Begriffsbestimmung: Wer ist Sprachmittler, Dolmetscher, Übersetzer, Sprachkundiger?

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Bild: Robin Higgins / Pixabay

Es herrscht Begriffsverwirrung – und zwar nicht erst seit Neuestem. Wir regen uns regelmäßig darüber auf, dass in den Medien die Begriffe Dolmetscher und Übersetzer als gleichbedeutend angesehen werden, obwohl es sich doch um zwei völlig verschiedene Tätigkeiten handelt.

Dennoch empfiehlt sich Gelassenheit. Denn historisch umfasste der Ausdruck Dolmetschen meist auch das Übersetzen. In Martin Luthers bekanntem Sendbrief vom Dolmetschen geht es ausschließlich ums Übersetzen.

Außerdem: Regt sich die Handwerkskammer darüber auf, dass Laien – darunter auch Dolmetscher und Übersetzer – von einem Schraubenzieher sprechen, obwohl es doch fachsprachlich korrekt Schraubendreher heißt? Ähnliches gilt für Wörter wie Sachverhalt und Tatbestand, die selbst von Gerichtsreportern oft als Synonyme angesehen werden, obwohl sie für Juristen etwas völlig Unterschiedliches bedeuten.

Trotzdem wäre es natürlich schön, wenn zumindest in der Fachsprache eindeutig definiert wäre, was man unter einem Sprachmittler, Dolmetscher oder Übersetzer zu verstehen hat.

Noch komplizierter wird es bei denjenigen, die ohne formale Qualifikation dolmetschen: Sind das Laiendolmetscher, Dialogdolmetscher, Sprachkundige oder Gemeindedolmetscher, Kommunaldolmetscher bzw. Community Interpreter? Und was ist hier mit Gemeinde/Community gemeint? Die Kommune als städtische Verwaltungseinheit oder die jeweilige migrantische Gemeinschaft?

Vor 80 Jahren versuchte die 13.000 Mitglieder zählende Reichsfachschaft für das Dolmetscherwesen (RfD), in dieser Hinsicht Klarheit zu schaffen, wie einem Artikel im Durlacher Tageblatt vom 22. April 1940 zu entnehmen ist:

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Wer ist Dolmetscher?

Einheitliche Begriffsbestimmung geschaffen

NSK. Die dem NS-Rechtswahrerbund angegliederte Reichsfachschaft für das Dolmetscherwesen nimmt als berufsständische Organisation aller Dolmetscher und Übersetzer im Auftrage des Oberkommandos der Wehrmacht die vormilitärische Ausbildung und Prüfung aller von der Wehrmacht benötigten Sprachkräfte vor.

Im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen wurde jetzt eine einheitliche Begriffsbestimmung der Berufsgruppenbezeichnungen geschaffen. Die neue Regelung bringt eine klare Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche der Dolmetscher, Übersetzer und Sprachkundigen. Diese drei Berufsgruppen werden zusammengefasst unter dem Oberbegriff „Sprachmittler“. Durch diese Neuregelung sind die bisher bestehenden Unklarheiten und die Vielzahl der Berufsbezeichnungen beseitigt worden.

Die Bezeichnung „Dolmetscher“ kommt künftig nur dem zu, der eine Fremdsprache wirklich beherrscht. In der berufsständischen Gliederung folgt dem „Dolmetscher“ der „Übersetzer“, der die gleichen Voraussetzungen erfüllt, dessen berufliche Arbeit aber auf der vorwiegend schriftlichen Sprachmittlungstätigkeit beruht.

„Sprachkundige“ sind schließlich alle diejenigen, die zwar die großen Aufgaben, die dem „Dolmetscher“ oder dem „Übersetzer“ obliegen, noch nicht erfüllen können, aber sich schriftlich und mündlich der fremden Sprache in einer für allgemeine Verständigung ausreichenden Form bedienen können.

„Dolmetscher“, „Übersetzer“, „Sprachkundige“ sind mittelnde Glieder zwischen den verschiedenen Sprachen. Sie sind Sprachmittler.

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Wer ist Dolmetscher

Wer ist Dolmetscher
Quelle: Zeitungsportal der Deutschen Digitalen Bibliothek

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Richard Schneider