
Die Bildungsministerkonferenz (Bildungs-MK) ist eine von drei Teilkonferenzen der Kultusministerkonferenz (KMK). Deren Teilnehmer haben auf ihrer letzten Sitzung im Oktober 2024 die Justizminister der Länder darauf hingewiesen, „dass bereits jetzt keine hinreichenden Kapazitäten an Prüfungseinrichtungen bestehen, um genügend Dolmetscherinnen und Dolmetscher staatlich zu prüfen“.
Die Nachfrage nach der Prüfung zum Staatlich geprüften Übersetzer bzw. Dolmetscher ist seit Inkrafttreten des misslungenen Gerichtsdolmetschergesetzes (GDolmG) sprunghaft angestiegen. Dabei reichten die Kapazitäten bereits vorher nicht aus.
In vielen Bundesländern und für viele Sprachen werden überhaupt keine staatlichen Prüfungen angeboten. Diese werden aber als vom Gesetz bevorzugter Qualifikationsnachweis für die gerichtliche Ermächtigung / Beeidigung von Tausenden von Kolleginnen und Kollegen benötigt.
Die Politische Geschäftsführerin des BDÜ, Elvira Iannone, zeigt sich erfreut über die sich nun anbahnende ressortübergreifende Zusammenarbeit der Landesminister:
Wir begrüßen sehr, dass die sachliche Notwendigkeit einer Abstimmung zwischen den Ressorts auch auf politischer Ebene erkannt wurde. Dies ist gerade im föderalen Kontext von jeweils 16 hoheitlich zu- und eigenständigen Bundesländern nicht selbstverständlich. Zumal nicht alle Bundesländer über Prüfungsämter verfügen, und diese auch noch in unterschiedlichen Ressorts angesiedelt sind.
Justizminister: „Kapazitäten bedarfsgerecht zur Verfügung stellen“
Nach der Bildungsminister-Konferenz im Oktober 2024 tagte im Juni 2025 die Justizministerkonferenz (JuMiKo) im sächsischen Bad Schandau. Die griff den Anstoß der Bildungspolitiker auf und fasst einen Beschluss (Tagesordnungspunkt I.22), in dem die Bildungsministerien gebeten werden, „die notwendigen Kapazitäten an staatlichen Dolmetscherprüfungen und Anerkennungen im Sinne des § 3 Absatz 2 Satz 1 Ziffer 1 und 2 GDolmG bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen.“
Bundesjustizministerium soll Übergangsfrist erneut verlängern
Wie der BDÜ weiter mitteilt, hat die JuMiKo das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gebeten, die Übergangsfrist im GDolmG zu verlängern. Begründung: Für die Anpassung der Kapazitäten werde ein längerer Vorlauf benötigt. Vorteil für betroffene Dolmetscher: Sie könnten sich länger auf ihre nach altem Landesrecht erteilte Beeidigung berufen und hätten mehr Zeit, die verlangten Qualifikationsnachweise einzuholen.
Die Frist wurde bereits einmal verlängert. Nach gegenwärtigem Stand läuft sie am 31. Dezember 2026 ab. Zu dem Zeitpunkt werden Tausende von Gerichtsdolmetschern ihre allgemeine gerichtliche Beeidung verlieren, obwohl diese (mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen) unbefristet erteilt wurden.
Einen generellen Bestandsschutz für Altbeeidigte sieht das GDolmG unverständlicherweise nicht vor. Vor allem der ADÜ Nord hatte dies bemängelt und nicht nur deswegen eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht.
Engpass bei Prüfungsämtern lange absehbar
Die im BDÜ aktuell zuständige Vizepräsidentin Cornelia Rösel erklärt: „Es war lange absehbar, dass es angesichts der unzureichenden Prüfungs- und Anerkennungskapazitäten in den Bundesländern zu Engpässen kommen würde.“ Der Verband habe deshalb schon vor Jahren den Ausbau der entsprechenden Infrastruktur und Sprachenvielfalt gefordert.
BDÜ: „Staatliche Prüfung von essenzieller Bedeutung für Berufsstand“
Der BDÜ weist darauf hin, dass die Zeit drängt, selbst wenn die Übergangsfrist verlängert werden sollte. Das Prüfungsangebot müsse grundsätzlich ausgeweitet werden, auch für Erstbeeidigungen, die seit Januar 2023 ohnehin nach den neuen GDolmG-Bedingungen erfolgen müssen.
Die staatliche Prüfung für Übersetzer und Dolmetscher sei „auch über die Justiz hinaus von essenzieller Bedeutung für den Erhalt des Berufsstandes“.
Tätigkeit als Prüfer unattraktiv: viel Arbeit, viel Frust, kaum Geld
Was die fachfremden Politiker nicht bedenken: Es ist de facto gar nicht möglich, die Kapazitäten bei den Prüfungsämtern auf Anordnung zu erhöhen, weil kaum ein etablierter Dolmetscher und Übersetzer als Prüfer tätig werden möchte. Das liegt nicht an der eigentlich interessanten und anspruchsvollen Tätigkeit, sondern am Arbeitsvolumen, dem Zeitdruck durch Fristen und der nicht angemessenen Honorierung.
Wie eine Kollegin, die rund zehn Jahre als Prüferin tätig war, erläutert, handelt es sich um ein Ehrenamt, für das keine Vergütung, sondern lediglich eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird. Man könne damit kein Geld verdienen, sondern müsse ggf. sogar besser bezahlte Tätigkeiten zurückstellen, um die Termine und Fristen des Prüfungsprozederes einhalten zu können.
Angestrebt wird die Tätigkeit nur von Kolleginnen und Kollegen, die der Ansicht sind, dass sich eine solche – vorübergehende – Tätigkeit „gut im Lebenslauf macht“ und dadurch der weiteren Karriere dienlich ist.
Die Prüfer haben im Vorfeld der Prüfungstermine eine Menge Arbeit und müssen zum Beispiel erst einmal geeignete Prüfungstexte nach Vorgaben des Prüfungsamts suchen und vorbereiten.
Darüber hinaus müssen sie über eine hohe Frustrationsschwelle verfügen, denn die übersetzerische Qualität der Kandidaten ist in der Regel „erbärmlich“, so die Kollegin. Völlig zu Recht würden weit mehr als die Hälfte durchfallen – zumindest in ihrer Sprache, die zu den „kleineren“ gehört. Selten halte man die schriftliche Arbeit eines Kandidaten in den Händen, den man gerne in der Berufsgruppe der Übersetzer und Dolmetscher als neuen Kollegen begrüßt.
Es ist auch nicht einfach, die Tätigkeit als Prüfer nach einigen Jahren niederzulegen, denn die Suche nach Nachfolgern gestaltet sich schwierig. Aussteigewillige Prüfer werden angefleht, doch bitte weiterzumachen – nur für eine einzige Prüfungsrunde. Und dann für noch eine und für noch eine und für noch eine …
Richard Schneider