Kleine Stilkunde für Juristen – auch für Rechtsübersetzer interessant

Kleine Stilkunde für Juristen
Bild: Richard Schneider

Die in erster Auflage 2002 erschienene Kleine Stilkunde für Juristen von Tonio Walter könnte auch für Übersetzer von Nutzen sein, die Rechtstexte ins Deutsche übersetzen. Im Klappentext der 2017 erschienenen und gründlich überarbeiteten dritten Auflage heißt es:

Juristische Texte haben einen verheerenden Ruf: Schachtelsätze, Substantivierungen, eine unverständliche Fachterminologie – um nur einige Vorwürfe zu nennen.

Auf ansprechende und unprätentiöse Weise sensibilisiert der Verfasser den Leser für die typischen Schwächen des Juristendeutsch. Er vermittelt, wie man mit wenigen und einfachen Mitteln klar schreibt, richtig, wirkungsvoll und gut.

Der Autor verbindet eine gesunde Mischung aus grammatischen Grundlagen und Stilregeln mit Exkursen in Sprachwissenschaft, Literatur und Geschichte. Den Leser erwartet so eine genussvolle Lektüre mit zahlreichen Beispielen, kleinen Übungen und einem Stil, der selbst am besten zeigt, wie man verständlich schreibt, aber nicht langweilig.

Das Buch motiviert auch in seiner dritten, gründlich überarbeiteten Auflage, Texte lesbarer zu gestalten und so erfolgreicher zu sein: in Büchern, Aufsätzen und Vorträgen, Schriftsätzen, Briefen, Klausuren und Hausarbeiten.

… und bei der Übersetzung von Rechtstexten, möchten wir hinzufügen.

Die Hauptabschnitte tragen folgende Überschriften:

  • Was ist Stil?
  • Die Sprache und das Deutsche
  • Stilregeln
  • Stilmittel
  • Stilfragen
  • Stilsünden
  • Schluss

Sprachgemeinschaft hat Juristen aufgegeben

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage:

Die Sprachgemeinschaft hat uns [Juristen] aufgegeben. Wolf Schneider, zeitgenössischer Stilist, bescheinigt juristischen Texten „unrettbare Trockenheit“; Gerhard Stickel, Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, fällt ein („ist und bleibt eben trocken“), und Ludwig Reiners, der „Praeceptor Germaniae stilisticus“ des 20. Jahrhunderts, schreibt zum Schachtelsatz, den er bekämpft: „Würden nur Juristen […] schachteln: das wäre zu ertragen.“ Ergänze: Ihnen ist ohnehin nicht zu helfen. Stimmt das? – Lesen wir in einer zeitgenössischen Monographie:

Fragwürdiger ist die Anwendung von § 4 SubvG, wonach Scheingeschäfte und Scheinhandlungen tatsächlicher Art unerheblich und der durch sie verdeckte Sachverhalt maßgebend und die Bewilligung einer Subvention ausgeschlossen ist, wenn im Zusammenhang mit einer beantragten Subvention ein Rechtsgeschäft oder eine Handlung unter Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere der Benutzung einer nach den gegebenen Verhältnissen unangemessenen Gestaltungsmöglichkeit …

Ich breche ab. Dieser Satz ist einigermaßen grauenhaft und gibt den Unkenrufen recht. Außerdem ist dieser Satz von mir. […]

Wie aus dem Zitat oben ersichtlich, hat die Prüfung in meinem Fall nicht nur Erfreuliches zutage gebracht. Aber des Unerfreulichen bin ich mir seinerzeit gar nicht bewusst gewesen, und zwar im Sinne eines Tatbestandsirrtums, der den Vorsatz beseitigt.

Geändert hat sich das durch eine Laune des Augenblicks; in der habe ich mir nämlich antiquarisch einen alten „Stilduden“ gekauft. Dieser Duden hat eine Einleitung „Vom deutschen Stil“ von Ludwig Reiners (dem besagten). Streckenweise las ich sie mit innerem Widerspruch, denn die Liebe zur deutschen Sprache schlägt darin manches Mal um in raunende Deutschtümelei, eine Art Kommandoton und Verachtung für alles, das anders ist als befohlen. Außerdem ist einiges falsch oder widersprüchlich.

