Zuger Übersetzer-Stipendium: Kritik an Vergabe der 50.000 Franken an Österreicherin in Berlin

Schweizer Flagge
Bild: gemeinfrei

Unter der Überschrift „Zug verteilt Kulturgelder ins Ausland“ kritisiert das Nachrichtenportal ZentralPlus.ch, dass der höchstdotierte Übersetzerpreis der Schweiz – und Europas – an eine in Berlin lebende Österreicherin vergeben wurde: Theresia Prammer. Sie darf sich über 50.000 Schweizer Franken freuen. Auch der mit 10.000 Schweizer Franken dotierte „Anerkennungspreis“ ging dieses Jahr in die deutsche Hauptstadt, nämlich an Mário Gomes.

Die Website schreibt: „Finanziert wird das Stipendium auch vom Kanton und der Stadt Zug. Doch warum werden Personen unterstützt, die mit der Region nichts zu tun haben?“ Es stelle sich die Frage, „ob die Zuger Bevölkerung die Gelder des Kantons nicht lieber auf den Konti Zuger Kulturschaffender sähe“.

Bei dem Preisgeld handelt es sich überwiegend um Lotterieeinnahmen, wie dem Artikel zu entnehmen ist:

Der Kanton Zug unterstützt den Verein Zuger Übersetzer, der das Übersetzer-Stipendium im Zweijahrestakt vergibt, mit einem jährlichen Beitrag von 45’000 Franken. Der Beitrag wird aus dem Lotteriefonds, also dem an die Kantone ausgeschütteten Reingewinn von Swisslos, gespiesen. Auf 22’500 Franken pro Jahr beläuft sich der Beitrag der Stadt Zug.

ZentralPlus.ch hat seinen Lesern unter dem Artikel die Möglichkeit gegeben, über die Streitfrage abzustimmen. „Sollen Kanton und Stadt Zug den Verein Zuger Übersetzer unterstützen?“

Fast die Hälfte der Leser (49 Prozent) antwortet mit: „Nein, Zug soll keine in Berlin lebende Österreicherin unterstützen.“ Die zweitgrößte Gruppe (37 Prozent) ist hingegen der Ansicht von Kanton und Stadt: „Ja, denn gute Übersetzungen sind für die Literatur im deutschsprachigen Raum relevant.“

Umfrage zu Zuger Übersetzer-Stipendium
Fast die Hälfte der Leser ist dagegen, dass Schweizer Gelder an eine „in Berlin lebende Österreicherin“ fließen. – Bildschirmfoto

Vorzeigeprojekt mit internationaler Ausstrahlung

Der Redakteur (bzw. Redaktor) Joel Dittli hat die Frage auch den Geldgebern und der Preisträgerin gestellt. Iris Weder, Leiterin der Abteilung Kultur der Stadt Zug, weist darauf hin, dass auch im Ausland von Ausländern angefertigte Übersetzungen ins Deutsche den Schweizern zugutekommen:

Literarische Übersetzung bedeutender Werke in die deutsche Sprache werden durch das Zuger Übersetzer-Stipendium gefördert. Damit wird der Zugang zu kultureller Bildung und Wissen aus anderen Kulturen ermöglicht.

Zudem organisiert der Verein Zuger Übersetzer neben dem Übersetzerpreis weitere kulturell hochstehende Begleitveranstaltungen, wie die Übersetzergespräche, die das Verständnis für Literatur, die Deutsche Sprache und für den Übersetzungsprozess stärken.

Dass das Zuger Übersetzer-Stipendium ein Vorzeigeprojekt mit Ausstrahlung weit über die Schweiz hinaus ist, bestätigt auch die Preisträgerin Theresia Prammer: „Das Übersetzer-Stipendium ist im ganzen deutschsprachigen Raum ein Begriff.“

Sie bezeichnet Preise und Stipendien als „unabdingbar“. Nur so sei es belletristischen Übersetzern möglich, sich finanziell über Wasser zu halten und Mut und Motivation für neue Projekte zu schöpfen.

„Von den Honoraren allein lässt sich kein Lebensunterhalt bestreiten“, so Prammer. Deshalb unterrichte sie nebenbei auch an Schreibschulen und Universitäten.

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Richard Schneider

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