Die Nerven liegen blank seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Nicht nur in Politik und Medien, sondern auch bei den Simultandolmetschern, die seit Tagen oft mehrmals täglich für Nachrichtensender sehr kurzfristig Presseerklärungen und Interviews für ein sehr großes Publikum verdolmetschen müssen.
Nervlich besonders aufreibend ist die Situation für die meist muttersprachlichen Dolmetscher für die ukrainische Sprache. Denn alle haben Verwandte, Freunde und Bekannte in der Ukraine und sind selbst oft unmittelbar vom Kriegsgeschehen betroffen.
Einer in der Ukraine aufgewachsenen Dolmetscherin, die für den Nachrichtenkanal Welt eine aufrüttelnde Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ins Deutsche übertrug, wurde das alles am 27. Februar 2022 trotz mehr als 20 Jahren Berufserfahrung offenbar zu viel:
Gegen Ende der Übertragung versagt ihre Stimme, weil sie hörbar mit den Tränen kämpft. Nach einigen Sekunden Stille bittet sie um „Entschuldigung“.
Der Sender veröffentlichte den Mitschnitt dieses Augenblicks auf YouTube und schrieb dazu:
Es ist ein herzzerreißender Moment, der sinnbildlich für viele Menschen und Ukrainer*innen weltweit ist: Während der Ausstrahlung des aktuellsten Statements des ukrainischen Präsidenten Selenskyj in der WELT-Livesendung bricht unsere Simultandolmetscherin in Tränen aus.
Trotz der hohen Emotionalität dieses Momentes bzw. gerade deshalb stimmte sie der Veröffentlichung dieses Videos zu.
In den Sozialen Medien fand der Vorfall große Beachtung, auch über den deutschsprachigen Raum hinaus.
Daraufhin meldete sich auf Twitter die in Berlin lebende Dolmetscherin selbst zu Wort und schilderte kurz den Moment:
I’m a conference interpreter, I interpreted 10 hrs peace talks. But today live on German TV I couldn’t finish interpreting Zelensky, during his last words I broke into tears.
I love you all, my fellow Ukrainians.
Der Tweet wurde in nicht einmal 24 Stunden rund 1.800 Mal weitergetwittert, 136 Mal zitiert und mit gut 20.000 (!) Herzchen versehen. In Dutzenden von Antworten brachten andere Twitterer – auch aus dem Kollegenkreis – Verständnis, Sympathie, Mitgefühl und ihre Solidarität zum Ausdruck. Eine der ersten Reaktionen lautete:
Ganz viel Liebe an die Übersetzerin von Welt!
Richard Schneider