Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verleiht den diesjährigen „Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung“ 2023 an Andreas Tretner für seine Übertragungen slawischer Literaturen ins Deutsche.
Der mit 20.000 Euro dotierte Preis wird vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst getragen. Die Preisverleihung wird am 4. Juni 2023 in Ljubljana im Rahmen der Frühjahrstagung der Akademie stattfinden.
„Neugieriger Übersetzer und Vermittler“
Zur Begründung schreibt die Jury:
Andreas Tretner, geboren 1959 in Gera, übersetzt seit Mitte der 1980er Jahre russische, bulgarische und tschechische Literatur. Hervorzuheben sind seine Übersetzungen der Werke dreier politisch kritischer Repräsentanten eines „anderen Russlands“: Alexander Ilitschewski, Michail Schischkin, Vladimir Sorokin. Sie ins Deutsche zu bringen, erfordert akribische Recherche auf höchst heterogenen Wissensgebieten (Ilitschewski Der Perser 2016), die Kunst, unterschiedliche Sprachen, Stile und Rhythmen zu reproduzieren (Schischkin Venushaar 2011) sowie die von Pastiche und Groteske geprägten Werke Sorokins auf Deutsch neu zu erfinden – Andreas Tretner gelingt all dies auf meisterliche Weise.
Als neugieriger Übersetzer und Vermittler widmet sich Tretner auch der Literatur aus den ehemaligen Republiken der Sowjetunion – etwa dem parabelhaften und im Subtext antisowjetischen Roman Wunderkind Erjan des Usbeken Hamid Ismailov – und erforscht die weniger erschlossene bulgarische Literatur. So erschien 2020 der von ihm übersetzte Roman Die Sanftmütigen von Angel Igov. Dieses Werk wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse und für den Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt nominiert.
„Ebenso einfühlsam wie treffsicher übersetzt“
Die hessische Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn lobt:
Die Texte, die Andreas Tretner ebenso einfühlsam wie treffsicher übersetzt, sind meist widerständig und häufig skurril. Er hat auch Wiktor Pelewin im deutschen Sprachraum bekannt gemacht oder den bulgarischen Jordan Raditschkow, zumal er sich auch für die Vermittlung ,seiner‘ Literatur in Lesungen und Auftritten sehr engagiert.
Ich danke Andreas Tretner für seine Arbeit und gratuliere herzlich zur Auszeichnung mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis.
Tretner hat Übersetzen in Leipzig studiert, bereits mehrfach ausgezeichnet
Andreas Tretner wurde 1959 in Gera geboren. Nach einem Studium an der Universität Leipzig, das er als Diplom-Übersetzer für Russisch und Bulgarisch abschloss, arbeitete er als Fachübersetzer bei Carl Zeiss in Jena. Von 1988 bis 1991 war er Lektor für slawische Literaturen im Reclam-Verlag Leipzig, danach freier Übersetzer, Redakteur und Literaturkritiker. Seit Mitte der 1980er Jahre übersetzt Tretner, der heute in Berlin lebt, russische, bulgarische und gelegentlich tschechische Literatur.
Für sein vielseitiges übersetzerisches Werk erhielt Andreas Tretner u. a. schon den Paul-Celan-Preis (2001), den Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt (2011, zusammen mit Michail Schischkin), den Anerkennungspreis des Zuger Übersetzer-Stipendiums (2015) und den Jane-Scatcherd-Preis (2021).
Voß-Preis wird seit 1958 vergeben
Der Johann-Heinrich-Voß-Preis wird seit 1958 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vergeben. Er würdigt ein übersetzerisches Lebenswerk oder herausragende Einzelleistungen. Ausgezeichnet werden Übersetzungen in die deutsche Sprache. Der Preis wird jährlich während der Frühjahrstagung der Deutschen Akademie zusammen mit dem „Gundolf-Preis für Kulturvermittlung“ verliehen.
DASD, rs