Die Ausgabe 3/2008 von MaxPlanckForschung, dem vierteljährlich erscheinenden Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft, widmet sich dem Schwerpunktthema China. Um schon auf der Titelseite einen Bezug zum Reich der Mitte herzustellen, verfiel man auf die Idee, dort handgeschriebene chinesische Schriftzeichen zu platzieren.
Bei der Bildagentur Visum wurde ein Foto mit der Bezeichnung „altchinesische Zeichen“ gekauft. Wie die Pressesprecherin des Instituts erklärte, habe man das Schriftbild zur Sicherheit einem deutschen Sinologen vorgelegt. Dieser sei der Ansicht gewesen, dass es sich um „völlig unverfängliche Zeichen“ handle.
Chinesischer Text eindeutig zweideutig
Chinesische Mitarbeiter aus Max-Planck-Instituten wiesen die Redaktion nach Erscheinen des Heftes dann aber darauf hin, dass die Botschaft des Textes eindeutig zweideutig sei. Es handle sich nicht, wie man auf den ersten Blick vermuten könne, um ein klassisches Gedicht mit jahrtausendealten Weisheiten, sondern um die Werbung eines Etablissements aus dem Rotlichtmilieu.
„Wir haben es uns einiges kosten lassen und junge Mädchen aus Nordchina aufgetrieben“, heißt es im Text. Die Damen seien „heiß“, „schön wie Jade“, stünden „im Frühling ihrer Jugend“, hätten „eine erregende Figur“ und böten eine „bezaubernde und kokette Vorstellung“.
„Das Schriftbild sieht aus wie ein traditionelles Gedicht“, so Hans van Ess, Sinologe an der Universität München. „Aber es enthält einschlägige Vokabeln wie etwa ‚Jadefrauen‘.“ Auch Martin Müller, Sinologe an der Kölner Universität, weiß: „Altchinesisch ist sehr anspielungsreich.“ Aufgrund einiger Vokabeln habe man beim Lesen aber eigentlich „schon stutzig werden müssen“.
Das staatliche China Internet Information Center erklärt: „Tatsächlich ist der zweideutige Gehalt hinter den blumigen Worten für einen Nichtmuttersprachler schwer zu erkennen.“
Thomas Höllmann vom Institut für Sinologie der Universität München weist darauf hin, dass man schon an den beiden westlichen Buchstaben „K“, die im Text eingeflochten sind, erkennen könne, dass da etwas faul sei. „K“ könne der Name des Etablissements oder das Kürzel der Betreiber sein. Auf jeden Fall handle es sich nicht um einen authentischen alten Text.
Auch Zhang Zhenhuan von der Universität Mainz ist dieser Ansicht: „Er stammt wahrscheinlich vom Anfang des 20. Jahrhunderts, könnte aber auch aus der Gegenwart sein.“ Seiner Ansicht nach handelt es sich um die Werbung für ein Bordell, „mindestens aber für eine Erotik-Show“. Vermutlich stamme der Text aus Hongkong oder Macau.
Neudruck mit anderem Titelbild – schon gedruckte Exemplare wurden überklebt
Nach Bekanntwerden der Panne hat die Redaktion von MaxPlanckForschung die Titelseite mit einem anderen chinesischen Schriftbild neu drucken lassen. Auf bereits versandfertigen Exemplaren des Fehldrucks wurden die Schriftzeichen überklebt. Gleichzeitig entschuldigte man sich bei den Lesern für den Irrtum.
Welcher finanzielle Schaden durch den Neudruck des Hefts und die Anfertigung der Aufkleber entstanden ist, wurde nicht mitgeteilt.
Richard Schneider
Quelle: Independent, Spiegel, Süddeutsche Zeitung, China Internet Information Center, Focus.