Halbzeitbilanz Ampel: Selbstständige werden ignoriert, Sprachmittlung im Gesundheitswesen nicht geregelt

Ampelmännchen rot
Bild: Wälz / Pixabay

Zwei Jahre nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrags hat die so genannte Ampelkoalition aus Rot, Gelb und Grün (SPD, FDP, Grüne) die wichtigsten Maßnahmen für Selbstständige nicht umgesetzt. Zum Teil wird der Koalitionsvertrag sogar erklärtermaßen gebrochen.

„Die Regierung verliert offenbar die Belange von Gründern und Selbstständigen aus dem Blick“, heißt von Seiten des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD), der folgende Punkte moniert:

  • Das Gesundheitsministerium hat angekündigt, dass es sich nicht an das Versprechen des Koalitionsvertrags halten will, die Beiträge von freiwillig in der gesetzlichen Krankenkasse versicherten Selbstständigen oberhalb der Minijobgrenze strikt einkommensbezogen zu erheben.
  • Der fest vorgesehene Dialog mit Selbstständigen und ihren Verbänden zur Verbesserung des Statusfeststellungsverfahrens wird nicht geführt. Das Ziel, Rechtssicherheit in Bezug auf Scheinselbstständigkeit zu schaffen, rückt immer weiter in die Ferne.
  • Eines der wenigen Vorhaben, an denen gearbeitet wird, ist die Altersvorsorgepflicht, die jedoch eine zusätzliche Belastung für Selbstständige darstellt. Deren Einführung ist laut Koalitionsvertrag eindeutig mit der strikt einkommensbezogenen Berechnung der GKV-Beiträge verknüpft, die aber nicht angegangen wird.
  • Eine Modernisierung des Elterngelds für Selbstständige ist nicht in Sicht.
Andreas Lutz
Der promovierte Diplom-Kaufmann Andreas Lutz hat 2012 den VGSD gegründet und ist seitdem dessen Vorstandsvorsitzender. – Bild: Thomas Dreier

Dr. Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des VGSD, zeigt sich enttäuscht:

Die Ampel stellt Industrie und Großunternehmen ins Zentrum ihrer Entscheidungen. Die Belange von Selbstständigen geraten unter die Räder. Dabei sind Solo-Selbstständige unverzichtbar für die Wirtschaft. Mit ihrer Flexibilität und ihrem Know-how unterstützen sie Unternehmen als Fachkräfte und bringen die Transformation voran.

Die Ampelregierung muss im ersten Halbjahr 2024 endlich die wichtigen Themen angehen, statt nur zusätzliche Belastungen für Selbstständige zu schaffen.

Ohne eine faire Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge und Rechtssicherheit in Bezug auf Scheinselbstständigkeit wird die Zahl der Gründungen und der Selbstständigen weiter stark zurückgehen.

Abrechnung Dolmetschkosten im Gesundheitswesen immer noch nicht geregelt

Aus Sicht der Berufsgruppe der Übersetzer und Dolmetscher lässt sich die Mängelliste um einen weiteren Punkt ergänzen: Im November 2021 hatten die Ampelparteien den 178 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag vorgestellt. Darin heißt es unter anderem:

Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen wird im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB [Sozialgesetzbuch] V.

Mit dieser Neuregelung könnten Ärzte und Krankenhäuser die Rechnungen von Dolmetschern über die Krankenkassen abwickeln. Dies ist bislang nur bei Gebärdensprachdolmetschern möglich. Verschiedene Ärztekammern hatten seit Jahren gefordert, dies auf alle Sprachmittler auszudehnen, um das gegenwärtige Abrechnungschaos auf eine einheitliche Grundlage zu stellen.

Doch auch dieser Punkt wurde bislang nicht umgesetzt, obwohl sich die Regierungsparteien darüber einig sind. Selbst die Opposition würde wahrscheinlich nicht dagegen stimmen, wenn die Frage der Finanzierung geklärt wäre.

Nur nachrangige Versprechen erfüllt

Den Koalitionsvertrag erfüllt hat die Ampel lediglich in nachrangigen Punkten: Sie hat die Neustarthilfe verlängert und die höhere Zuverdienstgrenze für „Brotjobs“ für Versicherte der Künstlersozialkasse beibehalten. Beim Bürokratieabbau gibt es zumindest Bemühungen, die Situation zu verbessern.

Ebenfalls nicht vorangekommen sind dagegen das Vorhaben einer neuen Gründungsförderung, ein besserer Zugang zur Arbeitslosenversicherung und die Reform des Infektionsschutzgesetzes.

Über den VGSD

Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V. (VGSD) mit Sitz in München vertritt die Interessen von Solo- und Kleinstunternehmern, Gründern sowie Teilzeit-Selbstständigen. Der 2012 gegründete Verband zählt aktuell rund 6.000 Vereins- und zusätzlich 14.000 Communitymitglieder. Die Mitglieder kommen aus allen Branchen. Besonders hoch ist der Anteil von Wissensarbeitern und „neuen Berufen“.

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