Gendern: CSU-Parteitag spricht sich gegen „gendermoralistische Sprachakrobatik“ aus

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Der 87. Parteitag der Christlich-Sozialen Union vom 10. bis 11. September 2021 in Nürnberg beschäftigte sich auch mit vier sprachpolitischen Anträgen zum Gendern.

Drei wurden zur weiteren Beratung an den nächsten Parteitag bzw. an Parteiausschüsse überwiesen, einer wurde mit überwältigender Mehrheit von mehr als 96 Prozent angenommen.

Darin heißt es kurz und knapp: „Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass staatliche Behörden, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, sowie Schulen und Universitäten die deutsche Rechtschreibung nach den seit jeher bekannten und bewährten Vorgaben des deutschen Rechtschreibrates befolgen.“

Zur Begründung hatte der Vorsitzende der Jungen Union in Bayern, Christian Doleschal, geschrieben, die „politisch indoktrinierten, künstlichen Auswüchse gendermoralistischer Sprachakrobatik“ seien abzulehnen, solange diese „von einzelnen staatlichen Institutionen oder öffentlich finanzierten Medienanstalten der Gesellschaft auferlegt werden und sich nicht durch den Sprachgebrauch der Gesellschaft von unten nach oben durchsetzen“.

Bereits zuvor hatte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder Bemühungen der Grünen heftig kritisiert, das Gendern durch Erlass entsprechender Regelwerke verpflichtend vorzuschreiben:

Die Belehrungs- und Umerziehungsmoral hat bei den Grünen Überhand genommen. Wir akzeptieren kein Gender-Gesetz und keine Genderstrafzettel. Wir sind ein Freistaat und kein Umerziehungsstaat.

Nachfolgend der Wortlaut der Anträge laut Beschlussbuch des Parteitags.

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Antrag-Nr. C 14: „Keine Sprachvorschrift von oben!“

Antragsteller: JU Bayern, Christian Doleschal, MdEP, Konrad Körner
Beschluss: Zustimmung

Der Parteitag möge beschließen:

Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass staatliche Behörden, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, sowie Schulen und Universitäten die deutsche Rechtschreibung nach den seit jeher bekannten und bewährten Vorgaben des deutschen Rechtschreibrates befolgen.

Begründung:

Der Kampf um die Sprache ist die wesentliche Form der geistigen Selbstbehauptung. Für eine freie Gesellschaft ist es hierbei entscheidend, dass Sprache sich von unten nach oben bildet und innerhalb der Gesellschaft frei verhandelt wird.

Die politisch indoktrinierten, künstlichen Auswüchse gendermoralistischer Sprachakrobatik sind abzulehnen, solange diese von einzelnen staatlichen Institutionen oder öffentlich finanzierten Medienanstalten der Gesellschaft auferlegt werden und sich nicht durch den Sprachgebrauch der Gesellschaft von unten nach oben durchsetzen. So werden Lesbarkeit und Verständlichkeit – zusätzlich zum bereits sehr bürokratisierten Sprachgebrauch – weiter eingeschränkt.

Zweck von Sprache ist die unmissverständliche Kommunikation mit dem Bürger, nicht der Ausdruck identitätspolitischer Weltanschauungen. Gerade Sprachverrenkungen durch den seltsamen Genderstern, das Binnen-I oder dergleichen sind nicht durchzuhalten: Man stelle sich vor, die Bürgermeisterin würde zukünftig zur „BürgerInnenmeisterIn“.

Wir möchten darauf hinwirken, die deutsche Sprache ihrer natürlichen Entwicklung zu überlassen und frei von politisch-motivierten Zwängen zu halten, die von einer Mehrheit der Gesellschaft zum jetzigen Zeitpunkt abgelehnt wird.

