Internationaler Tag der Muttersprache: UNESCO verharmlost politischen Gedenk- und Kampftag

Friedenstaube
Friede, Freude, Eierkuchen: Das offizielle Bildmotiv der UNESCO zum Internationalen Tag der Muttersprache 2021.

Wie jedes Jahr begeht die UNESCO den „Internationalen Tag der Muttersprache“ als bunten, fröhlichen Multikulti-Kindergeburtstag. Die aus diesem Anlass von der Unterorganisation der UNO produzierten Bildmotive versinnbildlichen keine sprachpolitischen Probleme, sondern zeigen lachende Schulkinder.

Was heute kaum noch jemand weiß: Der 1999 auf Antrag von Bangladesch beschlossene und seit dem Jahr 2000 gefeierte Gedenktag geht auf bürgerkriegsähnliche Unruhen mit mehreren Toten im Jahr 1952 zurück. (Siehe Link weiter unten.) Es handelt sich somit dem Ursprung nach um einen politischen Kampftag gegen staatliche Willkür und die Unterdrückung von Sprachen.

Internationaler Tag der Muttersprache
Vier typische Motive der insgesamt neun 2021 von der UNESCO erstellten digitalen Bildpostkarten.

Aktionstag gegen staatliche Willkür und Unterdrückung

Zur Verteidigung von UNO und UNESCO sei angemerkt: Als Aktionstag gegen staatliche Willkür hätte man den Internationalen Tag der Muttersprache 1999 nicht durchs Plenum bringen können. Man musste ihn verharmlosen und verniedlichen, um allgemeine Zustimmung zu erhalten.

Dennoch könnte man diesen Tag nutzen, um gegen die Unterdrückung von Sprachen zu protestieren oder zumindest darauf hinweisen, wo und warum Sprachen in der Vergangenheit und Gegenwart diskriminiert werden. Anlässe dafür gibt es genug – auch in Europa.

Nicht die „Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit“ sollte im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, denn dafür gibt es bereits andere Gedenktage wie den „Europäischen Tag der Sprachen“. Am Internationalen Tag der Muttersprache sollte es vielmehr ganz speziell um die Muttersprache gehen, die zu sprechen und zu schreiben vielen Menschen aus politischen Gründen verwehrt wird.

Internationaler Tag der Muttersprache
Lediglich dieses Motiv deutet an, wie der Internationale Tag der Muttersprache verstanden werden sollte: als Tag des Protestes, der Mahnung, des Kampfes.

Die Generaldirektorin der UNESCO, Audrey Azoulay, früher Ministerin für Kultur und Kommunikation in Frankreich, hat zum Internationalen Tag der Muttersprache eine Mitteilung herausgegeben. Darin fordert sie dazu auf, die „sprachliche Diversität und Mehrsprachigkeit“ zu achten und die Verwendung von Muttersprachen sowohl in der Schule als auch im Alltagsleben zu unterstützen und zu fördern:

Fostering multilingualism for inclusion in education and society

21 February 2021

Every 21 February, International Mother Language Day honours linguistic diversity and multilingualism, this priceless heritage of humanity.

This year, it is celebrated at a time when the world is going through an unprecedented crisis.

The crisis has consequences at a time when educational inequalities are widening everywhere – too many of the 1.5 billion learners deprived of their classrooms at the peak of the pandemic were left without accessible distance learning solutions.

Moreover, cultural diversity in its entirety is threatened by the cancellation of festivals and ceremonies, and the economic fragility of creators and the media.

Fostering the use of the mother tongue means, precisely, at the same time fostering access to education for all, as well as the dissemination of cultures in all their diversity.

Audrey Azoulay
Audrey Azoulay – Bild: Didier Plowy

The theme of the Day this year, „Fostering multilingualism for inclusion in education and society“, thus encourages us to support multilingualism and the use of mother tongues, both at school and in everyday life.

This is essential, because when 40% of the world’s inhabitants do not have access to education in the language they speak or understand best, it hinders their learning, as well as their access to heritage and cultural expressions.

This year, special attention is being paid to multilingual education from early childhood, so that for children, their mother tongue is always an asset.

In education, as in all parts of our society, multilingualism is a factor in equality, and UNESCO is committed to promoting it everywhere. For example, the Organization promotes linguistic diversity on the Internet to improve universal access to information and knowledge.

In the same spirit, and in the context of the International Decade of Indigenous Languages (2022-2032), for which UNESCO is the lead agency, action plans are being implemented to place multilingualism at the heart of societies, particularly indigenous societies.

This Day, like the Decade, therefore sets us a challenge: to ensure that the diversity of languages is preserved as a common heritage.

For when a language dies, a way of seeing, feeling and thinking the world disappears, and all of cultural diversity is irretrievably diminished.

On this International Day, UNESCO therefore calls for the celebration of the world in all its diversity, and support for multilingualism in everyday life.

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Richard Schneider