Märchen aus Eurasien – Übersetzt von Studierenden in Moskau und Germersheim

Märchen aus
Unter anderem aus diesen, aber auch einem Dutzend weiterer Sprachen wurden die Erzählungen ins Russische und Deutsche übertragen. - Bild: Theresa Heyer

Relaisdolmetschen kennen wir normalerweise von internationalen Organisationen wie der EU, wo seltener gesprochene Sprachen wie Litauisch oder Slowakisch zunächst in eine Mittlersprache – meist Englisch – gedolmetscht werden und dann aus dieser „Relaissprache“ weiter in die übrigen Sprachen.

Doch das Prinzip wird auch bei Märchenübersetzungen angewandt, vor allem wenn die Geschichten aus so exotischen Sprachen wie Jakutisch oder Kirgisisch stammen. Gerade für den zentralasiatischen Raum war dabei Russisch schon immer eine wichtige Mittlersprache.

Dreijähriges Lehr- und Publikationsprojekt mit zwei Dutzend Sprachen

Märchen aus EurasienDie Methode des Relaisübersetzens war Ausgangspunkt für ein außergewöhnliches Lehr- und Publikationsprojekt am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU), das 2017 begann und nun mitten in Corona-Zeiten erfolgreich abgeschlossen werden konnte.

Um die große Sprachenvielfalt an der JGU und an ihrer Partneruniversität, der Staatlichen Linguistischen Universität Moskau (MGLU), zu zeigen und produktiv zu nutzen, haben Germersheimer und Moskauer Studierende Märchen aus mehr als zwei Dutzend Sprachen übersetzt.

Die Bandbreite reicht von „großen“ wie Englisch, Französisch oder Arabisch über „kleinere“ wie Niederländisch und Polnisch bis hin zu solchen, die offiziell gar nicht auf dem Stundenplan stehen, wie Katalanisch, Ukrainisch, Kurdisch oder Usbekisch.

  • In Germersheim wurden Märchen von Studenten mit verschiedenen Muttersprachen ins Deutsche übertragen. Die deutschen Fassungen wurden in Moskau weiter ins Russische übersetzt.
  • Zeitgleich wurden in Moskau Erzählungen unter anderem aus sibirischen Sprachen ins Russische gebracht, die dann am FTSK ins Deutsche übersetzt wurden.

Deutsch und Russisch fungierten also als „Relaissprachen“, sodass am Ende jeweils dreisprachige Fassungen vorlagen: in der Originalsprache, auf Russisch und auf Deutsch.

Möglichen „Stille-Post-Effekten“ wurde durch intensive Zusammenarbeit zwischen den Übersetzern verschiedener Muttersprachen vorgebeugt. Neben Lektorat, Teamfähigkeit und Zeitmanagement konnten die Beteiligten Übersetzungsstrategien für sprechende Namen, kulturspezifische Elemente und weitere typische Märchenelemente kennenlernen und anwenden.

Finanzielle Förderung durch ZIS und Gazprom

Dank der großzügigen Förderung durch das Zentrum für Interkulturelle Studien (ZIS) der Mainzer Universität sowie von Gazprom Germania wurden am Ende 13 Märchen aus dem eurasischen Raum ausgewählt, die jetzt als zweisprachige, illustrierte Publikation erschienen sind.

Das Märchenbuch ist eins von vielen gemeinsamen Projekten, die im Rahmen der seit mehr als 30 Jahren bestehenden Universitätspartnerschaft zwischen der JGU und der MGLU unter großem Engagement beider Seiten durchgeführt wurden und werden.

Bibliografische Angaben

  • Hanne Wiesner, Maria Tomskaya, Birgit Menzel, Innara Guseynova (Hg.): Märchen aus Eurasien / Сказочный мир Евразии. Ludwigshafen: Llux Verlag, 2020. Mit Glossar sowie wissenschaftlichen Beiträgen und Erläuterungen zur Märchenforschung. Durchgehend zweisprachig Russisch / Deutsch. Mit 15 Aquarell-Illustrationen von Theresa Heyer. 136 Seiten, 15,00 Euro. ISBN 978-3-938031-84-1.

Mehr zum Thema

Weiterführender Link

Universität Mainz