Ausstellung in Leipzig: Übersetzte Religion – Im Dickicht der wahren Worte

Übersetzte Religion
Manche Schriftzeugnisse aus der Übersetzungsgeschichte der Religionen sind nur fragmentarisch erhalten. - Bild: Thomas Kademann
Übersetzte Religion
Das Plakat zur Ausstellung wurde von Carla Selva und Paul Zech gestaltet.

Religionsgeschichte ist immer auch Übersetzungsgeschichte. Das zeigt eine Ausstellung in der Leipziger Universitätsbibliothek, die zu den ältesten Bibliotheken Deutschlands gehört. In der Bibliotheca Albertina wird anhand besonderer Schriftstücke anschaulich die Übersetzungsarbeit an religiösen Texten aus zwei Jahrtausenden veranschaulicht.

Die Geschichte der Suche nach Urtexten der Bibel ist ebenso Thema wie der Einfluss der wissenschaftlichen Übersetzung auf die Religion, etwa auf das Yezidentum im Irak.

Die Ausstellung ist vom 8. Oktober 2021 bis 13. Februar 2022 zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Ausstellung "Übersetzte Religion"
In der Ausstellung werden zahlreiche Exponate zur Übersetzungsgeschichte religiöser Texte gezeigt. Dazu gehört nicht nur die Bibel. – Bild: Thomas Kademann

Kulturzeugnisse aus zweitausend Jahren

Ein Pergamentstreifen mit Gebeten für einen mehrsprachigen Gottesdienst aus Ägypten, eine mittelalterliche Handschrift mit Worterklärungen zur Bibel auf Altfranzösisch in hebräischer Schrift und ein arabischsprachiges Wörterbuch eines shiitischen Gelehrten des 10. Jahrhunderts, der in religiöser und geheimer Mission unterwegs war: Religionsgeschichte ist immer auch Übersetzungsgeschichte.

Ausstellung "Übersetzte Religion"
Bild: Thomas Kademann

Privatdozentin Dr. Katja Triplett, Kuratorin der neuen Ausstellung in der Bibliotheca Albertina meint: „Religiöse Texte sind voller Rätsel und Geheimnisse. Das Entschlüsseln – im Sinne von Übersetzen – religiöser Texte ist ein wichtiger Teil auch der heutigen Geisteswissenschaft.“

Besondere Schriftstücke aus der UB Leipzig geben Auskunft über dieses Bemühen, die eigene Religion und die Religion der anderen sprachlich und in Bildern verständlich zu machen. „Ich freue mich, dass das anspruchsvolle Konzept der Kuratorin Katja Triplett den Dialog mit unseren reichen Beständen eröffnet und wir Kulturzeugnisse aus den letzten zweitausend Jahren zeigen können“, sagt Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider, Direktor der UB Leipzig.

Ausstellung "Übersetzte Religion"
Bild: Thomas Kademann

Der Austausch im Miteinander, aber auch im Gegeneinander, findet seinen Niederschlag nicht nur in den prachtvoll gestalteten Büchern europäischer Missionare über die Religionen des Nahen und Fernen Ostens. Wenn mündliche in schriftliche Worte übersetzt werden, entstehen Schriften, die als heilig und für alle Menschen gültig angesehen werden. Die religiösen Materialien werden nach der wissenschaftlichen Übersetzung in einem Buch oder einem Museum präsentiert, oftmals in einem nicht-religiösen Rahmen. Das „heilige Buch“ ist damit aus dem religiösen in den nicht-religiösen Kontext „übersetzt“.

Umgekehrt können moderne wissenschaftliche Übersetzungen religiöser Überlieferungen den Gläubigen in der religiösen Praxis dienen. Die wissenschaftlichen Übersetzungen von mündlich weitergegebener Literatur können gar ein Schrifttum einer Religion begründen, deren Praxis bis dahin weitgehend auf der mündlichen Überlieferung basierte, wie etwa beim Yezidentum.

Auf der anderen Seite schätzen Gläubige die Übersetzung der von ihnen geheim gehaltenen heiligen Schriften oder mündlichen Überlieferungen ihrer Religion nicht, da die wissenschaftlichen Textausgaben sie öffentlich und für Unbefugte zugänglich machen.

Ausstellung "Übersetzte Religion"
Die Kabinettausstellung „Herkunft zu ermitteln“ zeigt alte Talmud-Ausgaben. – Bild: Thomas Kademann

Zeitgleich Talmud-Ausstellung „Herkunft zu ermitteln“

In Verbindung mit der Ausstellung ist zeitgleich die Kabinettausstellung „Herkunft zu ermitteln – Das Depositum der Israelitischen Religionsgemeinde in der UB Leipzig“ in Kooperation mit dem Dubnow-Institut in der Bibliotheca Albertina zu sehen.

Sie zeigt einen Talmud als Herausforderung für die Erforschung der Bibliothek der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. Das Exemplar wird zur Erschließung in der UB Leipzig als Dauerleihgabe aufbewahrt.

Die Sammlung setzt sich aus Altbeständen der Leipziger jüdischen Gemeinde sowie aus Beständen sehr unterschiedlicher Provenienzen zusammen und beinhaltet Hunderte Drucke, von denen die ältesten aus dem 16. Jahrhundert stammen. Sie sollen demnächst im Rahmen eines Forschungs- und Katalogisierungsprojekts erschlossen werden.

Umfassender Katalog mit Beiträgen von zehn Autoren

Übersetzte Religion Katalog
Zur Ausstellung ist ein 122 Seiten starker Katalog erschienen.

Begleitend zur Ausstellung „Übersetzte Religion“ ist ein 112-seitiger Katalog mit Beiträgen von Autoren aus verschiedenen Fachgebieten herausgekommen.

Erzählt wird hier Religionsgeschichte als Übersetzungsgeschichte. Die Beiträge handeln von Übersetzungsbewegungen zwischen mündlichen und schriftlichen Texten, zwischen Literatur und Religion, zwischen Schulen derselben Religion, zwischen verschiedenen religiösen Traditionen und schließlich zwischen Wissenschaft und Religion. Es werden Fallbeispiele aus der Forschung vorgestellt und anhand von Exponaten erläutert.

Weitere Materialen und Zeugen aus dem Kulturarchiv ergänzen den Ausstellungskatalog. Darunter befinden sich Exponate aus der Papyri- und Ostrakasammlung der Universitätsbibliothek Leipzig.

Die Ordnung der Beiträge im Katalog orientiert sich an den spezifischen Übersetzungstätigkeiten und -prozessen. Die angesprochenen Religionen gehören zum Judentum, Christentum, Islam, Yezidentum, Daoismus und Buddhismus.

Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob sich Veränderungen in den herkömmlichen Übersetzungskulturen ergeben, wenn sich durch den Austausch über die Kulturen hinweg auf wissenschaftlichem und geistlichem Gebiet dramatische Änderungen in den bisher gekannten Wissensbeständen und Wissensordnungen ergeben.

  • Katja Triplett (Hg., 2021): Übersetzte Religion – Im Dickicht der wahren Worte. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag. 122 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-96023-419-7.

Ausstellungsdaten

Die beiden Ausstellungen in der Bibliotheca Albertina (Beethovenstraße 6, 04107 Leipzig) sind vom 8. Oktober 2021 bis 13. Februar 2022 täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Pandemiebedingt wird ein 3G-Nachweis (geimpft, genesen oder getestet) verlangt.

UB Leipzig, red