München: Drei Jahre Haft für Albanisch-Dolmetscherin

Drei Jahre hinter Gitter muss eine Albanisch-Dolmetscherin aus Kiel, weil sie eine Drogenhändlerbande vor der Polizei gewarnt hatte. „Strafvereitelung in fünf tateinheitlichen Fällen“ heißt das im gestern gefällten Urteil. Die Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt.

Die Frau war im Mai 2008 von einem Übersetzungsbüro beauftragt worden, für die Münchner Polizei mitgeschnittene Telefonate und SMS-Nachrichten der Heroinhändler auszuwerten und zu übersetzen. Wenige Tage vor Abschluss Ihres Engagements suchte sie die Händler auf und teilte ihnen mit, dass sie abgehört wurden. Vier der sechs Verdächtigen konnten daraufhin nach Albanien fliehen, die beiden anderen tauchten in Deutschland unter und wurden später festgenommen.

Die Vorsitzende Richterin bezeichnete das Verhalten der Angeklagten als „eklatanten Vertrauensbruch“. Die Dolmetscherin habe sich wichtig machen wollen, da sie weder von ihrem Auftraggeber noch von der Polizei gebührend beachtet worden sei. Sie sei frustriert gewesen, da sie wochenlang täglich zehn bis zwölf Stunden habe arbeiten müssen. Zudem sei sie vom Inhaber des von der Polizei beauftragten Übersetzungsbüros gedemütigt worden. Dieser habe ständig an der von ihr gelieferten Übersetzungsqualität herumgenörgelt.

Die Staatsanwaltschaft hatte zusätzlich verlangt, ein Berufsverbot auszusprechen, also der Verurteilten zu untersagen, später jemals wieder als Übersetzerin oder Dolmetscherin zu arbeiten. Diesem Antrag kam das Gericht nicht nach, da sich die Frau ohnehin jede Chance verbaut habe, später noch einmal für die Polizei oder die Justiz zu arbeiten. Die Möglichkeit, in der Wirtschaft wieder als Sprachmittlerin Fuß zu fassen, wollte ihr das Gericht jedoch nicht nehmen.

Rückblickend bleibt das Verhalten der Dolmetscherin vollkommen unbegreiflich – am meisten wohl für sie selbst. Während der vier Verhandlungstage brach sie  mehrfach in Tränen aus. Sie hat von den Drogenhändlern keine Gegenleistung erhalten und auch nicht erwartet. Sie hatte weder Schulden noch war sie drogenabhängig. Im Grunde müsste sie eine Aversion gegen Drogenhändler haben, denn in ihrem Bekanntenkreis war jemand durch Heroin umgekommen.

Der Verteidiger charakterisierte seine Mandantin als „grundehrliche Person“. Die nun schon acht Monate währende Untersuchungshaft verarbeite sie sehr schlecht. Auch auf die Pressevertreter machte sie einen guten Eindruck. Die Süddeutsche Zeitung beschreibt die Dolmetscherin als „hübsche Frau“. „Das glatte Haar zum Knoten gesteckt, den Bleistiftrock knielang und die Lippen geschminkt, wäre sie elegant genug für das internationale Parkett.“

Die Frau war im Kosovo bei den KFOR-Truppen der NATO als Dolmetscherin auf höchster Ebene fest angestellt und arbeitete unter anderem auch für den dortigen Oberbefehlshaber. Bei ihrem Heimaturlaub in Deutschland war sie von einem Übersetzerkollegen bedrängt worden, bei der Polizei in München einzuspringen. Dazu verlängerte sie extra ihren Urlaub.

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[Text: Richard Schneider. Quelle: Die Zeit, 2009-02-10; ddp, 2009-02-10; Süddeutsche Zeitung, 2009-02-11.]