Corona-Neologismen: Das „Abstandsholz“ – neu im Arsenal der Polizei Frankfurt

Abstandsholz
Vor dem weihnachtlich geschmückten Brunnen der Alten Oper in Frankfurt präsentiert die Polizei das von ihr selbst entwickelte „Abstandsholz“. - Bild: Polizei Frankfurt

Die Corona-Pandemie hat bekanntlich besonders im Deutschen mit seinen unendlichen Möglichkeiten der Kompositabildung zu einer enormen Vielfalt an Wortneubildungen geführt.

Das Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim hat eine vierstellige Zahl solcher Neologismen in einem Online-Glossar zusammengestellt – vom Ellenbogengruß über Infektionsgemeinschaft bis hin zu Soforthilfe und Superspreader oder dem Verb sich freitesten.

Im Dezember 2021 erblickte ein neues Wort das Licht der Öffentlichkeit, das beim IDS noch nicht verzeichnet ist: das Abstandsholz.

Eingesetzt wurde das neue Hilfsmittel der Exekutive offenbar erstmals am 4. Dezember 2021 von der Polizei Frankfurt am Main. Sie fertigte mehrere Abstandshölzer an, um die vorgeschriebenen Abstände zwischen den Teilnehmern einer Demonstration zweifels- und widerspruchsfrei messen und anschaulich aufzeigen zu können.

Die Teilnehmer der Demonstration, die sich gegen überzogene Corona-Maßnahmen richtete, wurden bereits vorab von den Ordnungshütern per Twitter gewarnt:

Unsere Einsatzkräfte werden das Einhalten der Regeln konsequent überprüfen. Die Auflagenverfügung der Versammlungsbehörde sieht einen Mindestabstand von 1.5m vor. Für eine nachvollziehbare Überprüfung nutzen wir diese Abstandshölzer -> [Foto]

Abstandsholz, Polizei Frankfurt

Im Gespräch mit der Bild-Zeitung lieferte ein Sprecher am Tag darauf eine wörterbuchtaugliche Definition des Abstandsholzes, bei dem es sich womöglich schlicht um einen umfunktionierten Besenstiel handelt:

Polizeisprecher Marc Draschl (34) erklärt: „Es ist ein 1,5 Meter langer, mit farbigem Klebeband versehener Rundstab aus Weichholz.“

Die Schlagzeile des Boulevardblatts lautete:

Erst „Abstandsholz“, dann Knüppel – Polizei stoppt Querdenker-Demo mit Ringel-Stange

Tatsächlich wurde die 1.500 Personen umfassende Kundgebung wegen Verstößen gegen die Abstands- und Maskenpflicht aufgelöst. Das Abstandsholz hat also seinen Zweck erfüllt.

Kopfschütteln und Heiterkeit im In- und Ausland

Die Aktion, die auf den ersten Blick einer Satiresendung im Fernsehen entsprungen zu sein scheint, hat nicht nur in deutschen Landen, sondern bis in die USA für Kopfschütteln gesorgt.

So griff das Nachrichtenmagazin Newsweek am 12.12.2021 den Einsatz des neuen Polizei-Werkzeugs auf und meldete:

Video of German Police Using Rulers to Measure Distance Between People Viewed 700K Times

The video, posted online by various German Twitter users, shows police on Saturday night using folding rulers as they walk through a crowd in Hamburg, measuring to make sure that people stay six feet apart. […]

Anders als von dem Magazin gemeldet, handelt es sich hier aber nicht um ordinäre folding rulers (zusammenklappbare Gliedermaßstäbe), sondern um völlig neue und als Innovation anzusehende Abstandshölzer. Die Szene im Video ereignete sich auch nicht in Hamburg, sondern in Frankfurt.

Noch nicht bei Amazon erhältlich

An sich ist das Wort Abstandsholz nicht neu, wohl aber die auf Fotos und in Videos zu sehende Ausführung und deren Verwendungszweck.

Zwar kann man bei Amazon keine Abstandshölzer kaufen, aber im Bauwesen, bei Heimwerkern oder auch im Garten werden diese ad hoc angefertigt, um beim Anbringen von Bauelementen oder dem Ziehen von Beetreihen bei sich wiederholenden Arbeitsschritten stets einen gleichmäßig großen Abstand einhalten zu können.

War Versuch wert – Wiederholung aber unwahrscheinlich

Nach den von Hohn und Spott geprägten Reaktionen in den Sozialen Medien ist eher unwahrscheinlich, dass der „Rundstab aus Weichholz“ über die südhessische Metropole hinaus eine weitere Verbreitung finden und künftig etwa zur Standardausstattung eines Mannschaftswagens der Polizei gehören wird. Letztendlich war er wohl doch nur eine Idee von Vollpfosten.

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Richard Schneider