Antrag-Nr. C 15: „Sprachliche Gleichstellung der Geschlechter sowie Bekämpfung geschlechterbezogener Stereotype, Affekte und Verhaltensweisen“

Antragsteller: Prof. Dr. Holm Putzke
Beschluss: Überweisung an den nächsten Parteitag bzw. Parteiausschuss

Der Parteitag möge beschließen:

Die CSU lehnt die – vor allem von der feministischen Linguistik formulierte – Sprachkritik an der Verwendung des generischen Maskulinums bei Personen‐ und Berufsbezeichnungen als nicht evidenzbasiert und rein identitätspolitisch geprägt ab und setzt sich dafür ein, dass in Gesetzen, Rechtsverordnungen und sonstigen offiziellen Texten das generische Maskulinum verwendet wird. Gleichzeitig tritt die CSU weiterhin mit Nachdruck dafür ein, dass geschlechtsbezogene Stereotype, Affekte und Verhaltensweisen, die einen ungleichen sozialen Status von unterschiedlichen Geschlechtern zur Folge haben, nicht entstehen und abgebaut werden.

Begründung:

Der Antrag lag dem Parteitag bereits vor. Gefasst wurde damals ein Verweisungsbeschluss. Wie die aktuelle Debatte um die „Genderideologie“ deutlich zeigt, ist eine Verweisung an die Mandatsträger nicht ausreichend. Die Mandatsträger brauchen Rückendeckung der Mitglieder des Parteitags durch einen klaren Beschluss. Die seit Jahrzehnten vor allem ideologisch geführte Debatte um eine sogenannte geschlechtergerechte Sprache hat gerade vor der Bundestagswahl nochmals an Fahrt aufgenommen.

Während sowohl das Bundesarbeitsgericht als auch der Bundesgerichtshof es 2017 bzw. 2018 zu Recht abgelehnt haben, die Verwendung des generischen Maskulinums als diskriminierend anzusehen, hat im Juli 2020 die Sächsische Staatsregierung beschlossen, künftig Gesetze und Rechtsverordnungen in einer angeblich „geschlechtergerechten Sprache“ zu formulieren.

Nach dem allgemein üblichen Sprachgebrauch und Sprachverständnis umfasst der Bedeutungsgehalt einer grammatisch männlichen Personenbezeichnung (generisches Maskulinum) jedes natürliche Geschlecht. Das generische Maskulinum ist eine in der Sprache tief verankerte, elegante und leistungsstarke Möglichkeit zur Vermeidung von Diskriminierung (vgl. etwa Eisenberg, in: Der Tagesspiegel v. 8.8.2018). Ein Verkäufer, Kindererzieher, Handwerker, Arzt, Polizist, Politiker, Professor oder Geburtshelfer umfasst grammatisch jedes biologische Geschlecht. Die These einer intrinsischen Benachteiligung der Frau durch die Verwendung des generischen Maskulinums ist und bleibt eine bloße Behauptung, wofür sich auf Basis einer evidenzbasierten Wissenschaft keine überzeugenden Belege finden lassen (siehe dazu etwa Kowalski, in: Neue Juristische Wochenschrift 2020, S. 2229 ff.). Die Ursachen für Geschlechtsrollenstereotype liegen nicht in der Grammatik, sondern in weitaus tieferen Schichten der durch die Kultur zugerichteten Kognition.

So richtig es einerseits ist, ein solches Sprachdiktat und den damit verbundenen Aktionismus abzulehnen, so wichtig ist es andererseits, deutlich dafür einzutreten, dass geschlechtsbezogene Stereotype, Affekte und Verhaltensweisen, die einen ungleichen sozialen Status von unterschiedlichen Geschlechtern zur Folge haben, nicht entstehen und abgebaut werden.

Antrag-Nr. C 16: „Die Verballhornung der Sprache mit überflüssigen Gender-Formulierungen verhindern“

Antragsteller: Dr. Reinhold Babor
Beschluss: Überweisung an den nächsten Parteitag bzw. Parteiausschuss

Der Parteitag möge beschließen:

Die krampfhafte Wortwahl der Gender-Sprache hat in Behörden und in Bildungseinrichtungen zu unterbleiben.

