Thüringen startet Impfkampagne in neun Sprachen, um Migranten zu erreichen

„Jede und jeder soll wissen, warum und vor allem wie er sich gegen Covid-19 impfen lassen kann – egal, welche Sprache er oder sie spricht!“, so Annett Roswora bei der gemeinsamen Vorstellung der Aktion mit Thüringens Migrationsminister Dirk Adams. - Bild: TMMJV

Mit Postern, Faltblättern und Postkarten in neun Fremdsprachen will Annett Roswora, geschäftsführende Thüringer Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge, alle diejenigen auf das Impfangebot des Landes aufmerksam machen, die nicht hinreichend die deutsche Sprache beherrschen.

Die ausgewählten Fremdsprachen sind Englisch, Französisch, Türkisch, Arabisch, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Farsi und Tigrinisch. Zurzeit liegen aber erst die Fassungen für die polnische, rumänische und russische Sprache vor.

Roswora erklärt:

Beim Impfen gilt: Je mehr mitmachen, desto mehr hilft’s! Dabei dürfen Herkunft und Sprache keine Hürden darstellen. Jetzt kommt es darauf an, mit Kreativität und vollem Einsatz alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen und einzubinden.

Bei manchen Zugewanderten und insbesondere in Gemeinschaftsunterkünften bestehe ein großer Aufklärungsbedarf über die Impfstoffe. „Dabei geht es auch darum, Vertrauen zu fördern und teilweise wilden und angstmachenden Gerüchten entgegenzuwirken“, so die Beauftragte.

„Wichtig ist, dass diese Impf-Informationen ihre Zielgruppen erreichen“, so Roswora. Damit dies gelingt, habe ihr Büro landesweit alle Aktiven in der Integrationsarbeit eingeladen, als Verteilstellen zu fungieren. Die Rückmeldungen auf das Unterstützungsgesuch seien „überwältigend“ gewesen. Demnach sind in den letzten Tagen schon rund 10.0000 Postkarten und 400 Poster bestellt worden, und zwar von orientalischen Lebensmittelgeschäften über Ausländerbehörden bis hin zu Sportvereinen.

Zwar lägen online bereits gute Informationen vor, auch in übersetzter Form. Die entscheidende Frage aber laute: Wie kommt man in Thüringen an eine Impfung? „Und genau diese Frage beantworten wir mit der Kampagne – neben allgemeineren Fakten zur Corona-Schutzimpfung“, so Roswora.

Auch Dirk Adams (Bündnis 90/Die Grünen), Thüringens Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, unterstützt die Aktion:

Impfen ist vernünftig. Mit einem kleinen Aufwand können wir einen großen Effekt erzielen und so einer möglichen vierten Welle besser begegnen. Die aktuellen Impfzahlen zeigen, dass wir weiter dafür werben müssen – in allen Bevölkerungsgruppen.

Daher freue ich mich sehr, dass wir nun auch die Sprachbarriere verringern können. Ich hoffe, die Kampagne trifft auf große Resonanz, sodass wir alle wieder ein Stück mehr vor Corona geschützt sind.

Roswora und Adams weisen interessierte Kommunen darauf hin, dass für die Finanzierung von Sprachmittlern im Zusammenhang mit der Impfkampagne das Corona-Sondervermögen in Anspruch genommen werden kann.

Thüringen Impfkampagne Poster Fremdsprachen
Dieses Poster sowie Faltblätter und Postkarten können Behörden, Organisationen und Ladengeschäfte anfordern, um Migranten auf das Impfangebot aufmerksam zu machen. – Bild: TMMJV

Geringe Impfbereitschaft besteht nicht wegen Sprachbarriere

Die Impfbereitschaft unter Migranten fällt im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung signifikant geringer aus. So hat der Kanton Basel-Stadt im Juli 2021 berichtet, deren Impfquote sei „nur halb so hoch“.

Praktiker in der Flüchtlingshilfe, die im Gegensatz zu den Politikern täglich in Kontakt mit Migranten sind, halten die Sprachbarriere aber nicht für die entscheidende Ursache.

Zwar erreiche man Migranten, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, nicht über die üblichen Kanäle wie etwa Fernsehen, Rundfunk, Zeitschriften und Lokalzeitungen. Aber auch in den Medien der Herkunftsländer, die per Internet auch in Deutschland verfolgt würden, sei Corona seit mehr als einem Jahr Thema Nummer 1. Es liege also nicht daran, dass die Leute nicht über die Entwicklung der Pandemie informiert seien.

Die Gründe für die Verweigerungshaltung beim Impfen und die Nichtbeachtung der Hygieneregeln lägen vielmehr in einem aus dem Herkunftsland mitgebrachten tiefen Misstrauen gegenüber allen staatlichen Institutionen und auch gegenüber der Medizin. Handlungsanweisungen und Vorschriften dieser Stellen würden allenfalls als Empfehlung betrachtet, die es stets kritisch zu hinterfragen und nur dann zu befolgen gelte, wenn Sanktionen drohten.

Hinzu komme ein übergroßes Gottvertrauen, dass man – auch angesichts des insgesamt geringen Risikos zu erkranken – jung, fit und stark genug sei, eine Infektion unbeschadet zu überstehen.

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TMMJV, rs