Der in Berlin lebende Übersetzer, Schriftsteller und Herausgeber Ron Winkler wird für seine Übertragung der Gedichte von Lawrence Ferlinghetti in dem Band Angefangen mit San Francisco mit dem diesjährigen „Übersetzerpreis Ginkgo-Biloba für Lyrik“ ausgezeichnet. Das hat der Freundeskreis des Literaturhauses Heidelberg mitgeteilt, der die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung gestiftet hat und seit 2018 jährlich vergibt.
Wie die unabhängige Jury in ihrer Begründung hervorhebt, habe Ron Winkler mit seiner Übertragung das lyrische Werk des 2021 verstorbenen amerikanischen Dichters für das deutschsprachige Publikum umfassend freigelegt und darin die Klangfülle und die spielerisch-anarchische poetische Intensität besonders von Ferlinghettis rhapsodischen Langgedichten mit eigener Stimme eindrucksvoll vergegenwärtigt.
Winkler, der auch Ferlinghettis autobiographischen Roman Little Boy übersetzt hat, gelinge es, den Sound des amerikanischen Beatpoeten ins Heute zu transponieren. Die sprachlichen Register, die er dabei phantasievoll ausschöpfe, wechselten frei zwischen Wortbildungen, die an Manierismen der lyrischen Moderne erinnern, und Wendungen der Umgangssprache bis hin zum Jargon der Subkultur. Seine Übersetzung sei voller Vitalität, die ihrem Ausgangstext alle Ehre mache.
Winkler stammt aus Jena, lebt jetzt in Berlin
Ron Winkler, geboren 1973 in Jena, studierte von 1993 bis 2000 an der dortigen Friedrich-Schiller-Universität Germanistik, Mittelalterliche und Neuere/Neueste Geschichte. Nach seinem Abschluss zog er in die Literaturübersetzer-Hochburg Berlin, wo er seitdem als freier Autor und Übersetzer lebt.
Sein Augenmerk (auch als Gründer der Literaturzeitschrift intendenzen und Initiator zahlreicher Anthologien) gilt besonders der jüngeren und zeitgenössischen Poesie und zunehmend der Dichtung aus den USA mit ersten Übersetzungen für Literaturzeitschriften wie Akzente, Wespennest, die horen, Ostragehege und Neue Rundschau.
Ron Winkler erhielt neben mehreren Stipendien u. a. folgende Auszeichnungen: 2005 Leonce-und-Lena-Preis, 2006 Mondseer Lyrikpreis, 2015 Lyrikpreis München, 2016 Basler Lyrikpreis, 2021 Rompreis der Villa Massimo.
Eigene Texte von ihm wurden inzwischen in fast dreißig Sprachen übersetzt; in der Ukraine, Mexiko, England und der Slowakei erschienen Auswahlbände. Ron Winkler ist Gründungsmitglied des PEN Berlin.
Preisverleihung im September
Die Preisverleihung ist für den 26. September 2024 um 19:00 Uhr geplant. Die Laudatio hält Dr. Maren Jäger von der Freien Universität Berlin, die Schirmherrschaft übernimmt Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner. Ort der Feierstunde ist die Stadtbücherei Heidelberg, Poststraße 15, Hilde-Domin-Saal. Der Eintritt ist frei.
Über den Übersetzerpreis Ginkgo-Biloba für Lyrik
Der Freundeskreis Literaturhaus Heidelberg hat im Jahr 2018 den alljährlich zu vergebenden „Übersetzerpreis Ginkgo-Biloba für Lyrik“ ins Leben gerufen. Mit ihm sollen Lyrikübersetzer für ihr bisheriges Schaffen oder für eine herausragende Einzelübertragung ins Deutsche gewürdigt werden. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert.
Eine Ausschreibung findet nicht statt, Bewerbungen sind ausgeschlossen. Über die Nominierung entscheidet eine unabhängige, vom Vorstand des Freundeskreises berufene Jury aus sieben Mitgliedern.
Die Jury wählt den Preisträger nach Beratung aus einer von zwei Vertrauensleuten erstellten Vorschlagsliste mit fünf Kandidaten. Die Vertrauenspersonen sind Mitglieder der Jury und wechseln jährlich.
Name des Preises spielt auf Goethe-Gedicht zum Ginkgo-Blatt an
„Ginkgo biloba“ ist ein Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe über das Blatt des Ginkgo-Baums, das zweigeteilt (lat.: biloba) wirkt. Der Dichterfürst erkannte, dass die ungewöhnliche Blattform als Symbol für vieles betrachtet werden kann: Einsamkeit / Zweisamkeit; für Liebende, aus denen eins wird usw. Oder in Bezug auf Übersetzungen: zwei Sprachen, die denselben Inhalt beschreiben.
Ginkgo biloba
Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Giebt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut,
Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt?
Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin?
red