Gebärdensprachdolmetscher in Bayern: Ausbildung und Bedarf

Gebärde Dolmetscher
Die Gebärde für den Begriff Dolmetscher (die Hände werden dabei noch gedreht). - Bild: Clker / Pixabay

Wie hoch ist gegenwärtig der Bedarf an Gebärdensprachdolmetschern (GSD) in Bayern? Wie ist deren Ausbildung geregelt? Der Nürnberger SPD-Abgeordnete Arif Taşdelen hat im März 2020 eine schriftliche Anfrage zu diesem Themenkomplex an die bayerische Staatsregierung gestellt. Taşdelen war bis zu seinem Einzug in den Landtag Zollinspektor beim Hauptzollamt.

Das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales hat unter Einbeziehung des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst im April 2020 darauf geantwortet (Drucksache 18/7366). Nachfolgend die Fragen des Abgeordneten und die Antworten des Ministeriums. Die Zwischenüberschriften wurden von UEPO.de eingefügt.

Arif Tasdelen
Arif Taşdelen vertritt einen Nürnberger Wahlkreis im Bayerischen Landtag. – Bild: Taşdelen

Bachelorstudiengang nur an HAW Landshut

Vorbemerkung des Abgeordneten Arif Taşdelen:

In der Antwort auf eine Anfrage zum Plenum vom 11.02.2020 (Drucksache 18/6479) gab das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst an, dass es den Studiengang Gebärdendolmetschen in Bayern nur an der Hochschule Landshut gebe. Die ersten zwölf Absolventinnen und Absolventen hätten im Wintersemester 2018/2019 ihr Studium abgeschlossen, im laufenden Wintersemester seien 22 Studierende angetreten, die Ergebnisse liegen noch nicht vor.

Ich frage die Staatsregierung:

1.1 Wurde nach Kenntnis der Staatsregierung auch an anderen Hochschulorten Bedarf für die Einrichtung eines Studiengangs Gebärdolmetschen geäußert?

In Bayern startete an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Landshut zum Wintersemester 2015/2016 der Bachelorstudiengang „Gebärdensprachdolmetschen“ (GSD). Der in Süddeutschland einmalige Studiengang vermittelt in sieben Semestern praxisorientiert selbstständiges und professionelles Handeln im Berufsfeld Gebärdensprachdolmetschen.

Aktuell (Stand 01.03.2020) sind 87 Studierende eingeschrieben. Im Jahr 2019 haben aus dem ersten Jahrgang nach aktuellem Kenntnisstand 13 Absolventinnen und Absolventen erfolgreich abgeschlossen. Die HAW Landshut rechnet pro Jahr mit 12 bis 15 Absolventinnen und Absolventen.

Mit den jährlich von der HAW Landshut abgehenden Gebärdensprachdolmetschenden wird die Zahl der für gehörlose Menschen bereitstehenden Gebärdensprachdolmetschenden in den kommenden Jahren stetig zunehmen.

Weitere Studiengänge in Hamburg, Berlin, Magdeburg-Stendal, Köln und Zwickau

Seit 1993 besteht ein Studiengang GSD an der Universität Hamburg. Die HAW Landshut ist seit 2015 nach der Hochschule Magdeburg-Stendal, der Westsächsischen Hochschule Zwickau und der Humboldt-Universität Berlin die fünfte Hochschule, die eine akademische Ausbildung anbietet. Seit 2017 vervollständigt die Universität Köln dieses Bildungsangebot mit einem Studiengang Gebärdensprachdolmetschen.

Der Staatsregierung ist nicht bekannt, ob Bedarf für die Einrichtung eines weiteren Studiengangs geäußert wurde.

1.2 Falls ja, an welchen Hochschulen wurde Bedarf geäußert?

Siehe die Beantwortung zu Frage 1.1.

Bedarf in Ressorts der Landesregierung wird nicht erfasst

2.1 Für wie viele Veranstaltungen fragten die einzelnen Ressorts in den vergangenen fünf Jahren eine Übersetzung in Gebärdensprache an?

Nach Ziff. 12.12 der Bayerischen Inklusionsrichtlinien soll bei „Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, bei Personalgesprächen (zum Beispiel Mitarbeitergesprächen) sowie bei Personal- und Schwerbehindertenversammlungen und sonstigen dienstlichen Veranstaltungen (…) soweit erforderlich hörbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Wunsch eine Gebärdensprachdolmetscherin oder ein Gebärdensprachdolmetscher oder eine Schriftdolmetscherin oder ein Schriftdolmetscher zur Verfügung gestellt werden“.

