Frankfurter Buchmesse 2024: Messe und Ehrengast Italien ziehen positive Bilanz

Frankfurter Buchmesse 2024
Wenn die rot-weißen Fahnen wehen, ist wieder Buchmesse-Zeit in Frankfurt. - Bild: Holger Menzel

Mit 230.000 Besuchern, mehr als 4.300 Ausstellern (Vorjahr: 4.100) und über 3.300 Veranstaltungen konnte die Frankfurter Buchmesse vom 16. bis 20. Oktober 2024 ihren Wachstumskurs nach dem Corona-Tief weiter fortsetzen.

115.000 Fachbesucher (Vorjahr: 105.000) aus 153 Ländern (Vorjahr: 130 Länder), 115.000 Privatbesucher (Vorjahr: 110.000) und mehr als 7.500 Medienvertreter (Vorjahr: 7.000) strömten aufs Messegelände. Damit legte sie sowohl als internationale Geschäftsmesse der Publishing- und Medienbranche wie auch als Festival des Lesens zu – und dies trotz limitierter Kartenkontingente für die beiden Wochenendtage.

Claudia Roth, Frankfurter Buchmesse 2024
Auch die Frau, die gerade das Budget des Deutschen Übersetzerfonds um ein Drittel gekürzt hat, obwohl ihr Haushalt insgesamt leicht erhöht wurde, dankte auf der Eröffnungsfeier den „Übersetzer(hicks)innen“ für ihre wichtige Arbeit. – Bild: Marc Jacquemin

Vor-Corona-Zahlen werden womöglich nie wieder erreicht

Die im Rückblick maßlos überzogenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie haben der Frankfurter Buchmesse arg zugesetzt. Ohne staatliche Unterstützung gäbe es sie gar nicht mehr. Zwar ist die Veranstaltung immer noch die größte Bücher- und Medienmesse der Welt, aber ein Vergleich der Jahre 2019 und 2023 macht das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich:

Die Messe hat in diesen Jahren unglaubliche 45 Prozent der Aussteller eingebüßt (7.450 > 4.100) und 29 Prozent der Besucher verloren  (302.267 > 215.000). Deshalb sind auch dieses Jahr lediglich sechs Hallen rund um das Freigelände (Agora) belegt. Und selbst in diesen werden nicht alle Etagen genutzt.

Zwar freuen sich die Organisatoren 2024 über eine weitere Normalisierung der Zahlen, aber es scheint immer unwahrscheinlicher, dass die Werte der guten alten Zeit jemals wieder erreicht werden können.

Viele Kleinverlage haben die Krise nicht überlebt, die Wirtschaftslage ist mies, die Zukunftsaussichten sind trüb, die Messeteilnahme wird immer teurer.

Frankfurter Buchmesse 2024
Am Wochenende waren wegen der Öffnung für Privatbesucher in den Hallen und auf dem Freigelände (Agora) deutlich mehr Menschen unterwegs als unter der Woche, in der Fachbesucher und Geschäftsleute das Bild prägen. – Bild: Holger Menzel

Unter der Woche zu wenig, am Wochenende zu viele Besucher

Das Besucherkonzept wirkte dieses Jahr unausgewogen: An den Fachbesuchertagen Mittwoch, Donnerstag und Freitag hätten ein paar Tausend Besucher zusätzlich der Atmosphäre in den Hallen gutgetan. Am Wochenende herrschte wegen der dann zugelassenen Privatbesucher hingegen wie immer stellenweise Gedränge.

Nach Erfahrungen aus dem Vorjahr hatte man dieses Jahr das Kartenkontingent fürs Wochenende limitiert. Der Samstag war dann tatsächlich auch ausverkauft. Tickets für Privatbesucher konnten nur online im Voraus gebucht werden. Ein Verfahren, das sich auf anderen Messen wie der Gamescom in Köln schon seit Jahren bewährt hat.

Was tun? Privatbesucher auch unter der Woche aufs Gelände lassen? Bereiche, die auf eine ruhige Arbeitsatmosphäre angewiesen sind, in separate Fachbesucher-Hallen verlegen? Bei der Gamescom macht man das schon lange so. Und auch die Buchmesse sperrt seit jeher Privatbesucher aus den Bereichen für den Rechtehandel aus.

