Titanic zur Gorman-Debatte: „Wir lassen uns das Übersetzen nicht verbieten!“

Titanic-
„Was hilft es, endlos zu disku- und lamentieren? Man muss den Text anpacken - und unerschrocken übersetzen.“ Das tut das Blatt auf vier Seiten. - Bild: UEPO

Kaum haben sich die Wogen um die Übersetzung von Amanda Gormans Inaugurations-Gedicht The Hill We Climb halbwegs geglättet, kommt jetzt auch noch das Satiremagazin Titanic mit eigenen Übersetzungsversuchen um die Ecke.

Unter der Überschrift „Wir lassen uns das Übersetzen nicht verbieten!“ vergreifen sich die Redakteure im Mai-Heft der Monatszeitschrift an dem inzwischen weltbekannten Text der amerikanischen Spoken-Word-Künstlerin und Stil-Ikone.

Zwar kommt bei diesem Experiment wie zu erwarten oft nur kalauernder Pennälerhumor zum Vorschein, wenn zum Beispiel „conditions of man“ mit „Haarspülung für Männer“ übersetzt wird. Doch vereinzelt finden sich Stellen, die auch Berufsübersetzern oder lyrisch Interessierten ein Schmunzeln zu entlocken vermögen.

Nicht wie bei Hanser drei, sondern acht Übersetzer

Der Hanser Verlag hat zur Übersetzung ins Deutsche bekanntlich ein dreiköpfiges Kollektiv angeheuert: eine Übersetzerin und zwei Expertinnen für Diskriminierungserfahrungen.

Diese Vorgabe wird von der Titanic locker überboten. Gleich acht Laienübersetzer haben die Verse unter sich aufgeteilt. Zwei von ihnen geben freimütig zu, Google Translate benutzt zu haben.

Reim komm raus, du bist umzingelt!

Die Redaktion ist in Frankfurt am Main ansässig, und so erfolgt der Einstieg mit hessischem Gereime à la Heinz Schenk:

When day comes, we ask ourselves, Am Morsche müsse mer uns fraache:
where can we find light in this never-ending shade? Wo es des Licht im dustern Taache?
The loss we carry, Mer schleppe e Värlust mit rum
a sea we must wade. Im Meer wedd uns dä Rügge krumm
We’ve braved the belly of the beast. Den Wamb vum Viesch ham wir gemiede
We’ve learned that quiet isn’t always peace. Abbä Ruu is net gleisch Friede!
And the norms and notions Wenn des Unrescht daa verendet,
of what just is, isn’t always justice. Heißt’s net, dasses aach fair endet.

„Verendet“ – „fair endet“? Ja, das hat was. Und „Ruu is net gleisch Friede“ könnte auch als Inschrift am Frankfurter Römer prangen, dem Rathaus der Stadt.

Neben inhaltlichen Veralberungen wie …

where a skinny Black girl Wo ein dünnes Schwarzes Mädchen,
[…] […]
can dream of becoming president Davon träumen kann, einen Präsidenten abzubekommen,
only to find herself reciting for one. Wenn es sich nur selbst findet und ein Gedicht für ihn aufsagt.

… fällt vor allem der Hang zum Reimen auf, auch wenn dadurch mal eine Zeile mehr entsteht:

If we merged mercy with might, Vermischen wir Barmherzigkeit mit Macht
and might with mercy, Und lassen das Recht nicht außer acht,
then love becomes our legacy, Wär das, was uns hinterbliebe,
[…] Nichts als Liebe!

Oder:

So let us leave behind a country So lasst uns ein Land hinterlassen,
better than the one we were left with Das wir weit weniger hassen

Eine Strophe wurde gar in die Sprache der Emojis übersetzt:

Titanic, Gorman, Emojis
Bild: UEPO

Was darf Satire? Alles. – In diesem Sinne begrüßen wir auch den Ausflug der Titanic-Truppe in die Welt der Übersetzung.

Martin Sonneborn, Titanic
Dass auch aus Titanic-Redakteuren noch etwas werden kann, bewies Martin Sonneborn als ehemalige Chef des Blatts mit seinem Einzug ins Europaparlament. Hier ist er am Titanic-Stand auf der Frankfurter Buchmesse 2019 zu sehen. – Bild: Richard Schneider

Richard Schneider