Straelener Übersetzerpreis 2023 geht an fünf Übersetzer aus der Ukraine

Ukraine-Flagge
Bild: bodkins18 / Pixabay

Der „Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW“ geht, wie bereits vor einem halben Jahr angekündigt, dieses Jahr an fünf Übersetzer aus der Ukraine. Sie erhalten die Auszeichnung für ihre literarischen Übersetzungen aus der deutschen Sprache. Die Preisträger 2023 sind:

  • Mark Belorusez, Kiew
  • Chrystyna Nazarkewytsch, Lemberg
  • Halyna Petrosanyak, Hofstetten
  • Roksolana Sviato, Kiew
  • Nelia Vakhovska, Kiew

Die Kunststiftung NRW hat das Preisgeld für das Jahr 2023 einmalig auf 50.000 Euro erhöht, sodass jeder Preisträger 10.000 Euro erhält.

Der Straelener Übersetzerpreis gehört zu den höchstdotierten Auszeichnungen für Übersetzung in Europa. Er wird jährlich in Kooperation mit dem Europäischen Übersetzer-Kollegium (EÜK) in Straelen vergeben.

Die Preisverleihung findet mit geladenen Gästen am 16. März 2023 in Düsseldorf statt.

Preisträger Straelener Übersetzerpreis 2023
Die Preisträger Nelia Vakhovska, Halyna Petrosanyak, Mark Belorusez, Roksolana Sviato und Chrystyna Nazarkewytsch. Vier leben in der Ukraine, eine in Deutschland. – Collage: Kunststiftung NRW

Begründungen der Jury

Mark Belorusez übersetzt seit mehr als 30 Jahren deutschsprachige und ukrainische Autoren. Mit seinem zusammen mit Tanja Baskakowa veröffentlichten Band Paul Celan: Gedichte. Prosa. Briefe. Gedichte Deutsch und Russisch (Moskau: Ad marginem, 2008) hat er bedeutende Übersetzungen von Paul Celan vorgelegt und eine poetische Sprache für Celan im Russischen geschaffen. Als Mitbegründer des Poesiefestivals „Meridian Czernowitz“ hat er wesentlich dazu beigetragen, das literarische Erbe der einst multiethnischen Stadt Czernowitz im 21. Jahrhundert neu zu beleben und der europäischen Poesie in der Ukraine einen Ort zu geben.

Chrystyna Nazarkewytsch hat zahlreiche Sachbücher, Romane und Gedichtbände aus dem Deutschen ins Ukrainische übertragen. Ihre Übersetzungen der Romane von Jenny
Erpenbeck, Terezia Mora und Ilma Rakusa geben den ukrainischen Lesern Einblicke in aktuelle Debatten und individuelle Reflexionen zu Transkulturalität, Migration und Mehrsprachigkeit im deutschsprachigen Raum. Nazarkewytsch hat außerdem viele junge poetische Stimmen ins Ukrainische übertragen und für sie mit ihren Übersetzungen in der ukrainischen Sprache filigrane Resonanzräume geschaffen. Mit ihren Übersetzungen und Moderationen für das Poesiefestival Meridianz Czernowitz, das Lemberger Buchforum und das deutsch-ukrainische Autoren-Begegnungsprojekt „Eine Brücke aus Papier“ leistet sie seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung deutschsprachiger Literatur in der Ukraine und vice versa – und damit zum deutsch-ukrainischen Kulturaustausch.

Halyna Petrosanyak hat Romane und Sachbücher aus dem Deutschen ins Ukrainische übertragen, die sich überwiegend mit Ostgalizien als multiethnischem Raum auseinandersetzen – unter anderem Alexander Granach, Da geht ein Mensch; Elisabeth Freundlich, Die Ermordung einer Stadt namens Stanislau und Soma Morgenstern, In einer anderen Zeit – Jugendjahre in Ostgalizien. Durch ihre Übersetzungen erschließt sich den ukrainischen Lesern Ostgalizien als ein Territorium, das im 20. Jahrhundert von Gewalt, Kriegen und den Machtbestrebungen totalitärer Systeme geprägt war. Die sprachliche und kulturelle Vielfalt der Region wurde durch die sowjetische Politik der Folklorisierung und Marginalisierung alles Nichtrussischen bis 1991 ausgeblendet und ist daher noch vielfach unbekannt.

Roksolana Sviato überträgt seit vielen Jahren Romane, Reportagen und Sachbücher aus dem Deutschen, Polnischen und Englischen ins Ukrainische. Ihre Übersetzungen sind gespeist von umfangreichem historischem, philosophischem und literaturgeschichtlichem Wissen und zeichnen sich durch ein hohes Maß an situativer und pragmatischer Äquivalenz sowie ein pointiertes Gespür für Rhythmus und Klang aus. In ihrer Übersetzung von Das achte Leben – (Für Brilka) von Nino Haratischwili ist es ihr in besonderer Weise gelungen, die Umgangssprache und die Dialoge im Ukrainischen mitreißend und lebendig zu gestalten.

Nelia Vakhovska übersetzt seit mehr als 15 Jahren Literatur aus dem Deutschen ins Ukrainische. In dieser Zeit hat sie eine Vielzahl von Gegenwartsautoren wie Josef Winkler, Esther Kinsky, Zoë Jenny und Marjana Gaponenko übertragen. In ihren Übersetzungen gelingt es Nelia Vakhovska auf besondere Weise, die lexikalischen und rhythmischen Facetten der Werke kreativ und ideenreich ins Ukrainische zu übertragen. Besonders hervorzuheben sind ihre Übersetzungen der Werke von Martin Pollack, die den ukrainischen Lesern den Zugang zur Auseinandersetzung mit der ostmitteleuropäischen Erinnerungskultur eröffnen. Als Gründungsmitglied des Vereins Translators in Action leistet sie Herausragendes zur rechtlichen Absicherung und öffentlichen Sichtbarkeit der literarischen Übersetzer in der Ukraine.

Übersetzungsförderung durch die Kunststiftung NRW

Die Kunststiftung NRW fördert bereits seit Jahren die Kunst der Übersetzung. Neben dem Straelener Übersetzerpreis finanziert sie Aufenthaltsstipendien im Europäischen Übersetzer-Kollegium sowie die Straelener Atriumsgespräche zwischen Autoren und ihren Übersetzern. Die Stiftung ermöglicht außerdem eine individuelle Förderung von Übersetzern und ihrer aktuellen Arbeit.

Europäisches Übersetzer-Kollegium (EÜK) in Stralen

Das Europäische Übersetzer-Kollegium Nordrhein-Westfalen in Straelen ist das weltweit erste und größte internationale Arbeitszentrum für professionelle Literatur- und Sachbuch-Übersetzer. Seit der Gründung im Jahr 1978 besteht das erklärte Ziel darin, durch Kooperationen wie mit der Kunststiftung NRW in seiner Vorreiterrolle als Kompetenzzentrum für den sprachgebundenen Wissens- und Kulturaustausch die Wichtigkeit der Literaturübersetzung zu untermauern, die öffentliche Wertschätzung und Anerkennung von Übersetzern zu fördern und die kulturelle Verständigungsleistung zu vermitteln, die Literaturübersetzer für die internationale Literatur und Kultur erbringen.

Dreiköpfige Jury

Der Jury für das Jahr 2023 gehören an:

  • Claudia Dathe, Übersetzerin aus dem Ukrainischen und dem Russischen
  • Katharina Raabe, Lektorin und Publizistin mit Schwerpunkt osteuropäische Literatur
  • Natalka Sniadanko, ukrainische Schriftstellerin, Übersetzerin und Journalistin

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red