Die Organisatoren werden sich etwas einfallen lassen müssen, um die Kapazitäten besser ausnutzen und die Besucherströme gleichmäßiger auf die Messetage verteilen zu können.

Frankfurter Buchmesse 2024
Die Macher der Buchmesse auf der Eröffnungspressekonferenz: Torsten Casimir (Sprecher der Frankfurter Buchmesse), Jurgen Boos (Direktor der Frankfurter Buchmesse) und Karin Schmidt-Friderichs (Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels). – Bild: Marc Jacquemin

„Internationalität ist unser Markenzeichen“

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, weist darauf hin, dass branchenübergreifende Kollaboration und Kooperation eine zunehmend wichtige Rolle spielen:

Die Publishing-Branche geht gezielt auf ihre Nachbarn in den Kreativindustrien zu, umgekehrt gilt das Gleiche. Unser Geschäft im Bereich der genreübergreifenden Adaptionen wird immer wichtiger, das gilt seit langem schon für das Interesse der Filmindustrie an der Frankfurter Buchmesse, und zunehmend gilt es auch für die Welt der Games.

Auch Filme und Computerspiele sind zunächst einmal Bücher

Große Resonanz fand der „Book-to-Screen Day“ am Messefreitag mit deutlich mehr Anfragen und Akkreditierungen von Filmschaffenden als im Vorjahr. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich für die Welt der Computerspiele ab, wo acht Games Studios ausstellten.

Juergen Boos:

Die Erwartungen an unser Games-Areal, das wir in Kooperation mit der Bologna Children’s Book Fair zum ersten Mal angeboten haben, wurden voll erfüllt. Unter dem Motto ‘A book is a film is a game!’ treiben wir unser Geschäft der genreübergreifenden Adaptionen weiter voran.

Auch Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, bemüht sich, Zuversicht auszustrahlen:

Die Buchbranche blickt auf fünf erfolgreiche Tage zurück: Die Frankfurter Buchmesse hat sich erneut als die große Plattform für den Austausch, die Vernetzung und für gute Geschäfte erwiesen. Gleichzeitig war sie ein Fest der Ideen, der Debatten und neuen Perspektiven auf die Fragen der Zeit.

Und wer sich die wachsende Lesebegeisterung bei jungen Menschen bisher nicht vorstellen konnte, erlebte sie auf der Messe eindrucksvoll: Zu sehen, wie Zigtausende Bücherfans ihre Lieblingsbücher und -autoren feierten, weckt Lust auf die Zukunft des Buches.

Zentrum Wort: Bühne für Literatur und Übersetzung

Das neue „Zentrum Wort“ in Halle 4.1 ersetzte nach Mittelkürzungen das frühere „Übersetzungszentrum“. Der durch die Beteiligung anderer Partner befürchtete Rückgang der übersetzungsbezogenen Veranstaltungen war spürbar: Statt wie im Vorjahr 27 Veranstaltungen für Übersetzer, standen 2024 nur 16 im Programm, weil man sich den Stand und die verfügbare Zeit mit anderen wie dem Deutschen Literaturfonds teilen musste.

Allerdings kann man durchaus von einer gelungenen Premiere des zentralen Treffpunkts für Gespräche über Gegenwartsliteratur und Übersetzung sprechen. Auf großer Bühne und einem Networking-Bereich kamen bei insgesamt mehr als 30 Veranstaltungen rund 80 Autoren und Übersetzer zu Wort.

„Mit dem Zentrum Wort ist es gelungen, der Literatur und dem literarischen Übersetzen eine adäquate Bühne und damit die entsprechende Sichtbarkeit zu geben“, so Lars Birken-Bertsch, der als Geschäftsführer des Deutschen Literaturfonds das Programm mitgestaltete.

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Eröffnung des Ehrengast-Pavillons, der nach dem Vorbild einer italienischen Piazza als Ort der Begegnung gestaltet wurde. – Bild: Zino Peterek

Beeindruckender Ehrengast-Auftritt von Italien

Mit mehr als 90 Autoren gab Italien, diesjähriger Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, Einblicke in die zeitgenössische italienische Verlagsproduktion. Die Veranstaltungen konzentrierten sich in dem von dem Architekten Stefano Boeri als Piazza gestalteten Ehrengast-Pavillon.

