Wenn China deutsche Unternehmen übernimmt: Kulturelle Differenzen und Übersetzungsprobleme

Chinesischer Drache
Bild: Jan Dyrda / Pixabay

Gut 200 deutsche Unternehmen sind 2025 überwiegend oder vollständig im Besitz von Anteilseignern aus China. Der Einstieg chinesischer Investoren und vor allem die Übernahme der Leitung durch Manager aus China verändert zumindest in einem Teil davon die Unternehmenskultur. Dies hat auch Auswirkungen auf die interne Kommunikation mit dem Betriebsrat und das Dolmetschen und Übersetzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).

Die Gewerkschafter klagen über die zurückhaltendere, höflichere, indirekte Art der chinesischen Kommunikation, die oft als Nicht-Kommunikation oder Informationsblockade empfunden wird. Dass es manchmal nicht möglich sei, Probleme offen anzusprechen, erschwere deren Lösung.

Neues Management spricht selten Deutsch

Mehr als die Hälfte der chinesischen Investoren habe eigene Landsleute in die Geschäftsführung der deutschen Tochtergesellschaften berufen. In 54 Prozent der Tochtergesellschaften waren oder sind chinesische Geschäftsführer allein oder gemeinsam mit nicht-chinesischen Kollegen tätig, heißt es in der Unterschung.

Bereits im Vorfeld einer Firmenübernahme sei es für die betroffenen Betriebsräte schwierig, an Informationen über die Käufer zu gelangen, da diese zum Teil nur in chinesischer Sprache vorlagen oder außerhalb Chinas nicht zugänglich waren. Dies sei auch auf die weitgehende chinesische Abkoppelung vom weltweiten Internet zurückzuführen.

Dadurch sei es nicht möglich, die Selbstdarstellung der Investoren durch eigene Recherchen zu überprüfen, was für eine effektive Interessenvertretung aber notwendig sei.

Auch nach der Übernahme sei die Zusammenarbeit nach Angaben der Betriebsräte von sprachlichen Schwierigkeiten geprägt. Nur eine Minderheit der chinesischen Chefs spreche gut genug Deutsch oder Englisch, um mit dem Betriebsrat kommunizieren zu können.

Mangelnde Fachkenntnisse bei chinesischen Dolmetschern und Übersetzern

Die Verständigung erfolge dann schriftlich über Übersetzungsprogramme oder mündlich mit Hilfe von Dolmetschern, die von der chinesischen Seite gestellt würden.

Eine inhaltlich präzise und dem Original angemessene Fachübersetzung setze jedoch Fachkenntnisse über Mitbestimmungsthemen und die deutschen Arbeitsbeziehungen voraus. Diese würden den chinesischen Übersetzern in der Regel fehlen.

Dolmetscherin übersetzt Frage nicht, weil sie dem Chef nicht gefallen könnte

Zudem komme es vor, dass die chinesischen Dolmetscher im Gespräch mit einer Autoritätsperson, wie zum Beispiel einem chinesischen Geschäftsführer, die Fragen und Einschätzungen der Betriebsräte nicht eins zu eins übersetzen wollen.

Einer der Befragten erinnere sich an einen Vorfall, bei dem eine Dolmetscherin seine Frage nicht übersetzen wollte, weil diese dem Chef nicht gefallen könnte.

Unternehmensführung hierarchischer und paternalistischer

Eine weitere Herausforderung sehen die Gewerkschafter darin, dass in China ein im Vergleich zu Europa hierarchischeres und paternalistischeres Verständnis von Unternehmensführung vorherrsche.

Das in Deutschland eingesetzte chinesische Management könne ohne Rücksprache mit der Zentrale in China oft nur wenig entscheiden.

Chinesisches Management agiert verhalten, will keine Fehler riskieren

In chinesischen Staatskonzernen spielten die Vorgaben der Partei eine wichtige Rolle, so die Studie. Insbesondere seit der Einführung neuer Richtlinien zur Rechenschaftspflicht und Haftung, die verhindern sollen, dass sich Manager in staatseigenen Unternehmen persönlich bereichern, sei das Verhalten der Manager von äußerster Vorsicht geprägt.

Es gehe in erster Linie darum, keine Fehler zu riskieren. Die Minimierung von Risiken scheine dem Management in Staatsunternehmen wichtiger zu sein als ein Agieren und Entscheiden nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Schlechtere Bedingungen für Gewerkschaftsarbeit

Nach dem Einstieg chinesischer Investoren „verschlechtern sich die Bedingungen für die betriebliche Mitbestimmung schleichend“, so das Fazit der Gewerkschaftsstudie. Zwar behinderten die neuen Eigentümer die Arbeit der Betriebsräte nicht, sie beteiligten sich aber auch nicht aktiv an einer Zusammenarbeit.

Die chinesischen Gesellschafter und Manager seien gewissermaßen abwesend und oft gar nicht ansprechbar. Tendenziell herrsche eine große Zurückhaltung bei der Weitergabe von Informationen an die Arbeitnehmerseite.

Studie nicht repräsentativ, Ergebnisse aber typisch

In die Analyse der konkreten Erfahrungen flossen Berichte von Vertretern der Beschäftigten aus 23 Betrieben ein, die seit mindestens drei Jahren von chinesischen Investoren geführt wurden. Es handelt sich also nicht um eine repräsentative Betrachtung aller in chinesischer Hand befindlichen ehemals deutschen Unternehmen.

Die Ergebnisse der eingehender untersuchten Fälle lassen sich aber durchaus verallgemeinern. Die hier zutage getretenen interkulturellen Unterschiede entsprechen auch früheren Berichten zum Thema.

Ein Drittel der Übernahmen scheitern

Von 294 übernommenen Unternehmen wurden zum Auswertungszeitpunkt Anfang 2024 noch 205 von ihren chinesischen Eigentümern weitergeführt. 39 wurden inzwischen geschlossen, weitere vier befanden sich in einem Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahren. 46 wurden weiterverkauft, wobei die Käufer in den meisten Fällen nicht aus China kamen.

In einem knappen Drittel der Fälle war die Übernahme also nicht erfolgreich.

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Richard Schneider

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