Jiddisch, Jüdisch, Taitsch: Aspekte jiddischer Sprachgeschichte in Süddeutschland

Jiddisch
Bild: Richard Schneider

Vor Kurzem ist der Katalog zur derzeit laufenden Ausstellung „Jiddisch. Jüdisch. Taitsch.“ im Jüdischen Museum Augsburg-Schwaben erschienen. Darin geben Experten einen vertiefenden Einblick in die Themen der Ausstellung: von der Entstehung der Sprache über die ersten jiddischen Buchdrucke – vor allem auch aus der Region Schwaben – bis hin zur jiddischen Literatur und Kultur heute.

Denn das Jiddische besitzt in Süddeutschland eine über 800-jährige Geschichte und ist in der Gegenwart eine lebendige Sprache für immerhin rund eine Million Menschen weltweit.

Jiddisch rund 1000 Jahre im deutschen Sprachraum beheimatet

In der Einleitung schreibt die Herausgeberin Carmen Reichert:

Rund 1000 Jahre lang war Jiddisch im deutschen Sprachraum beheimatet. Heute ist es in der Welt zu Hause: in New York und Toronto, in Mexiko und Buenos Aires, in London und Antwerpen. […]

Doch woher kommt das Jiddische? Was wissen wir über die Anfänge und über Jiddisch als jahrhundertelange Umgangssprache? […] In ihren Anfängen war die jüdische Sprache den damaligen deutschen Dialekten so nahe, dass die Sprecher:innen ihre Sprache „Taitsch“ nannten — also Deutsch. Obwohl das „Taitsch“ der Jüdinnen und Juden sich nur wenig vom „Taitsch“ der Christinnen und Christen unterschied, entwickelte es von Anfang an seine eigenen Traditionen: In hebräischen, nicht lateinischen Buchstaben geschrieben, entstand bereits im Hochmittelalter eine jiddische Schriftkultur. Ab der Frühen Neuzeit wurden erste jiddische Bücher gedruckt, mit einer eigenen, vom Hebräischen leicht zu unterscheidenden Drucktype. […]

Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt der Niedergang des sogenannten Westjiddischen, des Jiddischen im deutschsprachigen Raum: Die Aufklärer erklären „die jüdisch-deutsche Mundart“, also Jiddisch, zu einer unerwünschten Mischsprache zwischen Deutsch und Hebräisch und wünschen sich, dass fortan entweder in ordentlichem Hebräisch (für liturgische oder religiöse Dinge) oder in ordentlichem Deutsch geschrieben werde. […]

Die Aufgabe des Jiddischen, einer Sprache, die man gar nicht als solche wahrnimmt, scheint ein geringer Preis für die gesellschaftliche und rechtliche Verbesserung, die man sich von der Emanzipation, d. h. von der Gleichstellung, erhofft. In manchen Familien erfolgt der Sprachwechsel rasch, innerhalb von ein oder zwei Generationen. Doch während Heinrich Heine in Düsseldorf bereits wie selbstverständlich deutschsprachige Weltliteratur schuf, dauerte es mancherorts etwas länger, bis man sich aus dem Jiddischen löste. […]

Erst im 20. Jahrhundert, als Sprachwissenschaftler an Hochschulen das Jiddische erforschen, setzt sich die Erkenntnis durch, dass Jiddisch eine eigene Sprache ist. Gleichzeitig etabliert sich die Bezeichnung „Jiddisch“ für die Sprache, was auf Jiddisch auch „jüdisch“ bedeutet.

In Westeuropa ist Jiddisch zu diesem Zeitpunkt vor allem in Kreisen von Einwander:innen aus Osteuropa zu hören, und zwar das sogenannte Ostjiddisch. Im Osten wie im Westen erfährt die Sprache nun aus unterschiedlichen Gründen eine Aufwertung: Jiddisch wird jetzt als Sprache des „einfachen Volkes“ verstanden, im Gegensatz zu Hebräisch als Sprache des „Klerus“, d. h. der jüdischen religiösen Elite. Sowohl die jüdische nationale Bewegung als auch verschiedene sozialistische Strömungen entdecken das Jiddische in diesem Sinne als eine jüdische Volkssprache, die es zu fördern gilt. […]

Inhalt

  • Einleitung:
    Carmen Reichert: Jiddisch. Jüdisch. Taitsch.
  • Jiddisch lebt!
    Philip Schwartz: Jiddisches Kulturleben in Europa heute
  • Jiddisch reden.
    Lea Schäfer: Jiddisch als gesprochene Sprache durch die Jahrhunderte
  • Jiddisch drucken.
    Lucia Raspe: Zum jiddischen Buchdruck in Schwaben im 16. Jahrhundert
  • Jiddisch schreiben.
    Malin Drees und Christian Porzelt: Post aus Augsburg
  • Sprache der Überlebenden.
    Lara Theobalt: Jiddisch in der Nachkriegszeit
Jiddisch, Jüdisch, Taitsch
Bild: Hentrich & Hentrich

Bibliografische Angaben

  • Carmen Reichert (Hg., 2025): Jiddisch. Jüdisch. Taitsch. Aspekte jiddischer Sprachgeschichte in Süddeutschland. Leipzig: Hentrich & Hentrich. 92 Seiten, 29 Abbildungen, 19,00 Euro, ISBN 978-3-95565-708-6. Bei Amazon bestellen.

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