Das Esperanto der Wissenschaft: 150 Jahre metrisches System

Einführung des metrischen Systems
Auf dieser Weltkarte ist farblich dargestellt, seit wann das metrische System in den einzelnen Staaten verwendet wird. Auch in den schwarz markierten Ländern ist es eingeführt, wird aber nicht angewendet. - Bild: gemeinfrei

Unter der Überschrift „Eine universelle Sprache für die Welt“ erinnert die Physikalisch-Technische Bundesanstalt daran, dass vor 150 Jahren in Deutschland das metrische System eingeführt wurde:

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Eine universelle Sprache für die Welt

Einig kann sich die Welt durchaus sein. Zumindest wenn es darum geht, den Dingen ihr Maß zu geben. Wie selbstverständlich messen wir heute Entfernungen in Metern, Stromstärken in Ampere oder Gewichte in Kilogramm.

Die Geschichte dieser globalen Errungenschaft beginnt am Ende des 18. Jahrhunderts mit der Französischen Revolution, mit der so manches ins Rollen gebracht, einiges abgeschafft und vieles Neue in die Welt gesetzt wurde – und so auch der Meter und das Kilogramm.

Mit diesen beiden Einheiten trat das metrische System seinen Siegeszug um die Welt an und ersetzte nach und nach den schier babylonischen Wirrwarr aus Ellen und Füßen, Pfunden und Quentchen.

Es dauerte dann noch rund ein Dreivierteljahrhundert, bis sich diese Idee eines einheitlichen Maßsystems („À tous les temps, à tous les peuples.“ / „Für alle Zeiten, für alle Völker.“) durchsetzen konnte.

Seit 1872 gilt das metrische System in Deutschland

Drei Jahre bevor die ersten siebzehn Staaten die sogenannte Meterkonvention unterzeichneten und sich, international abgestimmt, zu diesem Maßsystem verpflichteten, wurde das metrische System bereits in Deutschland eingeführt: Am 1. Januar 1872 trat die „Maß- und Gewichtsordnung des Deutschen Reiches“ in Kraft und setzte Meter und Kilogramm an die Stelle der bis dahin gebräuchlichen, teilweise Jahrhunderte alten Maße und Gewichte.

Ein einheitliches, weltweit akzeptables Maßsystem einzuführen, war weniger eine wissenschaftliche, sondern vor allem eine politische Großtat. Während sich in den zuvor gebräuchlichen Einheitensystemen regionale Machtverhältnisse widerspiegelten (Stichwort: fürstliche Ellen), bestach das metrische System durch seine allgemeine Akzeptanzfähigkeit.

Urmeter
Jeder Mitgliedsstaat der Meterkonvention wurde mit einer Kopie des Ur-Meters versorgt. Die hier abgebildete Kopie Nr. 23 war bis 1960 als nationale Kopie der Bundesrepublik Deutschland in Gebrauch. – Bild: PTB

Der Meter als vierzigmillionster Teil des Erdumfangs

Die Grundeinheit des Systems, nämlich der Meter, war nicht einem individuellen Herrscher entlehnt, sondern unserem Planeten Erde abgerungen. Zwei Astronomen meisterten während der französischen Revolutionsjahre die ihnen gestellte Mammutaufgabe, den Umfang der Erde zu vermessen.

Nach jahrelangem Triangulieren des Teilstücks eines durch Paris führenden Meridians, nämlich der Strecke zwischen Barcelona und Dünkirchen, präsentierten sie ihr Ergebnis in der damals in Frankreich gebräuchlichen Längeneinheit „Pariser Linien“.

Da zugleich die Breitengrade von Start- und Endpunkt der Strecke mit astronomischen Messungen gut bestimmt werden konnten, ließ sich das in jahrelanger, mühevoller Arbeit erzielte Teilergebnis auf den gesamten Erdumfang hochrechnen. Und aus diesem Umfang wurde eine bis dahin völlig neue Längeneinheit abgeleitet: Der Meter wurde definiert als der vierzigmillionste Teil des so gemessenen Umfangs der Erde.

Der Meter ist damit auch gleichzeitig der Namensgeber des metrischen Systems und des im Jahre 1875 geschlossenen Staatenvertrags, der Meterkonvention. Zu den ersten Signatarstaaten zählte dabei auch das Deutsche Reich – übrigens ebenso wie das monarchisch regierte Bayern.

Physikalisch-Technische Reichsanstalt erstes Metrologieinstitut weltweit

In der Folge der Meterkonvention gründeten die Staaten nach und nach nationale Metrologieinstitute, denen die nationale Umsetzung des metrischen Systems oblag.

Die erste Institution dieser Art war die im Jahre 1887 in Berlin gegründete Physikalisch-Technische Reichsanstalt (PTR), die Vorgängerinstitution der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), die heute das zweitgrößte nationale Metrologieinstitut weltweit und eine gewichtige Stimme in der internationalen Welt des Messens ist.

Mehr als hundert Staaten gehören Meterkonvention an

Der Meterkonvention gehören mittlerweile über 100 Staaten als Mitglieder bzw. als assoziierte Staaten an. Und in all diesen Staaten wird eine gemeinsame metrologische Sprache gesprochen, deren Grundeinheiten nach wie vor der Meter, das Kilogramm und die Sekunde sind.

Vom metrischen System zum Internationalen Einheitensystem (SI)

Weitere Basiseinheiten, namentlich das Ampere (für die Stromstärke), das Kelvin (für die Temperatur), die Candela (für die Lichtstärke) und das Mol (für die Stoffmenge), haben dieses metrische System im Laufe der letzten 60 Jahre zum „Internationalen Einheitensystem (SI)“ erweitert – ein Einheitensystem für die Welt.

Global durchgesetzt hat sich dieses Einheitensystem vollständig in der wissenschaftlichen Welt und nahezu überall in der Wirtschaft und in den Messungen unseres Alltags.

Vereinigte Staaten: „We are approaching the SI system, inch by inch.“

Auch in den USA sind die Maßeinheiten des metrischen Systems bereits seit dem Metric Act von 1866 zugelassen. Seit dem Metric Conversion Act von 1975 stellen sie gar das preferred measurement system for U.S. trade and commerce dar. Dessen Anwendung ist aber  – außer beim Militär – für niemanden verpflichtend vorgeschrieben.

Selbst nachdem für den Handel mit Endverbrauchern 1994 im Fair Packaging and Labeling Act vorgeschrieben wurde, dass neben den customary units auf Verpackungen auch Angaben in metrischen Einheiten gemacht werden müssen, kam die Umstellung im Rahmen der metrication bzw. metrification nicht so richtig in Schwung.

Im Alltag sind nach wie vor die althergebrachten angloamerikanischen Maßeinheiten üblich: Man rechnet in Meilen, Gallonen und Pfund.

Aber es besteht Hoffnung, da von amerikanischen Metrologen zu hören ist: „We are approaching the SI system, inch by inch.“

Dr. Jens Simon / PTB