Frei von der Leber weg reden – dieses Markenzeichen hat Elke Heidenreich (78) in Rundfunk und Fernsehen bekannt und beliebt gemacht. Und so platzte es auch regelrecht aus ihr heraus, als die Autorin und Literaturkritikerin in einem Podcast eher beiläufig auf das Thema Gendern angesprochen wurde:
Grau-en-haft! Wenn ich das schon höre, diese Sprache. […] Das ist alles ein verlogener Scheißdreck. Das kann ich überhaupt nicht haben, dass man die Sprache so verhunzt, dass man jetzt „Künstler*innen“ sagt. […]
Ich kann es auf den Tod nicht leiden, die Sprache so zu verhunzen. […] Wenn ich sage „Künstler“, meine ich alle Künstler, die Künstler sind – auch die Frauen. Dieses feministische Getue in der Sprache geht mir furchtbar gegen den Strich. […]
Ich finde das ganz schrecklich. Ich bin vehement dagegen und lade gerne den Zorn der ganzen Nation dafür auf mich. Das ist mir vollkommen egal. Ich werde das niemals sagen und werde diese Sprachverhunzung nicht mitmachen. […]
Das ist doch alles hysterisch, was da jetzt passiert. Also ich finde, wir leben in sehr hysterischen Zeiten.
„Literatur nachträglich bereinigen geht gar nicht“
Zur inzwischen routinemäßigen Zensur von Kinderbuch-Klassikern wie Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf, wo unter anderem das Wort „Negerkönig“ durch „Südseekönig“ ersetzt wurde, meint sie:
Literatur nachträglich bereinigen geht gar nicht. […] Man kann jedem Kind erklären: Das sagt man heute nicht mehr. […] Aber ein Kinderbuch zu verändern und das alles rauszustreichen? […] Mir stehen da die Haare zu Berge, bei nachträglicher Klitterung. Dass man das heute nicht mehr schreiben würde, ist doch selbstverständlich. […]
Bücher sind ein in sich geschlossenes Kunstwerk. […] Da reicht ein neues Vorwort, um dem Kind eine Erklärung zu geben. Ansonsten belässt man das Buch im Original.
„Ich hatte es immer leicht, weil ich eine Frau war“
Obwohl Heidenreich im Verlauf ihrer Fernseh-, Rundfunk-, Kabarett- und Literaturkarriere vom Publikum immer auch als fröhliche Vorkämpferin für die Sache der Frau betrachtet wurde, nimmt sie das Etikett „Feministin“ nicht für sich in Anspruch.
Frage der Moderatorin: „Wie war es denn in Ihrem eigenen Leben? Gabs da gläserne Decken, an die Sie gestoßen sind, Situationen wo Sie das Gefühl hatten, wenn ich ein Mann wäre, hätte ich es jetzt leichter?“
Nä, nie. Im Gegenteil: Ich hatte es immer leicht, weil ich eine Frau war. Bei SWF3 [heute SWR3] bin ich sofort reingerutscht, weil da lauter Männer waren – die brauchten eine Frau.
Bei der Gelegenheit führt sie auch aus, dass sie von einer Frauenquote nichts hält:
Ich bin auch gar kein Freund der Quote. […] Es geht nach Qualifikation und nicht nach Geschlecht. Wenn einer besser ist, ist er besser.
Randbemerkungen im Podcast des Kölner Stadt-Anzeigers
Heidenreichs Äußerungen über das Gendern riefen ein breites Medienecho hervor. In dem am 1. Juni 2021 veröffentlichten Podcast des Kölner Stadt-Anzeigers spielt das Gendern aber nur eine Nebenrolle. Hauptsächlich geht es in dem 50-minütigen Gespräch um die lit.COLOGNE, die Kölner Kulturpolitik, das Corona-Jahr, um Frauen als Autorinnen und Heidenreichs neues Buch Männer in Kamelhaarmänteln – Kurze Geschichten über Kleider.
Weiterführender Link
- Kölner Stadt-Anzeiger: Podcast „Talk mit K“, Folge 64 „Warum ist Köln verschlampt und planlos, Elke Heidenreich?“
Richard Schneider