Heidelberger Übersetzerpreis Ginkgo-Biloba für Lyrik geht 2022 an Klaus-Jürgen Liedtke

Klaus-Jürgen Liedtke
Klaus-Jürgen Liedtke - Bild: Hanna Sjöberg

Der in Berlin lebende Übersetzer, Herausgeber und Schriftsteller Klaus-Jürgen Liedtke wird für sein Lebenswerk mit dem „Übersetzerpreis Ginkgo-Biloba für Lyrik“ 2022 ausgezeichnet. Das gab der Freundeskreis Literaturhaus Heidelberg e. V. bekannt, der den Preis vergibt.

Wie die unabhängige Jury in ihrer Begründung hervorhebt, habe Liedtke als Übersetzer aus dem Schwedischen und Dänischen und als Mitbegründer der virtuellen Ostseebibliothek (Baltic Sea Library) der deutschen Sprache eine reiche poetische Landschaft eröffnet. Die Jury weiter:

Zu seinem seit Mitte der 1970er Jahre entstandenem, beeindruckend vielfältigem Œuvre gehören die Gesamtausgabe des lyrischen Werks von Gunnar Ekelöf, die fünfbändige Sammlung „Finnlandschwedische Literatur der Avantgarde“ sowie zahlreiche Buchveröffentlichungen, darunter mit den Gedichten von Inger Christensen, Søren Ulrik Thomsen, Erik Johan Stagnelius, Kjell Espmark, Göran Sonnevi, Edith Södergran und Carl-Henning Wijkmark.

Seine Arbeit zeichnet aus, dass das Original in der Übersetzung zu einem Gewinn wird – nicht nur zu etwas, das beim Transfer in die fremde, die eigene Sprache verloren geht – und dabei zu eigener Musikalität und Eindringlichkeit findet.

Leidenschaftlicher Skandinavist wurde an dänischer Grenze geboren

Klaus-Jürgen Liedtke wurde 1950 in Enge/Südtondern geboren und studierte Skandinavistik, Germanistik und Amerikanistik in Kiel, Uppsala, Berlin und Turku. Seit 1974 lebt er als Übersetzer und freier Schriftsteller in Berlin.

2005–2009 war er Vorsitzender des „Baltic Writers’ Council“ und 2001 bis 2007 Präsident bzw. Vize-Präsident des „Three Seas Writers and Translators’ Council“ auf Rhodos. Im Jahr 2000 leitete er kommissarisch das Ostseezentrum für Schriftsteller und Übersetzer in Visby (Baltic Centre), organisierte das Poesiefestival auf Gotland sowie mehrere Übersetzerworkshops. Seit Anfang 2010 erscheint in seiner Regie im Netz die vielsprachige „Baltic Sea Library“ mit literarischen Texten aus allen Ostseeliteraturen in Original und Übersetzung.

Preisverleihung im September mit Lobrede von Kelletat

Die festliche Verleihung unter der Schirmherrschaft des Heidelberger Oberbürgermeisters Prof. Dr. Eckart Würzner findet am Donnerstag, dem 29. September 2022, um 19:00 Uhr im Hilde-Domin-Saal der Stadtbücherei Heidelberg statt. Die Laudatio hält Prof. Dr. Andreas F. Kelletat.

Über den Übersetzerpreis Ginkgo-Biloba für Lyrik

Der Freundeskreis Literaturhaus Heidelberg hat im Jahr 2018 den alljährlich zu vergebenden „Übersetzerpreis Ginkgo-Biloba für Lyrik“ ins Leben gerufen. Mit ihm sollen Lyrikübersetzer für ihr bisheriges Schaffen oder für eine herausragende Einzelübertragung ins Deutsche gewürdigt werden. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert.

Eine Ausschreibung findet nicht statt, Bewerbungen sind ausgeschlossen. Über die Nominierung entscheidet eine unabhängige, vom Vorstand des Freundeskreises berufene Jury aus sieben Mitgliedern.

Die Jury wählt den Preisträger nach Beratung aus einer von zwei Vertrauensleuten erstellten Vorschlagsliste mit fünf Kandidaten. Die Vertrauenspersonen sind Mitglieder der Jury und wechseln jährlich.

Ginkgo
Blatt des Ginkgo-Baums. – Bild: Ulrike Leone / Pixabay

Name des Preises spielt auf Goethe-Gedicht zum Ginkgo-Blatt an

„Ginkgo biloba“ ist ein Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe über das Blatt des Ginkgo-Baums, das zweigeteilt (lat.: biloba) wirkt. Der Dichterfürst erkannte, dass die ungewöhnliche Blattform als Symbol für vieles betrachtet werden kann: Einsamkeit / Zweisamkeit; für Liebende, aus denen eins wird; für gespaltene / multiple Persönlichkeiten usw.:

Ginkgo biloba

Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Giebt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut,

Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt?

Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin?

FLH, rs