Zum Auftritt der italienischen Ehrengäste gehörte außerdem ein umfangreiches Fachprogramm, das am italienischen Gemeinschaftsstand in Halle 5.0 stattfand. Darüber hinaus gab es auf den Buchmesse-Bühnen von italienischen Autoren und ihren deutschsprachigen Verlagen initiierte Veranstaltungen.

Am Messesonntag endete der Ehrengast-Auftritt Italiens unter dem Motto „Verwurzelt in der Zukunft“ mit der Übergabe der „GastRolle“ an die Philippinen, den Ehrengast des kommenden Jahres, mit dem Motto „Fantasie beseelt die Luft“.

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Die goldene Hand im Ehrengast-Pavillon Italiens. – Bild: Zino Peterek

Mauro Mazza, außerordentlicher Beauftragter der italienischen Regierung für die Koordinierung der Ehrengastaktivitäten, sagte:

Wir sind sicher, dass dieser zweite Ehrengastauftritt Italiens in die Geschichte eingehen wird, so wie es 1988 der Fall war. In diesen fünf Tagen und in den langen Monaten, die der 76. Buchmesse vorausgingen, haben wir ein nicht-stereotypes Bild unserer Literatur und Kultur vermittelt und die Internationalität der Autoren und ihrer Werke unterstrichen. Wir sind zuversichtlich, dass das, was in Frankfurt gesät wurde, für die italienische Verlagswelt Früchte tragen wird.

Rund 220 Erst- und Neuübersetzungen aus dem Italienischen ins Deutsche

Frankfurter Buchmesse 2024
Teil des Pavillons war wie immer auch eine Präsentation der aus Anlass der Ehrengast-Rolle angefertigten Übersetzungen ins Deutsche. Diesmal sind es rund 220 Titel. – Bild: Zino Peterek

Im Rahmen des Ehrengastprogramms sind seit Herbst 2023 rund 220 Neuerscheinungen aus und über Italien auf dem deutschsprachigen Markt erschienen, die bei rund 100 Verlagen veröffentlicht wurden.

Frankfurter Buchmesse 2024
64 der 220 übersetzten Titel wurden durch die Übersetzungsförderprogramme Italiens mitfinanziert. – Bild: Zino Peterek
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Nebenräume des italienischen Pavillons. – Bild: Zino Peterek
Frankfurter Buchmesse 2024
Bild: Zino Peterek

Linke Autoren sauer, weil von rechter Regierung nicht eingeladen

Einigen Unmut hatte es gegeben, weil die rechtsgerichtete italienische Regierung einzelne linksradikale Schriftsteller nicht in die offizielle Delegation aufgenommen hatte.

Darunter befand sich auch der für seine Mafia-Recherchen bekannte Journalist und Autor Roberto Saviano, der im Oktober 2023 wegen Beleidigung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni („Bastard“) zu 1.000 Euro Geldstrafe verurteilt wurde.

Auf Einladung der Buchmesse traten diese jedoch ebenfalls in Frankfurt auf Podien auf und stänkerten über ihre „postfaschistische“ Regierung und den Ehrengast-Pavillon, der ihnen nicht gefiel. Der sähe aus wie das Innere eines Beerdigungsinstituts und sei „unitalienisch“.

Roberto Saviano, Frankfurter Buchmesse 2024
Roberto Saviano beleidigte seine Ministerpräsidentin und wunderte sich, dass er nicht in die offizielle Delegation eingeladen wurde. – Bild: Marc Jacquemin

Eintrittspreise weiter angestiegen

Fürs Protokoll hier noch die Eintrittspreise 2024: Fachbesucher mussten für ein Tagesticket 89 Euro hinlegen, für ein Wochenticket 159 Euro. Privatbesucher konnten für 28 Euro eine Tageskarte für den Samstag (ausverkauft) oder Sonntag lösen. Das Nachmittagsticket für den Freitag kostete 22 Euro, ein Wochenendticket 52 Euro (ausverkauft).

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Richard Schneider