Bei Streitfällen auf internationaler Ebene schieben Diplomaten seit Jahrtausenden gerne dem Dolmetscher die Schuld in die Schuhe. Auf diese Weise wird den Kontrahenten die Möglichkeit geboten, sich unter Wahrung des Gesichts wieder zu versöhnen. Die Dolmetscher werden in solchen Situationen gebeten, im Interesse der Sache den ungerechtfertigten Rüffel hinzunehmen. Der internationale Fußball lieferte dazu jetzt ein weiteres Beispiel. Die Süddeutsche Zeitung schreibt:
Am Montag meldete Schalke, dass der peruanische Stürmer [Jefferson Farfán] mit Erlaubnis von Trainer Fred Rutten in die Heimat gereist sei, weil seine Oma, „mit der ihn immer ein besonderes Verhältnis verbunden hat“, im Sterben liege. Farfán bitte aber darum, „dass dieses traurige Thema in den Zeitungen nicht groß thematisiert“ werde.
Die Bild-Zeitung hielt sich nicht daran und erfuhr über ein peruanisches Boulevardblatt, dass sich beide Großmütter des Fußballers bester Gesundheit erfreuen. Farfán hatte die Krankheit der Oma offenbar nur erfunden, um sich von dem als gutmütig bekannten Trainer einen Sonderurlaub genehmigen zu lassen. Der wahre Anlass der Reise war laut peruanischen Medien eine Beziehungskrise. Freundin Melissa fühlt sich in Südamerika vernachlässigt.
Nach Bekanntwerden dieser Fakten erklärte Schalke 04 als Arbeitgeber des mit 10 Mio. Euro teuersten Einkaufs der Vereinsgeschichte, dass es bei den Erklärungen zur Gesundheit der Oma wohl „einen Übersetzungsfehler“ gegeben habe. Die Frau liege nicht im Sterben, aber dass es ihr nicht gutgehe, sei eine Tatsache.
Der Vereinssprecher drückte sein Bedauern über das Missverständnis aus, der Torjäger flog schon am nächsten Tag zurück ins Ruhrgebiet und die Angelegenheit war zumindest gegenüber der Öffentlichkeit erledigt. Welche Konsequenzen hinter den Kulissen gezogen wurden, ist nicht bekannt.
Siehe dazu auch unser Dossier Der Schuldige ist immer der Dolmetscher.
[Text: Richard Schneider. Quelle: Süddeutsche Zeitung, 2009-02-05.]