Sprachmittlung im Gesundheitswesen: Unabhängige Patientenberatung fordert Abrechnung über GKV

Patientengespräch
Rechtlich gesehen ist eine Behandlung erst nach einem Aufklärungsgespräch und der Einwilligung des Patienten möglich. - Bild: RazorMax / Pixabay

Eine gute Kommunikation zwischen Patient und Arzt ist Grundvoraussetzung für eine gute Diagnostik und Behandlung. Fehlende Sprachkenntnisse und ein Mangel an Übersetzungsmöglichkeiten können diese Kommunikation erschweren oder sogar unmöglich machen.

Doch obwohl eine Behandlung schon rein rechtlich erst nach einem mündlichem Aufklärungsgespräch und Einwilligung durch die Patienten stattfinden darf, gibt es in Deutschland kein gesetzliches Anrecht auf professionelle Sprachmittlung im Gesundheitswesen.

Aus Sicht der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) braucht es daher ein einheitliches, professionelles und flächendeckendes Angebot für Sprachmittlung im Gesundheitswesen, das als Regelleistung in die Kataloge der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehört.

UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede kritisiert:

Die Situation ist paradox: Medizinische Diagnostik und Behandlung darf erst nach einem ausführlichen Aufklärungsgespräch und einer Einwilligung durch den oder die Betroffene stattfinden. Dazu gehört auch eine ausführliche Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Gleichzeitig kann das Aufklärungsgespräch wegen bestehender Sprachbarrieren oft nicht in angemessener Form oder gar nicht stattfinden.

In manchen Fällen, so berichten es Betroffene in unserer Beratung, müssen minderjährige Angehörige oder auch zufällig anwesendes Pflege-, Service- oder Reinigungspersonal mit den entsprechenden Sprachkenntnissen übersetzen – das kann wegen der fehlenden fachlichen Qualifikation oder wegen Übersetzungsfehlern zu potentiell schwerwiegenden Behandlungsfehlern führen: Etwa bei einer unvollständigen Anamnese oder wegen der Einnahme von Medikamenten, über die der oder die Behandelnde nicht informiert wird.

Einer neuen Studie des Bruyère Research Institute in Ottawa zufolge war das Risiko bei der Behandlung von pflegebedürftigen Senioren mit mindestens zwei Vorerkrankungen auf eine Nebenwirkung oder Komplikation um 74 % geringer, wenn Behandelnde und Patienten die gleiche Sprache sprechen.

Kosten für Sprachmittlung müssen Patienten bislang selbst tragen

In ihrer Beratung informiert die UPD Betroffene darüber, dass es keinen gesetzlichen Anspruch auf Sprachmittlung im Gesundheitswesen in Deutschland gibt und rät Ihnen, sich schon m Vorfeld der Behandlung darüber zu informieren, ob die Klinik eine professionelle Sprachmittlung anbietet oder die Betroffenen sich selbst kümmern müssen. Die Kosten dafür müssen Patienten nach einem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen aber selbst tragen (Az.: L 4 KR 147/14).

Dazu Heike Morris, juristische Leiterin der UPD:

Eine nicht-professionelle Sprachmittlung kann schnell zu möglichen Behandlungsfehlern führen. Das ist für die Patienten, aber auch für die Behandelnden ein Risiko. Wenn ein Aufklärungsgespräch wegen einer bestehenden Sprachbarriere nicht oder nicht in ausreichender Form durchgeführt wird, ist die Einwilligung der Patienten in die Behandlung unwirksam.

Das kann im Ernstfall zu Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen führen. Aber auch eine ausbleibende Behandlung wegen fehlender Verständigung birgt Risiken für beide Seiten, wenn etwa notwendige Behandlungen oder Operationen dann gar nicht angegangen oder verschoben werden.

UPB: „Sprachmittlung muss Regelleistung in der GKV werden“

Mittlerweile verfügen viele Kliniken über professionelle Sprachmittler, auch sind erste bundesweite Netzwerke in unterschiedlicher Trägerschaft mit unterschiedlichen Finanzierungsmodellen entstanden.

Doch Thorben Krumwiede gibt zu bedenken:

Dieser Flickenteppich ist aber keine patientengerechte Lösung. Eine gute sprachliche Verständigung ist eine Grundvoraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe an der deutschen Gesundheitsversorgung. Ein flächendeckendes, einheitliches und professionelles Sprachmittlungsangebot gehört daher – das haben wir auch schon in unserem kürzlich erschienenen Monitor Patientenberatung 2021 gefordert – in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

Über die Unabhängige Patientenberatung

Die Unabhängige Patientenberatung ist eine gemeinnützige Einrichtung und arbeitet im gesetzlichen Auftrag (§ 65b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch). Die UPD berät Patienten sowie Verbraucher in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen unabhängig, qualitätsgesichert, verständlich und kostenfrei.

Die UPD ist eine eigenständige Gesellschaft in Form einer gemeinnützigen GmbH mit Sitz in Berlin. Darüber hinaus gibt es in vielen weiteren Städten Beratungsbüros sowie die UPD-Beratungsmobile, die regelmäßig in verschiedenen Regionen Deutschlands unterwegs sind.

Finanziert wird die Arbeit der UPD mit Fördergeldern durch den GKV-Spitzenverband (Spitzenverband Bund der Krankenkassen). Der GKV-Spitzenverband ist die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland. Die Finanzierung der UPD ist dem GKV-Spitzenverband gesetzlich vorgegeben und nicht mit einer inhaltlichen Einflussnahme auf die Beratung verbunden. Die Unabhängigkeit der UPD wird regelmäßig durch einen wissenschaftlichen Beirat, externe Auditoren und eine externe wissenschaftliche Evaluation kontrolliert. Der Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV-Verband) unterstützt die UPD mit zusätzlichen Fördermitteln für die fremdsprachige Beratung.

PM UPB