Vom Stammtisch zum Verein im Literaturhaus: Münchner Übersetzer-Forum feiert 25-jähriges Bestehen

MÜF-Mitglieder präsentieren sich im April 2020 mit einem von ihnen übersetzten Buch. Mit der internationalen Social-Media-Aktion „Behind every book“ sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass hinter Büchern (und Übersetzungen) Menschen stehen. - Bild: MÜF, privat

München ist Verlagsstadt, Wirkungsstätte großer Literaten, aber was kaum jemand weiß, auch eine Hochburg der Literaturübersetzer. Dabei handelt es sich zumeist um Soloselbständige, die allein in ihrer Schreibstube tüfteln und von den Verlagen beauftragt werden, fremdsprachige Literatur ins Deutsche bzw. ihre jeweilige Muttersprache zu übersetzen. Ein recht einsamer Beruf.

Doch glücklicherweise gibt es Institutionen wie das Münchner Übersetzer-Forum (MÜF), ein Verein, der inzwischen 175 Übersetzer von Belletristik, Kinder- und Jugendbüchern, Sachbüchern, Hörfunk, Theater und Film beherbergt, die aus dem Englischen, Französischen, Italienischen, Spanischen, Katalanischen, Portugiesischen, Niederländischen, Dänischen, Norwegischen, Schwedischen, Finnischen, Isländischen, Estnischen, Ungarischen, Slowenischen, Tschechischen, Russischen, Arabischen und Chinesischen übersetzen.

Anfänge 1974 als Stammtisch

Was 1974 als loser Stammtisch begann, etablierte sich schon bald als festes Treffen der Übersetzer aus München und dem Umland. Anfang der 1990er-Jahre entstand der Wunsch, sich nicht nur zum Plausch zu treffen, sondern auch berufsrelevante Themen zu besprechen.

Die Idee fand großen Anklang und nicht zuletzt dank der Initiative von MÜF-Aktivisten der ersten Stunde wie Burkhart Kroeber, Josef Winiger, Rosemarie Tietze, Rudolf Hermstein und Regina Rawlinson traf sich bald eine Handvoll Kollegen und Kolleginnen einmal im Monat in dem von der Stadt München bereitgestellten Kaminzimmer des Hildebrandhauses, der heutigen „Monacensia“. Ein vorübergehendes Domizil, soviel war klar.

Neue Heimat im Literaturhaus München

Wie es der glückliche Zufall wollte, sollten die Literaturübersetzer im neu eröffneten Literaturhaus München eine feste Heimat finden. Reinhard Wittmann, der es inhaltlich konzipierte und von 1996 bis 2016 führte, bis Tanja Graf die Leitung übernahm, bot an, die Arbeitstreffen dorthin zu verlagern. Unter einer Bedingung: Er bräuchte eine juristische Person als Gegenüber.

Mit anderen Worten: Es musste ein Verein gegründet werden. Ein paar Übersetzerinnen und Übersetzer nahmen sich dieser Aufgabe an und erwirkten die Gemeinnützigkeit.

Seit 1996 ist das MÜF ein gemeinnütziger Verein

Und so kam am 7. Oktober 1996 erstmals das neugegründete Münchner Übersetzer-Forum zusammen, das bis heute eine enge Partnerschaft zum Literaturhaus pflegt.

Einmal im Monat organisiert der Verein eine Veranstaltung, darunter weiterbildende und anderweitig berufsrelevante Workshops für die Mitglieder oder auch Lesungen für die Öffentlichkeit. Darüber hinaus findet am ersten Dienstag jedes Monats ein Stammtisch statt.

Geleitet wird das MÜF von einem ehrenamtlichen Vorstand, dem heute Tanja Handels vorsteht. Sie folgte auf Regina Rawlinson, nachdem diese über 15 Jahre lang die Geschichte des Vereins prägte.

Online-Veranstaltungen erweitern Kreis der Mitglieder und Interessenten

Während der Corona-Pandemie konnte der Verein durch Online-Veranstaltungen seinen Mitgliederkreis auf das gesamte Bundesgebiet ausdehnen – inzwischen sitzen einige MÜF-Mitglieder in Marburg, Berlin und sogar Palermo.

Vorstand MÜF
Der aktuelle MÜF-Vorstand. Obere Reihe: Tanja Handels, Jan Schönherr, Felix Mayer. Unten: Alexandra Baisch, Janine Malz, Andrea O’Brien. – Bild: MÜF, privat

Lebendiger und stetig wachsender Ort des Austauschs

Nach Eindruck der Vereinsvorsitzenden Tanja Handels hat sich das MÜF in der literarischen Szene der Stadt München im Lauf der Jahrzehnte immer mehr zu einer festen Größe entwickelt:

Unglaublich, dass es das Münchner Übersetzer-Forum nun schon seit einem Vierteljahrhundert gibt – als lebendigen und stetig wachsenden Ort des Austauschs unter Literaturübersetzer*innen ebenso wie als Institution, die dem Publikum unseren Beruf näherbringt und zur Sichtbarkeit der ganzen Zunft beiträgt.

Situation in München ist ein Glücksfall

In der Tat ist die Situation an der Isar mit einem eingetragenen Verein unter dem Dach des Literaturhauses ein Glücksfall, wie er etwa auch in Wien besteht. Die in der Region lebenden Literaturübersetzer haben auf diese Weise sowohl eine Anlaufstelle als auch eine berufliche Vertretung. Und auch Außenstehende, wie etwa Behörden, Unternehmen und Organisationen wissen, an wen sie sich zu wenden haben, wenn sie etwas für die Branche tun möchten oder Kooperationspartner suchen.

Andere Regionen – wie etwa das Rheinland – können davon nur träumen. In Düsseldorf gibt es ebenso wie in München einen Studiengang Literaturübersetzen. In den Literaturhäusern von Köln und Düsseldorf spielen Übersetzer aber nur hin und wieder eher zufällig eine Rolle. Und beim Literaturfestival lit.Cologne ist das Übersetzen traditionell und grundsätzlich kein Thema.

Das dürfte zu einem guten Teil auch daran liegen, dass sich die Szene am Rhein nur privat trifft, aber nicht institutionalisiert und damit auch nicht sichtbar ist.

Weiterführender Link

  • Ausführliche Informationen zum Verein und das MÜF-Blog finden Sie unter www.müf.de.

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