Begründung:

Es ist schwer verständlich, dass sogar Lehrstühle an den Universitäten sich damit beschäftigen, Wörter der Sprache auf ihre geschlechtergerechte Bedeutung zu untersuchen und daraus zu neuen, geradezu absurden Wortschöpfungen gelangen mit Schrägstrich-Schreibweisen, Binnen-I, Genderzeichen, Gendersternchen und Gender-Doppelpunkt oder Studierende statt Studentinnen und Studenten.

Es ist wenig erfreulich, welchen Einflüssen die Sprache ausgesetzt ist. Dazu noch der Überfluss an Anglizismen, die weit über das notwendige Maß der Digitalisierung hinausgehen. Dann soll einen ein schlechtes Gewissen überkommen, wenn über Jahrzehnte unbelastete Wörter benutzt werden wie Negerküsse, Mohrenkopf oder Zigeunerschnitzel, alles angenehme Speisen, bei deren Verzehr nichts Böses gedacht wird.

Der deutsche Wortschatz hat alle Möglichkeiten und kommt ohne Hereinnahme von überflüssigen Anglizismen und ohne unsinnige Gender-Formulierungen aus. Und es ist nun einmal Grundsatz der deutschen Sprache, dass weibliche Berufsbezeichnungen in der Regel mit -in gebildet werden.

Antrag-Nr. C 17: „‚Gendern‘ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“

Antragsteller: Prof. Dr. Holm Putzke
Überweisung an den nächsten Parteitag bzw. Parteiausschuss

Der Parteitag möge beschließen:

Die CSU lehnt das vermeintlich geschlechtergerechte Gendern in den Programmen der öffentlich‐rechtlichen Rundfunkanstalten ab und fordert die Programmverantwortlichen auf, von der ideologischen Gendersprache Abstand und damit auch Rücksicht zu nehmen auf den Umstand, dass die übergroße Mehrheit der Zuschauer und ‐hörer die Gendersprache ablehnt.

Begründung:

Die angeblich diskriminierungsfreie Sprache ist weder geschlechtersensibel noch geschlechtergerecht, sondern – wie kürzlich auch die taz schrieb – „nicht nur antifeministisch und sexistisch, sie ist auch diskriminierend.“ Geschlechtergerecht ist allein das generische Maskulinum. Die These einer intrinsischen Benachteiligung der Frau durch die Verwendung des generischen Maskulinums ist und bleibt eine bloße Behauptung, wofür sich auf Basis einer evidenzbasierten Wissenschaft keine überzeugenden Belege finden lassen (siehe dazu etwa Kowalski, in: Neue Juristische Wochenschrift 2020, S. 2229 ff.).

Die Ursachen für Geschlechtsrollenstereotype liegen nicht in der Grammatik, sondern in weitaus tieferen Schichten der durch die Kultur zugerichteten Kognition. Den Befürwortern der Verwendung des generischen Maskulinums als Ausdruck geschlechtergerechter und ‐sensibler Sprache geht es nicht nur um die Verständlichkeit der Sprache, sondern auch um den Verlust von Abstraktions‐ und Denkfähigkeit (Stichwort: Hermeneutik) sowie die Abschaffung von Sexismus.

Denn wer einmal die ideologische Gender‐Brille absetzt, wird einräumen müssen, dass es sexistisch ist, das oder die biologische(n) Geschlecht(er) extra hervorzuheben. Das generische Maskulinum ist eine Abstraktion. Begriffe wie Pilot, Forscher, Arzt, Lehrer, Professor, Koch kennzeichnen eine bestimmte Kompetenz; das Geschlecht der Person, die ein Flugzeug fliegt, die forscht, heilt, lehrt oder ein Auto fährt, ist dabei ohne Belang. Wird ein Leser nun dazu gezwungen, sich mit dem Geschlecht des Piloten auseinanderzusetzen („Pilot oder Pilotin“, Pilot:in), ist das sexistisch.

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Richard Schneider