Anglizismus des Jahres 2021 ist das Verb „boostern“

Anglizismus des Jahres 2021
Bild: AdJ

Das Wort „boostern“ wurde zum „Anglizismus des Jahres 2021“ gekürt. Sowohl bei der Jury als auch bei der online durchgeführten Publikumsabstimmung belegte es den ersten Platz. Das Verb boostern bezeichnet im Deutschen das Auffrischen einer Covid-Impfung. Verwendet wird es häufig in den Formulierungen boostern lassen oder geboostert sein.

Vereinzelt findet sich das Wort schon früher in medizinischen Fachtexten in der breiteren Bedeutung „verstärken (der Immunabwehr)“, seine Verbreitung mit der engeren alltagssprachlichen Bedeutung beginnt im Oktober 2021, als das Verb zeitgleich mit dem Substantiv Booster im allgemeinen Sprachgebrauch auftaucht und fast übergangslos zu einem festen Bestandteil des deutschen Wortschatzes wird.

Anders als das eindeutig aus dem Englischen entlehnte Substantiv ist das Verb wahrscheinlich eine deutsche Eigenkreation. Das Substantiv booster shot („Verstärker-Impfung“) taucht im Englischen schon Mitte der 1940er Jahre auf, die verkürzte Form booster in den 1960er Jahren. Das dazu gehörende Verb ist aber to boost – eine Nebenform to booster gibt es zwar, sie ist aber vor Januar 2022 verschwindend selten und kann somit nicht Vorbild für das deutsche boostern gewesen sein.

Erst seit Anfang Januar findet sich auch das Verb to booster häufiger im Englischen. Die deutsche Sprachgemeinschaft hat hier also deutlich vor der englischen Sprachgemeinschaft ein Potenzial des Englischen erkannt und für sich genutzt.

Überzeugt hat die Jury an boostern neben der Schnelligkeit, mit der das Wort die durch eine neue Form der Auffrischungsimpfung entstandene Lücke im Wortschatz gefüllt hat, die Leichtigkeit, mit der es im grammatischen System des Deutschen seinen Platz gefunden hat. Es hat dabei einfach das grammatische Verhalten des in seiner Bedeutung verwandten Verbs impfen übernommen.

Von der im Deutschen bereits vorhandenen Formulierung eine Auffrischungsimpfung geben/erhalten unterscheidet sich boostern in mehrfacher Hinsicht:

  • Erstens bezieht es sich speziell auf COVID-Impfungen und ermöglicht in der anhaltenden Pandemie eine knappe und trotzdem eindeutige Kommunikation.
  • Zweitens liegt die Betonung bei boostern auf der Vergänglichkeit des Impfschutzes – geboostert sind wir nur, solange die Schutzwirkung der Auffrischungsimpfung noch ausreichend hoch ist.
  • Drittens hat das Wort einen optimistischen und dynamischen Beiklang, an den die Auffrischung einfach nicht heranreicht, so die Jury.

Long Covid und QR-Code in engerer Auswahl

Schon im letzten Jahr hat sich bei der Wahl des Anglizismus des Jahres gezeigt, dass der Wortschatz des Deutschen sich im Zuge der COVID-19-Pandemie mit einer nur selten zu beobachtenden Geschwindigkeit erweitert. Diese Tendenz hat sich fortgesetzt, und neben vielen deutschen Eigenkreationen spielen englische Lehnwörter dabei weiterhin eine zentrale Rolle. Auf die Shortlist haben es neben dem Sieger boostern dabei die Wörter Long Covid und QR-Code geschafft.

Das Wort Long Covid wird uns, wie das Adjektiv long bereits andeutet, vermutlich noch länger beschäftigen – als Bezeichnung für die in absehbarer Zukunft wahrscheinlich gesellschaftlich wichtigste chronische Krankheit hat es gute Aussichten, Anglizismus des Jahrzehnts zu werden. Das Wortbildungsmuster Adjektiv + Substantiv ist für das Deutsche eher untypisch, es findet sich vor allem in Lehnübersetzungen wie Schwarzes Loch oder Weißer Zwerg.

Dass Long Covid zu „Langes Covid“ eingedeutscht wird, ist allerdings unwahrscheinlich – schon, weil die Krankheit im Deutschen allgemein als Corona bezeichnet wird.

Das Wort QR-Code (Abkürzung für Quick-Response-Code, etwa „Schnellreaktionscode“) und die dazugehörige Technologie sind schon älter – erfunden wurden sie 1994 in Japan. Im deutschen Sprachgebrauch findet sich das Wort erst ab 2006 mit zunächst sehr langsam steigender Häufigkeit – die Sprachgemeinschaft kann mit der Technologie wenig anfangen und redet deshalb auch nicht gerne darüber.

Anfang 2021 steigt die Häufigkeit des Wortes im Sprachgebrauch dann sprunghaft an – mit den zum Management der Pandemie verwendeten Check-In-Apps und digitalen Impfzertifikaten ist endlich ein Anwendungszweck für die Technologie entstanden, dem sich selbst der digitale Nachzügler Deutschland nicht verschließen kann.

Cringe und woke ebenfalls häufig genannt

Aber nicht nur die Pandemie prägt unseren Wortschatz, mit cringe und woke haben es auch zwei gänzlich COVID-freie Wörter auf die Shortlist geschafft.

Das Wort cringe war bereits Jugendwort des Jahres – anders als die meisten anderen Wörter, denen diese Ehre zuteil wurde, kommt es im Sprachgebrauch junger Menschen tatsächlich vor und bezeichnet dort ein intensives Gefühl der Fremdscham – oft gegenüber der Generation, die auch mit dem Publikumsliebling von 2019, Ok, Boomer bezeichnet wird.

Diese Generation kontert mit dem Adjektiv woke. Ursprünglich stammt dieses Wort aus der schwarzen Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre in den USA und wurde dort verwendet, um Menschen zu bezeichnen, die rassistische gesellschaftliche Strukturen erkannt hatten – oft in der Aufforderung Stay woke!

Im Rahmen der Black-Lives-Matter-Bewegung erfuhr es eine Renaissance, und wurde dann vom konservativen Feuilleton in Deutschland und anderswo als Synonym für den in die Jahre gekommenen Kampfbegriff politically correct entdeckt. Es wird derzeit vorrangig als Fremdbeschreibung verwendet.

Über den Wettbewerb

Die unabhängige Initiative „Anglizismus des Jahres“ würdigt seit 2010 jährlich den positiven Beitrag des Englischen zur Entwicklung des deutschen Wortschatzes.

Bisherige Anglizismen des Jahres waren leaken (2010), Shitstorm (2011), Crowdfunding (2012), die Nachsilbe -gate (2013), Blackfacing (2014), Refugees Welcome (2015), Fake News (2016), Influencer (2017), Gendersternchen (2018), … for future (2019) und Lockdown (2020).

Juryvorsitzender und Gründer der Initiative ist Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch, Sprachwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Unterstützt wird er seit 2010 von der Anglistin Dr. Susanne Flach (Universität Zürich). Lexikografisch wird die Wörterwahl durch PD Dr. Alexander Geyken und Dr. Lothar Lemnitzer von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften begleitet, die am Zentrum für digitale Lexikografie der deutschen Sprache (ZDL) am Aufbau eines frei zugänglichen digitalen Informationssystems zum deutschen Wortschatz in Geschichte und Gegenwart arbeiten. Vervollständigt wird die Jury durch Dr. Marc Kupietz, Leiter des Bereichs Korpuslinguistik am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim, der zuverlässige Häufigkeitsdaten zu den Wortkandidaten bereitstellt.

AdJ