Aber am Ende dachte ich doch: „So hast du es bisher nicht gesehen; das ist vielleicht ein Fehler gewesen. Überlege dir die Sache noch einmal!“ Das habe ich getan.

Am Anfang sollte es ein Aufsatz werden; das Manuskript ist dann einem alten Manuskript-Gesetz gefolgt und stetig gewachsen. Der Plan ging bald auf ein Buch, und um das Gewissen zu beruhigen, nahm ich mir vor, es solle immerhin ein kurzes Buch werden; „lebendig, kurz und nützlich“, das ist der Leitfaden gewesen. […]

Guter Stil bedingt Sachkunde

Aus dem Schlusswort:

Vielleicht flirren Ihre Gedanken vor satzwertigen Partizipien, Konjunktiven und verwackelten Bildern, und Sie sagen sich: Wer soll das alles behalten’ Geht es nicht etwas schlichter? Für diesen Fall vier Ratschläge, die zugleich eine Zusammenfassung sind:

    • Bevor Sie etwas schreiben, überlegen Sie, ob Sie dafür genug wissen. Guter Stil bedingt Sachkunde.
    • Versuchen Sie, die Überschriften aus dem Teil C zu behalten („Überflüssiges ist überflüssig“ und so fort). Diese fünf Regeln sollten Ihnen beim Schreiben vor Augen stehen.
    • Denken Sie an einen Satz von Ludwig Reiners: „Die erste Fassung ist immer schlecht.“ Das erinnert Sie daran, Ihr Erzeugnis mindestens zweimal zu lesen, bevor Sie es aus der Hand geben.
    • Lesen Sie Vorbildhaftes, das wirkt auf Ihren Stil zurück. Vorbildhaft ist, was Ihnen gefällt.

Am Schluss noch die Mahnung, sich nie zum Sklaven von Stilregeln zu machen. Erlauben Sie diesem Buch nicht, Sie in Schreibblockaden zu treiben – weil Sie vor lauter Regeln am Ende nicht mehr wissen, was überhaupt noch erlaubt sei, und mit Karl Kraus seufzen: „Wenn man erst in die Übung kommt, dann wird man mit manch einem Satz nicht fertig.“ Strenggenommen verstößt fast jeder Satz mit irgendeinem Wort oder Satzteil gegen eine Stilregel, meist gegen mehrere.

Diese Regeln sind Denk-, nicht Schreibregeln: Man soll an sie denken, während man schreibt, aber nicht versuchen ihnen stets und lückenlos zu entsprechen. Denn das wäre unmöglich, und ein solcher Versuch könnte das eigene Schreiben nur lähmen, statt ihm zu dienen.

Hochschullehrer und Richter schreibt aus der Praxis für die Praxis

Tonio Walter
Tonio Walter – Bild: privat

Der Autor Tonio Walter ist seit 2006 Ordinarius für Strafrecht und Strafprozessrecht in Regensburg, seit 2013 Richter am Oberlandesgericht Nürnberg und seit 2014 stellvertretendes Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Von 2013 bis 2015 war er Dekan seiner Fakultät.

Er hat neben juristischer Fachliteratur ein gesellschaftspolitisches Sachbuch, einen Roman und eine Novelle veröffentlicht. Bei C. H. Beck ist in gleicher Aufmachung als ideale Ergänzung der Stilkunde seine Kleine Rhetorikschule für Juristen erschienen.

Bibliografische Angaben

  • Tonio Walter (2017): Kleine Stilkunde für Juristen. München: C. H. Beck. 3., überarbeitete Auflage, 315 Seiten, 22,90 Euro, ISBN 978-3406698675. Auf Amazon bestellen.

Richard Schneider