Für Veranstaltungen, Gespräche, Termine oder Gerichtsverhandlungen, an denen eine gehörlose Person teilnimmt oder beteiligt ist, wird daher in allen Ressorts regelmäßig die Unterstützung durch eine Gebärdensprachdolmetschende bzw. einen Gebärdensprachdolmetschenden bereitgestellt.

Informationen darüber, für wie viele Veranstaltungen die einzelnen Ressorts in den vergangenen fünf Jahren eine Übersetzung in Gebärdensprache anfragten, liegen nicht vor.

2.2 In wie vielen Fällen wurden solche Anfragen aus Gründen der Nichtverfügbarkeit einer Dolmetscherin/eines Dolmetschers abgelehnt?

Gebärdensprachdolmetschende werden für Veranstaltungen der Ressorts regelmäßig angefragt. Grundsätzliche Probleme sind nicht bekannt. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sich die Bereitstellung von Dolmetschleistungen in Einzelfällen schwierig gestaltet.

2.3 Sind der Staatsregierung andere Fälle bekannt, in denen eine Übersetzung in Gebärdensprache aufgrund der Nichtverfügbarkeit von Dolmetscherinnen und Dolmetschern nicht möglich war?

Hierüber ist nichts bekannt.

Bundesweit ein GSD auf 100 Gehörlose, in Bayern 1:67, Ziel ist Quote von 1:44

3.1 Wie hoch beziffert die Staatsregierung den Bedarf an Gebärdendolmetscherinnen und -dolmetschern?

3.2 Sieht die Staatsregierung diesen Bedarf aufgrund der zu erwartenden Absolventinnen und Absolventen in Landshut in den kommenden fünf Jahren
gedeckt?

3.3 Falls nein, wie hoch beziffert die Staatsregierung die Zahl der fehlenden Dolmetscherinnen und Dolmetscher?

Deutschlandweit steht im Durchschnitt eine Gebärdensprachdolmetschende bzw. ein Gebärdensprachdolmetschender 100 Gehörlosen gegenüber (ca. 800 taube und hörende Gebärdensprachdolmetschende in Deutschland für ca. 80.000 Gehörlose).

In Bayern steht im Durchschnitt eine Gebärdensprachdolmetschende bzw. ein Gebärdensprachdolmetschender für 67 Betroffene bereit (136 Gebärdensprachdolmetschende in Bayern für ca. 9.000 Gehörlose). Laut Information der HAW Landshut kommt in führenden Industrienationen mit guter Abdeckung eine Dolmetschende bzw. ein Dolmetschender auf 44 Gehörlose.

Wie in der Antwort zu Frage 1.1 dargestellt, erwartet die HAW Landshut pro Jahr 12 bis 15 Absolventinnen und Absolventen, die dann als Gebärdensprachdolmetschende zur Verfügung stehen. Dies bedeutet, dass innerhalb von fünf Jahren weitere 60 bis 75 weitere Gebärdensprachdolmetschende ausgebildet sein werden. Somit werden dann insgesamt etwa 196 bis 211 entsprechende Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Damit steht in fünf Jahren in Bayern eine Gebärdensprachdolmetschende bzw. ein Gebärdensprachdolmetschender für 46 bis zu 43 Betroffene bereit. Dies entspricht in etwa der von der HAW Landshut genannten Quote von 1:44 für eine gute Abdeckung in führenden Industrienationen.

Auch wenn man berücksichtigt, dass nicht alle Absolventinnen und Absolventen unmittelbar in den Beruf einsteigen und dass Personen aus dem Beruf ausscheiden, wird sich das Verhältnis von Betroffenen zu Gebärdensprachdolmetschenden in den folgenden Jahren stetig weiter verbessern.

Keine Einrichtung weiterer Studiengänge geplant

4.1 Plant die Staatsregierung die Einrichtung weiterer Studiengänge zum Gebärdendolmetschen?

4.2 Falls ja, für wann ist die Einrichtung solcher Studiengänge geplant?

4.3 Falls ja, an welchen Hochschulen?

In der Staatsregierung sind derzeit keine weiteren Studiengänge „Gebärdensprachdolmetschen“ geplant.

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rs, Bayerischer Landtag