ProZ.com löscht Jobangebot, weil ausschreibendes Übersetzungsbüro „keine Inder“ wünscht

Vor Kurzem wurde ich auf ProZ.com Opfer der political correctness. Wie schon Dutzende Male zuvor schrieb ich als Betreiber eines Übersetzungsbüros auf der internationalen Übersetzerplattform einen Übersetzungsauftrag aus.

Da es um einen mehrere Tausend Zeilen langen und zur Veröffentlichung gedachten Text ging, bei dem höchste Qualitätsmaßstäbe einzuhalten waren, fügte ich hinzu: „Ausschließlich britische oder amerikanische Muttersprachler. Keine Inder, keine Agenturen, keine Berufsanfänger.“ Das wurde mir allerdings zum Verhängnis.

Fünf Stunden war das Jobangebot schon online und zahlreiche Bewerbungen waren bereits eingegangen, als ein ProZ-Moderator Anstoß an der Formulierung „keine Inder“ nahm.

Er interpretierte dies als Verstoß gegen ProZ-Regeln und löschte das Jobangebot kurzerhand. Als Ausschreiber wurde ich per E-Mail darüber informiert. Zur Begründung hieß es: „Jobs posted must respect the principle of equal opportunity.“

„Gut“, sagte ich mir, „lassen wir die Inder halt weg und laden wir das Jobangebot noch einmal hoch.“ Aber so einfach war das nicht. Denn ich musste feststellen, dass ich meine Jobangebote, obwohl ich zahlendes „Platinum-Mitglied“ bei ProZ.com war, gar nicht mehr direkt veröffentlichen konnte.

Stattdessen wurden diese zwei Wochen lang jedes Mal zunächst einem Moderator vorgelegt und von diesem dann einzeln von Hand und mit zeitlicher Verzögerung freigeschaltet.

Die Inder selbst schien der Hinweis „keine Inder“ übrigens nicht zu stören. Denn diese bewarben sich in den fünf Stunden, in denen das Jobangebot online zu lesen war, natürlich trotzdem eifrig um den lukrativen Auftrag.

[Text: Richard Schneider.]

Leipziger Buchmesse 2024