Literaturübersetzer Harry Rowohlt im Alter von 70 Jahren gestorben

Harry Rowohlt
Harry Rowohlt bei einer Lesung im Jahr 2009.

Harry Rowohlt, der bekannte Literaturübersetzer, begnadete Vortragskünstler, Autor, Kolumnist, Gelegenheitsschauspieler und Ambassador of Irish Whiskey, ist gestern, am 15.06.2015, im Alter von 70 Jahren verstorben.

War die chronische Polyneuropathie, die er 2007 öffentlich machte, schuld am relativ frühen Ableben? Oder doch eher das Rauchen und Saufen oder alles in Kombination?

2007 musste Harry Rowohlt einige Lesungen absagen, weil er nicht mehr gut zu Fuß war. Damals gab er bekannt:

Ich habe Polyneuropathie und werde wohl nie wieder über die Käffer tingeln können. Polyneurophatie findet […] in den Extremitäten statt und bedeutet, dass in den Fußsohlen nicht mehr genügend funktionstüchtige Nervenenden […] sind. Die übrigen senden unvollständige Signale, und wenn das Hirn diese zu vervollständigen versucht, fliegt man auf die Schnauze. […] Ich brauch‘ mich als passionierter Stubenhocker nicht groß umschulen zu lassen.

2009 erklärte er ebenfalls gegenüber der taz:

Das ist eine absolute Kreativenkrankheit. Heinz Reincke, Jan Fedder – alle haben Polyneuropathie „mit unklarer Genese“. Das ist ein Euphemismus für Suff. In 33,3 Prozent der Fälle liegt es am Suff. Es könnten natürlich auch 66,6 Prozent sein beziehungsweise 66.66 Periode. Wer weiß das denn schon so genau? […] Ich habe offenbar immer an meiner Leber vorbeigesoffen, das ging direkt in die Fußsohlen. […] Ich war auch einmal bei der Polyneuropathieselbsthilfegruppe und bin da laut schreiend wieder weggerannt. Das heißt, ich wäre gerannt, hätte ich rennen können.

Er nahm die gesundheitlich bedingten Einschränkungen und den Verzicht auf Alkohol – den ihm sein Neurologe nie zugetraut hätte – mit Humor und erklärte:

Der einzige Nachteil ist, dass man nicht mehr in die wunderschönen Kneipen kann. Da bin ich früher immer gewesen, aber ich habe einfach keine Lust mehr, der Welt zu beweisen, wie viel Apfelsaftschorle ein Mann verträgt.

Noch im Mai 2010 sagte er in einem Video-Interview mit fragebuch.ch:

Das ist das Schöne an Polyneuropathie: Man spürt nichts. Deshalb empfehle ich die Krankheit auch sehr. […] Dadurch, dass ich wegen der Polyneuropathie nicht mehr saufe, muss ich mich zum Beispiel immer dazu zwingen, albern zu sein. Das geht aber sehr viel schneller, als ich gedacht hatte.

Die deutschsprachigen Feuilletons werden sich in den nächsten Tagen in wortgewaltigen Lobhudeleien überschlagen.

Welchen Ruf Harry Rowohlt als Übersetzer hatte, bringt jedoch am besten ein Cartoon der Karikaturisten Hauck & Bauer auf den Punkt. Dort sagt ein literaturbegeisterter Mittdreißiger beim Bummel durch einen Buchladen oder über die Frankfurter Buchmesse zu seiner Begleiterin: „Das Buch musst du in der Übersetzung von Harry Rowohlt lesen. Im Original geht da viel verloren.“ Die Zeichnung macht jetzt überall die Runde und ist unter anderem auf der Facebook-Seite des Zeit-Magazins zu finden.

Auf die Frage, was dereinst auf seinem Grabstein stehen soll, antwortete er übrigens 2012: „Harry Rowohlt“.

Nachtrag: Einige Monate nach Rowohlts Ableben wurde bekannt, dass der starke Raucher in seinen letzten Jahren zusätzlich zur Polyneuropathie auch unter Lungenkrebs litt und daran verstarb.

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[Text: Richard Schneider. Bild: Nifoto, frei nutzbar.]

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