An einer Pädagogischen Hochschule in Österreich werden studentische Arbeiten, die nicht gegendert sind, ab dem 5. Semester willkürlich schlechter bewertet oder gar nicht zur Beurteilung angenommen. Das räumen die Dozenten ganz offen ein, obwohl die Praxis wahrscheinlich verfassungswidrig ist.
Allerdings weigerte sich vor einigen Monaten die Lehramtsstudentin Antonia Höller (Deutsch, Geografie), den an der Privaten Pädagogischen Hochschule (PPH) Burgenland in Eisenstadt (Nähe Neusiedler See) geltenden „Empfehlungen“ zum Gendern Folge zu leisten.
Über das, was dann geschah, berichtet die österreichische Volksanwaltschaft auf ihrer Website. Bei der Volksanwaltschaft handelt es sich um einen parlamentarischen Ombudsrat zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung.
Zwang zum „Gendern“ an der PH Burgenland
28. September 2024
Eine Studentin der privaten Pädagogischen Hochschule Burgenland (PH) wollte nach drei Jahren ihre Arbeiten nicht mehr „gendern“ und verwendete nur mehr das (grammatikalisch korrekte) „generische Maskulinum“. Wo sie etwa die Allgemeinheit meinte, schrieb sie von „Studenten“ und wo sie nur die männliche Studentenschaft meinte, schrieb sie von „männlichen Studenten“.
Der Frau wurden in der Folge 25 % ihrer Bewertungspunkte abgezogen bzw. nach einem fruchtlosen Gespräch mit der Professorin 50 % der Punkte. Die Professorin habe angekündigt, ihr künftig immer mehr Punkte abzuziehen bzw. nicht gegenderte Arbeiten nicht mehr anzusehen. Schließlich beurteilte sie eine Arbeit doch, jedoch unter Hinweis auf das fehlende Gendern um einen Notengrad schlechter.
Die Frau empfand diese Vorschrift als Bevormundung und Sprachpolitik und wandte sich daher an die Volksanwaltschaft, Geschäftsbereich von Dr. Walter Rosenkranz.
Die Direktorin der PH, die der ORF befragte, hielt die Vorgangsweise für rechtens, habe doch die Pädagogin zu Beginn ihrer Lehrveranstaltung darauf hingewiesen, dass Gendern einen Bestandteil ihrer Beurteilung darstelle. Eine Fachstelle für Gendern und Diversität empfehle sogar, nicht gegenderte Arbeiten ab dem fünften Studiensemester negativ zu beurteilen und Personen, die sich weigerten, das Studium nicht abschließen zu lassen. Dies sei jedoch noch in Diskussion.
Das Bildungsministerium bezeichnete in einer schriftlichen Stellungnahme dies als alleinige Angelegenheit der PH, weswegen man auch keinen Diskussionsteilnehmer zu „Bürgeranwalt“ entsandte. Fünf vom ORF befragte andere Universitäten betonten, dass man eine geschlechtssensible Sprache fördere, man beurteile nicht gegenderte Arbeiten jedoch nicht automatisch als negativ.
Volksanwalt Rosenkranz erklärte in „Bürgeranwalt“, dass es sich die PH Burgenland zu einfach gemacht habe. Es stehe nämlich in der Verfassung, dass die Staatssprache Deutsch sei. Der von Vertreterinnen und Vertretern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz beschickte Rat für die deutsche Sprache lehne allerdings alles, was die Lesbarkeit, das Sprechen oder Verstehen erschwere, beispielsweise Schreibweisen mit Doppelpunkt oder Sternchen, ab.
Die Studentin sei gemäß ihren Angaben durchaus auch nicht die einzige Person an der PH, die nicht gendern wolle. „Aus diesem Fall ergeben sich aber auch weitere Fragen: Zum Beispiel was passiert mit Lehrenden, die – vielleicht auch unter Berufung auf ihre ebenfalls verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Wissenschaft – auf Gendern keinen Wert legen und nicht gegenderte Arbeiten nicht anders beurteilen als gegenderte?“, so Volksanwalt Rosenkranz.
Es sei nicht akzeptabel, dass inhaltlich ausgezeichnete Arbeiten aufgrund fehlenden Genderns schlechter oder gar negativ beurteilt würden. Auch die PH Burgenland stehe mit ihrer Auslegung nicht über der Verfassung.
