konjunkturellen Folgen für schriftliche Übersetzungen generell voraussichtlich erst zeitversetzt und im Zuge einer allgemeinen Rezession noch deutlicher bemerkbar machen werden.

Der BDÜ als größter deutscher Berufsverband der Branche schließt sich mit diesem Positionspapier dem Appell des Weltdachverbands FIT (Fédération Internationale des Traducteurs) und weiterer internationaler Partnerverbände(3) an und fordert die Politik zu umgehendem Handeln unter Berücksichtigung von selbstständigen bzw. freiberuflichen Dolmetschern und Übersetzern auf.

Norma Keßler, Präsidentin BDÜ
Beatriz Quintanero Raposo, 1. Vorsitzende VKD im BDÜ

Berlin, März 2020

(1) Es wird allerdings nicht – wie für jeden Einzelfall erforderlich – ausreichend differenziert, ob es sich rein rechtlich tatsächlich um höhere Gewalt handelt (in Deutschland wäre dies z. B. eine Absage nach behördlicher Anordnung, aber nicht aus eigenem Ermessen des Veranstalters).
(2) Siehe VKD-Positionspapier zum Remote Interpreting
(3) Internationaler Appell von FIT, aiic und WASLI (in englischer Sprache)

* * *

rs