Corona-Krise: Ein Drittel der Selbstständigen hat Einkommen eingebüßt, besonders Frauen

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Die Corona-Pandemie ist angesichts von Kurzarbeit und Jobverlusten auch finanziell eine schwierige Zeit für viele Arbeitnehmer. Noch schlimmer hat es zum Teil die Selbstständigen erwischt, wie eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zeigt. Mehr als ein Drittel von ihnen hat im Verlauf der Krise Einkommen eingebüßt.

Der Anteil der Selbstständigen, die sich Sorgen um ihre Beschäftigung und wirtschaftliche Existenz machen, liegt um rund 50 Prozent höher als unter abhängig Beschäftigten, ergibt die Untersuchung von PD Dr. Karin Schulze Buschoff und Dr. Helge Emmler. Insbesondere Solo-Selbstständige, die ohnehin oft unter prekären Bedingungen arbeiten, habe die Krise schwer belastet.

Mangel an sozialer Absicherung für Selbstständige schwerwiegend und folgenreich

„Die Erfahrung mit der Pandemie verdeutlicht, dass der Mangel an sozialer Absicherung für Selbstständige eine schwerwiegende und folgenreiche Lücke in den Sozialversicherungssystemen darstellt“, heißt es in der Studie. Um diese Lücke zu schließen, sollten Selbstständige möglichst umfassend in die obligatorischen staatlichen Versicherungssysteme einbezogen werden.

Daten von 1.558 Selbstständigen ausgewertet

Schulze Buschoff und Emmler haben Daten der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet, für die zuletzt im Juli 2021 gut 5.000 Erwerbstätige und Arbeitssuchende interviewt worden sind. Dank gezielter Aufstockung der Stichprobe standen Angaben von insgesamt 1.350 Selbstständigen zur aktuellen Situation zur Verfügung. Zusätzlich wurden die Aussagen von 208 Selbstständigen berücksichtigt, die an allen fünf Befragungswellen seit April 2020 teilgenommen haben.

Die befragten Selbstständigen weisen soziodemografisch einige Besonderheiten auf: Sie sind im Schnitt älter als der Rest der Stichprobe, mehrheitlich Männer und haben häufiger Abitur oder einen Hochschulabschluss. 55 Prozent sind Solo-Selbstständige, haben also keine Mitarbeiter, 14 Prozent sind zusätzlich auch abhängig beschäftigt.

Corona-Einschränkungen führten zu spürbar weniger Aufträgen

Ein Drittel hat den zeitlichen Umfang der Selbstständigkeit in der Corona-Krise reduziert. Verantwortlich dafür machen über 40 Prozent der Betroffenen „betriebliche Gründe“, also zum Beispiel Auftragseinbrüche oder Lieferengpässe. Zwei Drittel derjenigen, die ihre selbstständige Tätigkeit zurückgefahren haben, führen gesetzliche Vorgaben aufgrund der Corona-Pandemie an.

Das heißt: Mehr als jeder fünfte Selbstständige musste wegen Corona-bedingter Einschränkungen seine Tätigkeit reduzieren. Demgegenüber blieb bei 55 Prozent der zeitliche Umfang ihrer Tätigkeit unverändert, 13 Prozent berichten von mehr Arbeit.

Unter den befragten Selbstständigen gaben im April 2020 33 Prozent und im Juli 2021 noch 21 Prozent an, „zeitlich spürbar weniger“ als vor der Pandemie gearbeitet haben – deutlich mehr als unter abhängig Beschäftigten.

Die Arbeitszeiten sind insbesondere bei den Solo-Selbstständigen zum Teil massiv eingebrochen: Im Schnitt kamen diese im Frühjahr 2020 nur noch auf zwei Drittel ihres üblichen Pensums.

Aktuell liegen sie mit durchschnittlich 31,9 Wochenstunden weiterhin weit unter dem Vorkrisenniveau von 37,7 Stunden, während sich die Arbeitszeiten bei den anderen Befragten im Mittel wieder weitgehend normalisiert haben.