ORF-Sendung Bürgeranwalt spricht mit allen Beteiligten
Die ORF-Fernsehsendung Bürgeranwalt vom 28. September 2024 beschäftigte sich 20 Minuten mit dem Fall und sprach dazu mit der Studentin und dem Volksanwalt im Studio.
Eine Reporterin holte Stellungnahmen von der Hochschule ein und sprach dazu mit der Rektorin Mag. Dr. Sabine Weisz und mit Harald Mandl, BEd MAS, dem „Gender-Mainstreaming-Beauftragten“ der Einrichtung. Dieser ist Anhänger der Hypothese „Sprache schafft Wirklichkeit“.
Die Sendung bleibt angesichts der skandalösen Bestrafungspraxis in Eisenstadt ausgesprochen sachlich und versucht, beiden Seiten gerecht zu werden. Die Gespräche mit der Rektorin und dem Genderbeauftragten vermitteln tiefe Einblicke in das fein ausgeklügelte System aus Empfehlungen und Sanktionen an der Hochschule.
In den ersten vier Semestern ist man noch nachsichtig und drückt gelegentlich ein Auge zu, wenn in schriftlichen Arbeiten korrektes Deutsch verwendet wird. Wer aber ab dem fünften Semester immer noch nicht gendert, der bekommt die Peitsche zu spüren. Auf diese Weise konnte man in Eisenstadt bislang allen Studierenden im Lauf der Semester das Gendern aufzwingen. Bis eine kam, die Rückgrat zeigte.
Zwar rudert die Rektorin inzwischen etwas zurück und will statt willkürlicher Sanktionen allen nicht gendernden Studierenden künftig nur noch 10 Prozent der Punkte bei der Bewertung abziehen (entspricht einer Note). Aber auf den Gedanken, dass jede wie auch immer geartete Sanktion zur Durchsetzung politisch motivierter Sprach- und Schreibregelungen verfassungswidrig sein könnte, kommt sie nicht.
Studentin wechselt Hochschule
Antonia Höller hat inzwischen die Hochschule gewechselt und setzt ihr Studium an der Universität Graz fort. Damit kann sich der Gender-Beauftragte in Eisenstadt wieder darüber freuen, dass 100 Prozent der Studierenden gendern – freiwillig und ohne dass sich jemand beschwert.
Gerichtliche Klärung überfällig
Solange die zuständigen Politiker sich weigern, den Studierenden zu Hilfe zu eilen (das Bundesland Burgenland wird von der SPÖ regiert), ist die Anrufung von Gerichten ein probates Mittel, der Freiheit des Wortes und der Wissenschaft zu ihrem Recht zu verhelfen. Der Volksanwalt hat entsprechende juristische Schritte in der Fernsehsendung angesprochen. Hoffen wir, dass er den Worten auch Taten folgen lässt.
Volksanwaltschaft seit 1981 in Bundesverfassung verankert
Zu den Aufgaben der Volksanwaltschaft heißt es in der Wikipedia:
Die aus drei Mitgliedern bestehende Volksanwaltschaft in Österreich ist als parlamentarischer Ombudsrat zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung eingerichtet. Sie steht allen Menschen bei Problemen mit Behörden kostenlos zur Verfügung, die sich durch Organe der Verwaltung ungerecht behandelt fühlen und bereits alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben.
Darüber hinaus ist die Volksanwaltschaft seit 2012 als Nationaler Präventionsmechanismus auch für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Österreich zuständig. Die Volksanwaltschaft ist zugleich Generalsekretariat des International Ombudsman Institute (I.O.I.), dem weltweit zahlreiche mit der Volksanwaltschaft vergleichbare Einrichtungen angehören. Die Volksanwaltschaft auf Bundesebene wurde im Jahr 1977 probeweise eingeführt und im Jahr 1981 in der Bundesverfassung verankert.
Weiterführender Link
- 2024-07-08: Studie zum Gendern in Österreich: Zahl der Befürworter sinkt, Ablehnung nimmt zu
- 2022-02-19: Wien: Student der Translationswissenschaft wehrt sich juristisch gegen Genderzwang
Richard Schneider