Städte suchen Ukrainisch-Sprachmittler, Verbände können Bedarf nicht decken

Ukraine-Flagge
Bild: bodkins18 / Pixabay

Gut eine Woche nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 zeichnete sich ab, dass es sich nicht um eine begrenzte Militäraktion rund um die abtrünnigen Regionen im Osten des Landes, sondern um einen klassischen Krieg handelt, der sich auf das gesamte Land erstreckt.

Viele Ukrainer entfliehen den Kriegswirren und suchen Schutz in den Nachbarländern. Wer Verwandte in Deutschland hat, wo rund 130.000 Ukrainer leben, der schlüpft auch dort unter.

Dass die Stadtverwaltungen sich bereits intensiv auf die neue Flüchtlingswelle vorbereiten, zeigen Aufrufe wie diese:

Das Kommunale Integrationszentrum der Stadt Hagen (KI) sucht Laien-Sprachmittlerinnen und -mittler für die ukrainische und russische Sprache. Bewerberinnen und Bewerber müssen zur Aufnahme in den Sprachmittlerpool des KI folgende Kriterien erfüllen: Vollendung des 18. Lebensjahres, Beherrschung der deutschen und der russischen oder ukrainischen Sprache (ab B2-Niveau), gültige Arbeitserlaubnis und ein erweitertes Führungszeugnis ohne Eintrag. Darüber hinaus müssen die Bewerber eine Grundlagenschulung absolvieren, die durch das KI koordiniert wird. Die Laien-Sprachmittler erhalten eine Aufwandsentschädigung für die Übersetzungsarbeit von 15 Euro pro angefangene Stunde.

Um den Geflüchteten bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen, sucht der Kreis Lippe über sein Kommunales Integrationszentrum (KI) Übersetzer oder Personen mit guten Kenntnissen der ukrainischen Sprache. Sie sollen beim Ankommen in Lippe und Behördengängen helfen.

Die Stadt Landau sucht Menschen, die ehrenamtlich Russisch oder Ukrainisch übersetzen können. Damit will man Vorsorge für wahrscheinlich ankommende Kriegsflüchtlinge zu unterstützen. Entsprechende Meldungen nimmt die städtische Ehrenamtsbeauftragte […] entgegen. (Rheinpfalz, 02.03.2022)

Die Stadt Gütersloh bereitet sich darauf vor vertriebene Ukrainer aufzunehmen. Die Planungen laufen auf Hochtouren, heißt es aus dem Rathaus. Um sich mit den Geflüchteten verständigen zu können sucht die Stadt jetzt Menschen, die sowohl Deutsch als auch Ukrainisch sprechen. Infos und Anmeldungen nimmt der Integrationsbeauftragte der Stadt Gütersloh […] entgegen. (Radio Gütersloh, 01.03.2022)

Der Landkreis Cloppenburg bündelt Angebote für Wohnraum und Übersetzer für Schutzsuchende aus der Ukraine. Es sei unklar, wie viele Menschen hier ankommen. (Nordwest Zeitung, 02.03.2022)

Main-Spessart: Landratsamt sucht Dolmetscher für Ukrainisch und Russisch. Sachspenden nimmt das Landratsamt Main-Spessart vorerst nicht an, es werden jedoch Übersetzer gesucht. (Main Post, 02.03.2022)

Die Stadt Ahaus bittet […] um muttersprachliche Unterstützung: Wer Ukrainisch spricht und in Gesprächen übersetzen kann, kann sich bei der Koordinierungsstelle melden. (Stadt Ahaus, 03.03.2022)

Ukrainische MitbürgerInnen, die als SprachmittlerInnen helfen möchten, können sich bei unserem ehrenamtlichen Sprachmittlerdienst unter […] melden. (Stadt Konstanz, 04.03.2022)

Berufsverbände bieten Hilfe an, können sie aber nicht leisten

Wie schon zur Flüchtlingskrise 2015, als vorwiegend Arabisch-Dolmetscher gesucht wurden, weisen die Berufsverbände der Übersetzer und Dolmetscher auf ihre Mitgliederdatenbanken hin, in denen sich auch für Ukrainisch qualifizierte Sprachmittler finden lassen.

BDÜ-Tweet

Doch wie viele Ukranisch-Dolmetscher sind überhaupt in Berufsverbänden organisiert? Erschreckend wenige. Wir haben nachgezählt:

  • BDÜ: 39 Ukrainisch-Dolmetscher oder Übersetzer (muttersprachlich und nicht muttersprachlich)
  • VKD: 7
  • ADÜ Nord: 2
  • ATICOM: 1
  • VVU: 1
  • DVÜD: 0

Eine bessere Alternative ist das von den Gerichten geführte bundesweite Verzeichnis der Gerichtsdolmetscher unter gerichts-dolmetscher.de. Dort finden sich immerhin 330 Ukrainisch-Sprachmittler. Doch auch diese werden den Bedarf nicht decken können.

  • Gerichtsdolmetscher-Verzeichnis: 330

Lösung: Laiendolmetscher und Russisch als Verkehrssprache

Durch den Mangel an professionellen Ukrainisch-Dolmetschern werden erneut Laiendolmetscher den größten Teil der Übersetzungs- und Dolmetscharbeit übernehmen müssen.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, das von praktisch allen Ukrainern beherrschte Russisch als Verständigungssprache zu nutzen. Für die russische Sprache stehen sehr viel mehr Dolmetscher und Übersetzer zur Verfügung – im BDÜ 375 und bei den Gerichten 3.740.

Richard Schneider