Sorgen um wirtschaftliche Existenz und finanzielle Belastung

Seit Beginn der Krise machen sich Selbstständige durchgehend häufiger Sorgen um ihre eigene Beschäftigung und ihre wirtschaftliche Existenz: Im April 2020 betrug der Anteil 35 Prozent, zuletzt waren es 19 Prozent, im Vergleich zu 22 und 12 Prozent bei den abhängig Beschäftigten. Die Selbstständigen nehmen ihre Arbeitssituation auch deutlich häufiger als äußerst oder stark belastend wahr. Finanziell stark belastet fühlten sich vor allem die Solo-Selbstständigen: im Frühjahr 2020 zu 44 Prozent, im Juli 2021 zu 27 Prozent. Bei den Arbeitnehmern waren 22 beziehungsweise 15 Prozent betroffen.

Anteil Niedrigeinkommen verdoppelt, besonders bei solo-selbstständigen Frauen

Dass sich die Corona-Krise negativ auf das Einkommen ausgewirkt hat, bejahen 21 Prozent der abhängig Beschäftigten und 37 Prozent der Selbstständigen. Unter den Solo-Selbstständigen sind es sogar 44 Prozent. Auf eigene Ersparnisse zurückgreifen mussten 41 Prozent von ihnen, im Vergleich zu 22 Prozent der abhängig Beschäftigten.

Anteil derjenigen mit weniger als 1.500 Euro netto im Monat hat sich verdoppelt

Während sich an der Einkommensverteilung bei den Arbeitnehmern wenig verändert hat, ist bei den Selbstständigen eine klare Verschiebung nach unten festzustellen: Der Anteil derjenigen mit weniger als 1.500 Euro netto im Monat hat sich verdoppelt. Am stärksten betroffen sind hier solo-selbstständige Frauen, von denen aktuell 33 Prozent weniger als 1.500 Euro verdienen. Von den solo-selbstständigen Männern fallen 18 Prozent in diese Kategorie.

Altersvorsorgepflicht und Krankenversicherungsbeiträgen nach Einkommen

Die Ergebnisse zeigten, dass die Corona-Krise die sozialen Nöte vieler Solo-Selbstständiger weiter verschärft hat, stellen Schulze Buschoff und Emmler fest. Um diese Nöte zu lindern, plädieren sie dafür, eine „sozialversicherungsrechtliche Gleichbehandlung von Selbstständigen und abhängig Beschäftigten“ anzustreben. Konkret sei eine allgemeine Altersvorsorgepflicht dringend nötig, und zwar in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der fehlende Arbeitgeberanteil bei Selbstständigen lasse sich zum Teil durch Zuschüsse aus Steuermitteln kompensieren.

Bei der Krankenversicherung brauche es Beiträge, die sich am realen Einkommen orientieren. Im Hinblick auf die Arbeitslosenversicherung wäre nicht nur eine weitere Öffnung für Selbstständige wünschenswert, sondern eine Versicherungspflicht, um eine „negative Risikoselektion zulasten der Versicherungsgemeinschaft“ zu verhindern.

Tarifverträge für Solo-Selbstständige?

Auch Tarifverträge für Solo-Selbstständige halten die WSI-Forscher für sinnvoll. Sie verweisen auf die in der Medien- und Kulturbranche geltende Regelung, die Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen vorsieht, deren Einkommen zu mindestens einem Drittel von einem Auftraggeber stammt. Diese Regelung könnte auf andere Branchen wie zum Beispiel den Bereich berufliche Bildung ausgeweitet werden.

Im europäischen Recht sollte ein Recht auf Tarifverhandlungen festgeschrieben werden, das allen Erwerbstätigen zusteht, einschließlich Plattformbeschäftigten und Selbstständigen.

WSI