Pieke Biermann mit Preis der Leipziger Buchmesse 2020 in Kategorie Übersetzung ausgezeichnet

Nominierte
Die fünf nominierten Übersetzungen für den Preis der Leipziger Buchmesse 2020. - Bild: LBM
Pieke Biermann
Pieke Biermann – Bild: Isolde Ohlbaum / dtv

Der Preis der Leipziger Buchmesse 2020 in der Kategorie Übersetzung geht an die in Berlin lebende Lieselotte „Pieke“ Biermann. Sie wird für ihre Übersetzung des bei dtv erschienenen Romans Oreo von Fran Ross aus dem amerikanischen Englisch ausgezeichnet und erhält insgesamt 16.000 Euro. (Die fünf Nominierten erhalten je 1.000 Euro, der Sieger zusätzlich 15.000 Euro.)

Nominiert waren in derselben Kategorie außerdem:

  • Luis Ruby für die Übersetzung Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau – Sämtliche Erzählungen I von Clarice Lispector aus dem brasilianischen Portugiesisch.
  • Andreas Tretner für die Übersetzung Die Sanftmütigen von Angel Igov aus dem Bulgarischen.
  • Melanie Walz für die Übersetzung Middlemarch – Eine Studie über das Leben in der Provinz von George Eliot aus dem Englischen.
  • Simon Werle für die Übersetzung Der Spleen von Paris – Gedichte in Prosa sowie frühe Dichtungen von Charles Baudelaire aus dem Französischen.

In der Kategorie Belletristik wurde der Schriftsteller Lutz Seiler für sein Buch Stern 111 geehrt. Und in der Kategorie Sachbuch und Essayistik fiel die Entscheidung auf Bettina Hitzer für Krebs fühlen – Eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Bekanntgabe im Radio, weil Buchmesse abgesagt werden musste

Die Jury gab die Preisträger am 12. März 2020 in der Sendung Lesart – Das Literaturmagazin des Deutschlandfunks Kultur bekannt. Die Leipziger Buchmesse war wegen nicht erfüllbarer Auflagen für öffentliche Großveranstaltungen im Verlauf der Coronaviruskrise komplett abgesagt worden.

„Die Leipziger Buchmesse und ihr Preis leben, auch wenn wir schweren Herzens, aber aus Sorge um die Gesundheit und Sicherheit unserer Gäste die Buchmesse 2020 absagen mussten“, erklärt Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse. „Ich danke Deutschlandfunk Kultur ganz herzlich für die pragmatische, kollegiale Hilfe, in dieser Situation die Preisverkündung ins Radio zu verlegen, um zumindest den Preisträgern einen Resonanzraum zu geben.“

Oreo
Die amerikanische Autorin Frances Dolores Ross (1935-1985) hat ihren Roman Oreo bereits 1974 veröffentlicht. Er wurde jetzt erstmals ins Deutsche übersetzt. – Bild: LBM

Oreo von Fran Ross erschien bereits in 1970er Jahren

Oreo von Fran Ross ist ein bereits in den 1970er Jahren erschienenes, kaum beachtetes, dann wiederentdecktes und jetzt übertragenes Buch über kulturelle Identitäten.

Seine Autorin wurde 1935 als Tochter eines jüdischen Vaters und einer schwarzen Mutter geboren – wie ihre Romanheldin, die 16-jährige Christine, genannt „Oreo“, die sich in New York auf die Suche nach ihrem Vater begibt.

Dort trifft sie unglaubliche Leute: einen „Reisehenker“, der Manager feuert, einen Radio-Macher, der nicht spricht, einen tumben Zuhälter und endlich auch ihren Vater. Nicht jeder ist ihr wohlgesinnt. Aber Oreo überlebt alles dank ihres selbsterdachten Kampfsports WITZ.

Das Deutsch von Pieke Biermann: „schrill-schöne Vielgestalt auf engem Raum“

Die Jury begründet ihre Entscheidung für die Übersetzung von Biermann wie folgt:

Wahl Außen schwarz und innen weiß, so sieht nicht nur ein Oreo-Keks aus, zwischen zwei Hauttypen (und Milieuschichten) verpappt ist auch Christine, die Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Juden namens Schwartz. Christines Geschichte ist dabei vor allem eines: kunterbunt.

Zwischen Mythologie, Rassismuskritik, Slapstick und Psychoanalyse-Satire changierend, brennt Fran Ross in „Oreo“ zudem ein sprachliches Feuerwerk ab, das seinesgleichen sucht. Jiddische Ausdrücke, Gossenslang und akademisches Highbrow-Palaver stellen die Übersetzung vor enorme Herausforderungen.

Pieke Biermann hat sie bravourös gelöst und das halsbrecherische Erzähltempo dieser durch New York rasenden rotzfrechen und oberschlauen Superfrau mit großem Erfindungsreichtum in ein Deutsch gebracht hat, das eine solch schrill-schöne Vielgestalt auf so engem Raum selten gesehen hat.

Pieke Biermann schreibt und übersetzt

Pieke Biermann, geboren 1950, studierte Deutsche Literatur und Sprache bei Hans Mayer sowie Anglistik und Politikwissenschaft in Hannover und Padua.

Seit 1976 ist sie freie Schriftstellerin und Übersetzerin, u. a. von Stefano Benni, Andrea Bajani, Dacia Maraini, Agatha Christie und Dorothy Parker. Ihre Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem drei Mal mit dem Deutschen Krimipreis. Sie lebt in Berlin.

Siebenköpfige Jury traf die Auswahl

Unter der Leitung von Jens Bisky wählte die aus Katharina Herrmann, Tobias Lehmkuhl, Wiebke Porombka, Marc Reichwein, Katrin Schumacher und Katharina Teutsch bestehende Jury fünfzehn Nominierte und drei Preisträger aus insgesamt 402 eingereichten Titeln für den Preis der Leipziger Buchmesse 2020 aus.

Über den Preis der Leipziger Buchmesse

Der mit insgesamt 60.000 Euro dotierte Preis der Leipziger Buchmesse ehrt seit 2005 herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung.

Der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig unterstützen den Preis der Leipziger Buchmesse. Partner des Preises ist das Literarische Colloquium Berlin. Medienpartner ist das Kundenmagazin buchjournal und der Deutschlandfunk Kultur.

rs