Bei US-Präsidentschaftswahlen ist Frank D. in seinem Element. Wie schon 2016 darf der Kölner Konferenzdolmetscher Live-Auftritte von Donald Trump fürs Fernsehen ins Deutsche übertragen, wie jetzt bei der Präsidentschaftsdebatte mit Kamala Harris.
Und wie schon 2016 kann er es nicht lassen, hinterher in den Medien über den Kandidaten zu lästern. Er erweist damit seiner Branche einen Bärendienst.
Trump Derangement Syndrome?
Gegenüber dem WDR nimmt D. kein Blatt vor den Mund:
- „Trump verfügt über einen sehr geringen Wortschatz und einen sehr geringen Vorrat an Ideen.“
- Eine Herausforderung bei Trump bestehe für Dolmetscher darin, dass man ihn nicht antizipieren könne: „Er spricht ja selten einen Satz zu Ende, weil ihm mitten im Satz eine absurde Behauptung einfällt oder ihm einfällt, wen er noch nicht beleidigt hat.“
- „Es ist sehr unangenehm, dass sein Geschwätz durch mein System läuft. Da fühlt man sich hinterher ein bisschen beschmutzt.“
- „Ich gehe beim Dolmetschen mit, das ist mein persönlicher Stil. Und das fühlt sich bei Trump einfach sehr unangenehm an.“
- Trump erzähle „Quatsch“ und „irrsinnige Sachen“. „Beim Simultan-Dolmetschen läuft im Hinterkopf ein Faktencheck ab. Hat er das wirklich jetzt gesagt? Bei Trump habe ich es mir abgewöhnt, weil er den größten Blödsinn tatsächlich gesagt hat.“
„Hoffe sehr, dass er nicht gewählt wird“
Auf weitere Aufträge, Donald Trump zu verdolmetschen, ist Frank D. laut WDR „nicht sonderlich scharf“:
Ich hoffe sehr, dass er nicht gewählt wird, dann komme ich ja nicht in die Verlegenheit. Aber generell kann ich meinen Kunden ja nicht sagen, das ist mir zu schmutzig, das fasse ich nicht an.
Im Jahr 2016 hatte D. eine mögliche Wahlentscheidung zugunsten von Trump – ebenfalls im WDR – als „schlimmsten aller denkbaren Fälle“ bezeichnet und getönt, er wolle alles, was er mit dem Trump-Dolmetschen verdiene, „für einen guten Zweck im Anti-Trump-Sinn spenden“.
Angesichts der Tiraden von Frank D. wirkt die Zwischenüberschrift „Simultan-Dolmetscher immer professionell über den Dingen“ im WDR-Artikel und der Hinweis des Interviewers „Dabei muss er [der Dolmetscher] natürlich überparteilich bleiben“ wie augenzwinkernde, feine Ironie.
Ehrenkodex für Konferenzdolmetscher
Die Berufs- und Ehrenordnung (BEO) des Verbands der Konferenzdolmetscher (VKD) innerhalb des BDÜ verlangt beim Dolmetschen ein „respektvolles Verhalten gegenüber allen Beteiligten“.
In den Erläuterungen zur BEO heißt es ausführlicher:
VKD-Mitglieder repräsentieren in ihrer Rolle als Konferenzdolmetscher:innen auch immer den Verband sowie den Berufstand durch ihre Äußerungen und Handlungen. Deshalb verhalten sie sich so, dass sie durch einen verantwortungsvollen Umgang mit Medien aller Art weder dem VKD im BDÜ e. V. noch dem Berufsstand Schaden zufügen.
Und auch für den internationalen Konferenzdolmetscher-Verband AIIC sind Begriffe wie „impartiality and responsibility“ mehr als Lippenbekenntnisse und keine hohlen Phrasen. Im Code of Professional Ethics heißt es unter anderem:
Members of the Association shall base their relationship with clients on the principles of loyalty and integrity.
Kunden vertrauen auf Neutralität und Verschwiegenheit der Dolmetscher
Diejenigen, für die wir direkt oder indirekt dolmetschen und übersetzen, vertrauen uns oft Informationen und Unterlagen an, die sie nicht einmal ihren Eltern vorlegen würden. Sie müssen sich auf unsere Verschwiegenheit verlassen können.
Dolmetscher genießen einen Vertrauensvorschuss. Ähnlich wie Ärzte, Anwälte, Notare oder Beamte, bei denen man im konkreten wie übertragenen Sinn die Hosen herunterlassen kann, ohne befürchten zu müssen, dass diese uns anschließend in der Lokalzeitung bloßstellen.
Geht dieses Vertrauen gegenüber Dolmetschern verloren, ist es kaum je wieder herstellbar.
Vielleicht einfach mal die Klappe halten
Man stelle sich vor, ein parteipolitisch anders ausgerichteter Dolmetscher hätte sich in den letzten drei Jahren als „Experte“ in den Medien über die fortschreitende Demenz von Joe Biden ausgelassen und lustig gemacht.
Darüber, wie stark das Dolmetschen durch dessen Genuschel, die Aussetzer, Namensverwechslungen, wirren Gedankensprünge und Halluzinationen erschwert werde. Dass man dafür eigentlich einen Zuschlag verlangen müsse. Und dass es irgendwie eklig sei, für Leute zu dolmetschen, die wie lebende Leichen wirken. Dass der Mann in ein Altersheim und nicht ins Weiße Haus gehöre usw.
Einem solchen Kollegen wäre aus der Berufsgruppe heraus sicher geraten worden, medizinische Diagnosen den Ärzten zu überlassen und ansonsten selbst bei peinlichen Vorfällen taktvoll zu schweigen, um den Berufsstand der Dolmetscher nicht in Misskredit zu bringen.
- 2019-11-07: Übersetzerin Bérengère Viennot veröffentlicht Buch über „Die Sprache des Donald Trump“
- 2016-11-10: Dolmetscher twittern, es sei „unangenehm und surreal“, Trump zu verdolmetschen
Richard Schneider