Obwohl in sieben Staaten Europas Deutsch eine offizielle Amtssprache ist, gibt es kein Museum für die deutsche Sprache. Dieses wird nun auf dem Alten Meßplatz in Mannheim entstehen.
Bauherrin des Forums Deutsche Sprache ist die Stiftung des SAP-Mitgründers Klaus Tschira, die dem in Mannheim ansässigen Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) das Gebäude inklusive der ersten Dauerausstellung schenken und zuvor einen Architekturwettbewerb ausloben wird.
Das Haus wird zugleich Museum, Begegnungsort und Forschungsstätte sein und soll die deutsche Sprache in all ihren Facetten erlebbar und verständlich machen. Zudem können Besucher durch eigene „Sprachspenden“ die weitere Erforschung der deutschen Sprache selbst aktiv voranbringen.
„Niedrigschwelliger Zugang zum reichen Wissen über die deutsche Sprache“
Für Prof. Dr. Carsten Könneker, Geschäftsführer der Klaus-Tschira-Stiftung, ist dies ein besonderes Kennzeichen des Projekts:
„Die Sprachforschung ist heute auch in hohem Maße eine datengetriebene Wissenschaft. Das Forum Deutsche Sprache wird nicht nur allen Bevölkerungsschichten einen niedrigschwelligen Zugang zu dem reichen Wissen über die deutsche Sprache ermöglichen, sondern die Menschen auch aktiv an der linguistischen Forschung beteiligen. Dieses innovative Konzept passt sehr gut zu den drei Bereichen Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation, welche die Klaus-Tschira-Stiftung seit 25 Jahren fördert.“
Offenes Museum, Forschungslabor und Dokumentationszentrum
Das Forum ist konzipiert als offenes Museum und Forschungslabor sowie Dokumentationszentrum für die deutsche Sprache. Die Dauerausstellung soll die individuellen Entwicklungsstufen der Sprache im Laufe eines Lebens nachzeichnen. Sie wird zeigen, wie der Mensch in und mit der Sprache lebt, vom Spracherwerb eines Säuglings bis zum vielfältigen Umgang mit Sprache bis ins Alter.
Parallele Zugänge sollen besondere Themen erschließen, wie zum Beispiel soziale Medien die Sprache prägen, wie vielseitig deutsche Dialekte sind und wie Kunst und Literatur ihre eigenen Ausdrucksformen in gesprochener und geschriebener Sprache finden. Ein Erlebnisbereich für Kinder im Alter zwischen eins und sieben führt auch die Jüngsten an die spannende Welt der Sprache heran.
Sonderausstellungen sollen sich mit besonderen Aspekten und aktuellen Fragen der deutschen Sprache auseinandersetzen. Mögliche Themen sind hier „Hatespeech“ im Internet oder Sprachneuerungen durch die Corona-Pandemie. Neben Ausstellungen will das Haus auch Raum für offene Veranstaltungsformate wie Science Slams oder Lesungen bieten.
IDS-Chef Henning Lobin: „Wissenschaft für die Öffentlichkeit öffnen“
Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache verfolgt bereits seit vielen Jahren den Plan, ein Museum der deutschen Sprache einzurichten. Der Vorstandsvorsitzende und wissenschaftliche Direktor des IDS, Prof. Dr. Henning Lobin, ist glücklich, dass das Vorhaben nun ergänzt um eine Forschungseinrichtung Wirklichkeit werden kann:
„Das Forum Deutsche Sprache wird mit seiner neuartigen Verbindung von Vermittlung und Dokumentation Strahlkraft im gesamten deutschsprachigen Raum entwickeln. Es ist das Ziel des IDS als Teil der Leibniz-Gemeinschaft, auf diese Weise neue Perspektiven für die Wissenschaft wie für die Öffentlichkeit zu eröffnen. Die deutsche Sprache gehört allen gemeinsam, und die Gäste des Forums bringen sie von überallher mit. Es ist ein wirklich einzigartiger Glücksfall, dieses besondere Projekt nun zusammen mit der Klaus-Tschira-Stiftung und der Stadt Mannheim realisieren zu können.“
Das Forum Deutsche Sprache soll an prominenter Stelle mitten in der Stadt Menschen einladen, sich über die deutsche Sprache zu informieren sowie als Bürgerwissenschaftler selbst die linguistische Forschung zu beflügeln.
Stiftung startet Architekturwettbewerb
Die Klaus-Tschira-Stiftung wird als nächstes einen zweistufigen Architekturwettbewerb im deutschsprachigen Raum ausloben. Nachdem zunächst 15 bis 20 Architekturbüros erste Ideen zur Umsetzung des vom IDS entwickelten Ausstellungs- und Nutzungskonzepts vorgelegt haben werden, sollen rund sechs Büros in einer zweiten Phase konkrete Entwürfe erarbeiten. Eine zehnköpfige Jury wird für die besten drei Entwürfe Preise vergeben.
Stadt Mannheim verwirklicht „zwei lang gehegte Wünsche“
Für das Projekt stellt die Stadt Mannheim ein Grundstück am Neckarufer im Stadtteil Neckarstadt in unentgeltlicher Erbpacht zur Verfügung. So hatte es der Gemeinderat am 26. Mai 2020 beschlossen. Die Platzgestaltung und Verstetigung der derzeitigen Zwischennutzungen übernimmt die Stadt Mannheim.
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) hebt die Wichtigkeit des Vorhabens für die Stadt hervor: „Mit dem Forum Deutsche Sprache verwirklichen sich zwei lang gehegte Wünsche: die herausragende Bedeutung des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache und der Sprachforschung in Mannheim erhält einen prominenten Ort. Zum anderen wird die seit Anfang der 2000er Jahre verfolgte Idee der Ansiedlung einer bedeutenden Bildungsinstitution in der Neckarstadt umgesetzt. Großartig ist das außergewöhnliche und entscheidende Engagement der Klaus-Tschira-Stiftung.“
Die Klaus-Tschira-Stiftung
Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein.
Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache
Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim ist die zentrale wissenschaftliche Einrichtung zur Dokumentation und Erforschung der deutschen Sprache in Gegenwart und neuerer Geschichte. Als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft wird das IDS gemeinsam von Bund und allen 16 Bundesländern unter besonderer Beteiligung des Landes Baden-Württemberg getragen.
Gero von der Stein / Klaus-Tschira-Stiftung